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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 10. 2015 - 14:58

The daily Blumenau. Monday Edition, 05-10-15.

Bundesliga-Bilanz. Was sich nach einem schwachen Saison-Drittel erkennen lässt.

Weil 1) jetzt Länderspielpause ist und sich 2) die Lage der Liga-Teams nach vielen Justierungen jetzt stabilisiert hat: Bundesliga-Bilanz. Eine, die im Dezember eh wieder hinfällig sein wird, weil sich danach wieder ein Transferfenster öffnet und einige Karten neu reingemischt werden.

In der Liga, die aus vielen Gründen der Nationalmannschaft aktuell nicht das Wasser reichen kann, haben sich die - eh nur virtuell, in den präjudizierten Köpfen von Fans (und Medien, die sich nicht als Berichterstatter, sondern als distanzlose Anwälte dieser Fangruppen begreifen) stattgefunden hat - Verhältnisse zurechtgerückt, wie von Zauberhand liegen Rapid, Salzburg, Austria und das übliche Überraschungsteam (heuer: die Admira) gleichauf vorne.

Bitte, der Hund hat meine Aufgabe gefressen

Die Ausreden, warum etwas nicht klappt, haben sich seit den Vorjahren nicht verändert. Es ist wieder einmal die Doppelbelastung, bei Rapid, und aktuell auch als Gespenst beim WAC. Hat nicht jemand erst unlängst dieses dumme Gejammer auf das, was es ist (Kopfsache, also mentaltrainierbar) reduziert, wer war das noch. Und dann sind es noch - in chemtrails-mäßiger Verfolger-Paranoia-Manier - die Schiedsrichter, als ob die nicht jeden Profi-Verein in Österreich benachteiligen würden. Dass die Mehrzahl der heimischen Liga-Clubs seine Hausaufgaben einfach nicht gemacht hat (und die gehen von schlechter Infrastruktur über nachhinkende Trainingsmethoden bis hin zu gezielter Nicht-Akribie, strategischer Verweigerung und der Förderung falscher Spielertypen), wird also mit der beliebten Ausflucht vom Haushund, der sie einfach aufgefressen hat, ersetzt.

Ich kann hier nur analysieren, was nach außen hin sichtbar ist: die Spielanlage, die strategische und taktische Herangehensweise, das Umfeld und die Lernfähigkeit im Umgang mit Input von außen. Und ich kann einschätzen, wer aus welchen Möglichkeiten wie viel macht.

'Geht so' aus viel

Viel haben Salzburg, Rapid und die Austria, nämlich (wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung) Budget, Medien-Verhaberung, politische und ökonomische Unterstützung sowie Manpower im Kader.

25 Mann etwa kann Zoran Barisic disponieren und trotzdem verliert er sich dieser Tage in Zusatzgejammer (zusätzlich zu Doppelbelastung und Schiedsrichtern nämlich): er beschwert sich drüber, dass Schwab und Grahovac jetzt auch noch Teamspieler sind und deshalb dreifach belastet; anstatt sich über den aus diesen Trainings kommenden Input zu freuen; und trotz der halben Lüge im Fall Grahovac, der ja auch schon vorher für Bosnien (halt nur bei der U21 abgestellt war).

Trotzdem kriegt Rapid Wien als einziger der Großen ein "Geht so". Auch und vor allem wegen Europa.

Nun agiert Rapid allerdings nicht so großartig, wie die Jubelarien vieler angesichts der europäischen Auftritte vermuten lassen - dort war man in erster Linie glücklich, das aber zum Teil nicht unverdient und hat auch nicht den besten Liga-Kader, wie es farbenblinde Club-Legenden erkennen wollen. Rapid ist (auch mit fünf Österreichern in Millionen-Markwert) die deutliche Nummer 2 im Land.

Rapid spielt seit Saisonbeginn deutlich über seinem eigentlichen Leistungs-Limit und ist - nicht nur aus diesem Grund - der erste Kandidat für einen ordentlichen Einbruch. Ein anderer Grund wäre die strategische Unflexibilität, in die das Trainerteam sich aus einem sicher guten Grund (Stabilität reinbringen) manövriert hat. Das (keine alternativen Ideen) bedeutet aber auch: hohe Krisenanfälligkeit.

