Erstellt am: 5. 10. 2015 - 16:50 Uhr
"Arbeitsplätze kann man nicht herzaubern!"
Um 7:30 stehen schon die ersten angehenden Einzelhandelskaufleute, TischlerInnen und ChemikerInnen vor ihrer Berufsschule in der Hütteldorferstraße im 15. Wiener Gemeindebezirk. Für viele von ihnen sind die Gemeinderatswahlen in Wien am Sonntag die ersten Wahlen, bei denen sie ihre Stimme abgeben dürfen. Der Wahlkampf an sich ist für die meisten hier nicht von großem Interesse. Von den Wahlgeschenken sind sie wenig beeindruckt: "Wir lassen uns nicht bestechen, wir bilden uns unsere Meinung selbst", höre ich von einem Lehrling.
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Simon Welebil / FM4
Wie wohl überall sonst in Österreich ist für sie die Ankunft der vielen Flüchtlinge das beherrschende Thema zurzeit, doch auch die Arbeitssituation beschäftigt sie. Sie hätten zwar alle eine Lehrstelle, doch die Suche danach wäre oft langwierig gewesen und in ihrem Umfeld wären viele arbeitslos.
In Wien gibt es mehr Arbeitslose als sonstwo in Österreich. Die Arbeitslosenquote in beträgt hier etwa 13%. 150.000 Menschen sind in Wien auf Jobsuche oder in Schulungen, über 14.000 davon sind unter 25 Jahre alt. Der Konkurrenzkampf am Arbeitsmarkt ist dementsprechend groß, die Lehrlinge blicken nicht allzu optimistisch in die Zukunft.
Ob irgendeine politische Partei ihre Situation verbessern kann, da sind sie sich nicht so sicher, denn "Arbeitsplätze so herzaubern kann keiner", wie es ein Lehrling formuliert, "eine Partei die zaubern kann würde mir da nicht einfallen."
Wenn die Parteien im Wiener Wahlkampf auch keine Zaubertricks auf Lager haben, Vorschläge, um die Arbeitsmarktsituation zu entspannen haben sie alle in ihren Wahlprogrammen.
SPÖ
Im Programm der Wiener SPÖ steht beim Thema Arbeit zuallererst der Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping und prekäre Arbeitsverhältnisse. Um Jugendliche nicht in Hilfsarbeiterjobs abgleiten zu lassen, soll über die Wiener Ausbildungsgarantie jeder Jugendliche eine Ausbildung bekommen, die über die Pflichtschule hinausgeht.
Damit mehr Unternehmen nach Wien kommen, bzw. weiter in Wien investieren, will ihnen die SPÖ steuerliche Anreize bieten. Mit Förderungen und kostenloser Beratung sollen Unternehmensgründungen erleichtert werden. Doch nicht nur Unternehmen sollen Jobs in Wien schaffen, durch mehr Investitionen von Seiten der Stadt in sozialen Wohnbau, Bildung, Gesundheit und Infrastruktur sollen ebenfalls Arbeitsplätze entstehen.
Auch im Tourismus sieht die SPÖ in Wien noch Potential für weitere Arbeitsplätze und will Wien als Tourismusstadt international weiter stärken, mehr Direktflüge aus anderen Großstädten erreichen und die Gästenächtigungen steigern.
Der Vorschlag der Einführung einer 35-Stunden Woche klingt nach dem Versuch, die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen aufzuteilen.
FPÖ
Auch die FPÖ will in ihrem Wahlprogramm Lohndumping bekämpfen, für das "Billigarbeitskräften aus dem Osten" verantwortlich gemacht werden. Als Lösung setzt die FPÖ auf eine sektorale Schließung des österreichischen Arbeitsmarktes, solange ÖsterreicherInnen arbeitslos sind.
Die FPÖ will Klein- und Mittelbetriebe fördern und durch Bürokratieabbau und Senkung der Lohnnebenkosten erreichen, dass Betriebe wieder mehr MitarbeiterInnen anstellen.
Sonst gleichen viele Forderungen der FPÖ jenen der SPÖ. Auch die FPÖ will Unternehmen Investitionsfreibeträge anbieten, in Wohnungen und in den öffentlichen Verkehr investieren.
ÖVP
Die ÖVP Wien verspricht ein "Jurazka-Ruck-Jobpaket" bestehend aus 25.000 neuen Arbeitsplätzen. Dafür hat man ein 11-Punkte-Programm entworfen. Zentral ist dabei die Sonntagsöffnung von Geschäften in neu zu schaffenden Tourismuszonen, durch die TouristInnen mehr Geld in der Stadt lassen sollen. Sonst findet sich unter diesen Punkten etwa auch der Ausbau des Flughafens, ein Anschluss an die Transsibirische Eisenbahn oder der Bau eines neuen Busterminals in Wien.
Die ÖVP will außerdem die Lehre attraktiver machen, indem sie Lehre mit Matura bzw. auch umgekehrt Matura mit Lehre anbieten will. Der Fachkräftemangel soll so kompensiert werden.
Durch eine Steuerreform inklusive Gebühren und Abgabensenkung sollen die Unternehmen in Wien gestärkt werden, die Ansiedlung von neuen Unternehmen in Wien soll professioneller als jetzt gemanagt werden.
Grüne
Die Wiener Grünen wollen zehntausende Green Jobs schaffen, Arbeitsplätze, die Arbeit mit Umweltschutz verbinden, unter anderem durch Investitionen in Bildung, Gesundheit, Wohnen, Infrastruktur und ökologische Mobilität.
Praktika ohne Bezahlung sind den grünen ein Dorn im Auge, genauso wie prekäre und Scheinselbständigkeit. Einpersonen- und Kleinstunternehmen sollen entlastet und sozial abgesichert werden.
Im Bereich der Ausbildung setzten die Grünen einerseits auf einen Ausbildungsanspruch für Jugendliche, einen Lehrlingsfonds, um mehr Lehrstellen zu schaffen, andererseits auf eine Aufstockung der Mittel für den Wiener Arbeitnehmer_innen Förderungsfonds (waff) und ein breites Erwachsenenbildungsangebot zur Weiterqualifizierung und Neuorientierung.
NEOS
Die NEOS wollen Geschäftsgründungen durch Bürokratieabbau erleichtern, z.B. durch Unternehmensgründungen ohne Startkapital und in "One-Stop-Shops", sie wollen das Gewerberecht modernisieren, neue Lehrberufe einführen und allgemein die Bestimmungen der Lehrlingsausbildung ändern.
Der Wunsch der NEOS ist, dass das Bildungssystem insgesamt effizienter und flexibler wird, um schneller auf Veränderungen am Arbeitsmarkt reagieren zu können.
Um Unternehmen zu entlasten setzt die Partei auf eine Senkung der Lohnnebenkosten und Streichung anderer Abgaben, etwa der Vergnügungs- oder der U-Bahnsteuer.
Von der Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten (zumindest bei eigentümer_innegeführten Betrieben) versprechen sich die NEOS die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeiten von Greißlern und Klein(st)unternehmen.
Heute im ORF: TV-Konfrontation der Spitzenkandidaten
Im Vorfeld der Wien-Wahl geht am Montag, dem 5. Oktober, die einzige TV-Konfrontation aller Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der im Landtag bzw. Nationalrat vertretenen Parteien in Szene. Ab 20:15 wird diese ElefantInnenrunde auf ORF 2 und ORF III übertragen Danach um 21.45 Uhr analysiert auf ORF III eine „Runde der Chefredakteure“ die in der TV-Konfrontation gemachten Aussagen.