Wenig aus viel

Red Bull Salzburg hat zwar den anfänglichen Rückstand aufgeholt (und dass dies passiert, das stand auch nie in Zweifel), die Phase der Wirrnis angesichts des sogenannten Kinderfußballs, der das Team just in der europäischen Quali-Phase umfasste (und wiederum dem großen Umbruch vor der Saison geschuldet war) ist aber noch immer nicht wirklich beseitigt - eine kritische Analyse von Salzburgs ungestümer Spielweise zeigt, dass man zwar nominell so auftritt wie unter Roger Schmidt und/oder Adi Hütter (nämlich im kräfteraubenden 4-2-2-2 und einem enormen Pressing), aber noch kein Abstimmungs-Mittel gefunden hat.

Zu wenig kommt auch von der Austria Wien, die mit hochtrabenden Ansprüchen und deftigen Mitteln in die Saison gestartet ist, sich dort aber immer in verwirrende Rückfälle begibt. So ersetzte der zum Start wienweit plakatierte Neo-Coach Thorsten Fink zwar das grenzensetzende 4-2-3-1 durch ein 4-1-4-1 mit einem Solo-Sechser (dem fädenziehenden Raphael Holzhauser, ein junger Mann, der die These, dass auf diesen Slot ein erfahrener Mann gehört, zurecht mit Füßen tritt) vor einem fetten Offensiv-Mittelfeld. Er verabsäumte es aber, die Bindung der Mannschaftsteile zu justieren. Weshalb die Austria dann letzten Samstag gegen ein spiegelgleiches Altach (das noch dazu mit Tajouri, einem ungeliebten Ex-Tribünenspieler der Violetten als Regieführenden) eher wie die prinzipiell schlechtere Mannschaft aussah. Und das ist zu wenig.

Wenig aus nicht ganz so viel

Sturm Graz als logische Nummer 4 hat die Möglichkeiten der Top 3 in eingeschränkter Form, holt aber noch weniger raus. Denn: Sturm ist trotz wiederholter gegenteiliger Behauptungen vor allem eines: lernresistent, und zwar ganz bewusst. Dieses Vorwärts-in-die-Vergangenheit beginnt beim Schmäh Foda 2.0 und endet im erstarrten 4-2-3-1 der Blackies.

Viel aus wenig

In den letzten Jahren waren es die Aufsteiger, die regelmäßig abräumten und großteils auch in die Europacup-Ränge gelangten. Die (datenuntermauerte) Erklärung war stupend. Die Liga-Teams (daran gewohnt, dem immer gleichen Gegner viermal im Jahr zu begegnen und also am verwendeten Shampoo blind zu riechen und entsprechend auszuchecken) waren mit wenigen innovativen oder ungewohnten Handgriffen wegzubluffen.

Heuer ist das auch so. Aber eben nicht nur.
Dem SV Mattersburg unter Ivica Vastic (dem ich eine solche Entwicklung nicht zugetraut hätte, Asche auf mein Haupt) gelingt mit nicht viel mehr als dem Zweitliga-Team und kaum gesteigerten Mitteln allein auf Basis einer hohen strategischen Flexibilität ungeahnt Vieles. Vastic' Mannschaft kann 3-5-2 (bzw 5-3-2) ebenso wie 4-2-3-1 oder 4-3-3; Italienisches Dreier-Mittelfeld, ausgeprägtes Offensiv-Flügelspiel, mit Onisiwo und Perlak verfügt man zudem über die zwei besten Vorbereiter der Liga. Synonym für den aktuellen SVM ist Kapitän Farkas, der rechts hinten ebenso wie links vorne spielt. Und wieder ist ein Gutteil der Gegner völlig überrascht und kann - auch wegen fehlender taktischer Grundkenntnisse - nicht damit umgehen

Den Vogel schießt trotzdem Fast-Absteiger Admira Wacker, der einzige Außenseiter im führenden Vierer-Pulk. In der Südstadt (wo die Nachbarschaft zu Traiskirchen zu einer hervorragenden Aktion geführt hat) kam einiges zusammen, was diesen Aufschwung bewirkte. In erster Linie ist das gut automatisierte Umschaltspiel zu nennen, das Coach Oliver Lederer (Ernst Baumeister ist nur der Strohmann mit der Lizenz, Lederer, der nominelle Co hat die Leitung) installiert hat. Folgerichtig; weil man mit einem in jeder Hinsicht schlechter gestellten Team wie der Admira wohl nur so erfolgreich agieren kann. Dass dazu auch eine hohe taktische Flexibilität kommt (auch die Admira kann je nach Bedarf switchen) muss ich nicht extra erwähnen. Dazu kommen Klassiker wie Spielern eine Chance geben, die anderswo gescheitert sind und die - im Fall Admira eben keine Phrase, sondern schon seit Jahrzehnten wahr - gute Nachwuchsarbeit.

Wenig aus wenig

Die Rolle des Sensationsaufsteigers im Jahr 2 ist zumeist die des im Backlash gefangenen, gegen den Abstieg fightenden. Vielleicht ist es eh schon die größte Leistung des SCR Altach unter Damir Canadi (zumindest gefühlt) nicht ganz unten zu stehen. Leistungsmäßig ist man nämlich gar nicht so schlecht unterwegs, hat sich als neben Rapid einziges Team in Europa nicht blamiert, sondern für gute Punkte gesorgt. Aber zum einen verfängt das gute taktische Rüstzeug, dass Canadi all seinen Mannschaften mitgibt, heuer nicht mehr wie selbstverständlich, zum anderen werden kleine Missgriffe und Fehler schnell bestraft. Der größte Vorteil der Vorarlberger ist ihr Wissen um ihr Können und ihre Wandelbarkeit.

Der SV Grödig hat ganz andere Probleme. Neben dem der zunehmenden Unsichtbarkeit ist es die einfallslose Spielweise, das nach eingeschlafenen Füßen schmeckende Rezept von Trainer Schöttel. Dabei versammelt sich in der Salzburger Provinz der größte Talent-Haufen des Landes: der Brasilianer Venuto, gleich sechs Spieler sind aktuell bei der U21 des ÖFB oder auf Abruf, dazu kommen weitere aktuelle und ehemalige ÖFB-Jugendkaderspieler etc. Es wirkt fast so, als würde Schöttel wieder einmal ein Projekt, das schon keine echte Ambition auf erstrangigen Professionalismus mehr hat, nur abwickeln müssen. Immerhin: in Neustadt hat dieser Prozess Jahre gedauert.

Knietief in der Jauche watet der Wolfsberger AC. Und zwar nicht, wie Trainer Kühbauer behauptet, weil man das Tor halt nicht treffen würde, sondern weil die Vorleistungen dafür nicht erbracht werden. Wenn Kühbauer hinter seine eh schon defensiv orientierte Doppel-Sechs noch einen zusätzlichen Abräumer einzieht (war nicht allzu oft, aber so stark ändert der Coach sein starres System auch nicht), dann darf er sich nicht wundern, wenn sein Team bestraft wird: im modernen Fußball werden strategische Unzulänglichkeiten sowohl schnell als auch implizit abgerechnet. Der Vorteil des WAC: man hat die Krise, die jeder Club im Lauf einer Saison abkriegt, jetzt schon hinter sich.

Jenseits des Messbaren...

... agiert die SV Ried. Die ersten fünf Spiele unter dem absurden Irrtum Kolvidsson (Bilanz 0-1-4) bedürfen glücklicherweise keiner Aufarbeitung mehr, die neue Ära Gludovatz (Bilanz 2:2:2) gibt wieder Anlass zur Hoffnung. Ried geht unter Gludovatz/Schweitzer nicht den bereits gewohnten Weg, sondern hat das mittlerweile oft nachgebaute und kopierte 3-3-3-1 noch um ein Stück ausgebaut, verfeinert und variiert. Und stößt dabei an Grenzen, die mit der Zusammenstellung des Kaders und den diversen Krisen der letzten Monate (Reiters Teufelskreis, die Intrigen rund um Oliver Glasner) aber auch etwa mit dem Ausfall des zentralen Akteurs, Marcel Ziegl nämlich, zu tun haben.

Tatsache ist aber auch, dass ein Rückgriff auf die kleine Rieder Fußball-Revolution von rund um 2010 genügt, um das Team wieder ligafit zu machen und gleichzeitig die Mitbewerber zu verunsichern. Rechnet man da die anderen Innovationen der letzten Jahre (Koller ist mit dem ÖFB da natürlich außen vor), Roger Schmidts aggressives Pressing-System und Canadis Hyper-Flexibilität dazu, stellt das dem österreichischen Fußball und seinem Wunsch ans europäischer Mittelfeld anzudocken, kein gutes Zeugnis aus.