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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

8. 10. 2015 - 12:36

The druggy zen record

Kann ein Album "druggy" klingen und gleichzeitig einen Zen-Spirit haben? Das neue Album "Here's To Nemesis" der österreichischen Singer/Songwriterin Clara Luzia schafft das.

November letzten Jahres: Im deutschen Offenbach kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen. Die dreiundzwanzigjährige deutsch-türkische Lehramtsstudentin Tuğçe Albayrak beweist Zivilcourage und greift ein. Sie wird dabei so hart niedergeschlagen, dass sie kurz danach an den Folgen der Verletzungen stirbt.

Dieser Fall ist in dem Lied "Cosmic Bruise" verarbeitet, einem starken Statement der österreichischen Singer/Songwriterin Clara Luzia, mit dem sie ihr neues Album eröffnet. Eigentlich war diese Geschichte nur der Auslöser, um ein großes Unwohlsein mit der Welt und der Menschheit auszudrücken. Im Text ruft die zerbrechliche und trotzdem starke Stimme Clara Luzias zu treibendem Schlagzeugbeat und wütender Gitarre Nemesis an, die "Göttin des gerechten Zorns". Wobei für die Musikerin hier die Funktion von Nemesis als Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit im Vordergrund steht. Aus dieser ersten Single generiert sich auch der Albumtitel "Here's To Nemesis", dem sechsten Studiowerk von Clara Luzia, das mit seinem sehr rauen und direkten Klang von Weltschmerz, Wut, aber auch Hoffnung erzählt.

Von Drogen uns Sehnsucht

Clara war schon immer ein politischer Mensch und hat ihre Meinungen und Ansichten nicht versteckt. Trotzdem scheint auf "Here's To Nemesis" der eigene Schmerz über persönlichen Verlust und harte Krisenzeit einem größeren Bild gewichen zu sein. Wobei Clara anmerkt, dass ihr eigener Schmerz sich schon immer auch aus dem "Schmerz um die Welt" gespeist hat. Textzeilen wie "we all are seeds from the same tree" bei "Cosmic Bruise" oder "we all came from the sea" bei "As Long As We Get By" weisen auf einen Bewusstseinszustand hin, der für die Sängerin viel verändert hat. Die Erkenntnis, dass wir eigentlich alle gleich sind, Samen derselben Frucht, haben ihr nicht nur im Alltag den Umgang mit anderen Menschen erleichtert, sondern es bringt sie auch leichter dazu, etwas für andere zu tun. Denn wenn Clara Luzia sich hoffnungsvoll an die Vorstellung hält, dass es so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit gibt, ist das nicht ein "sich zurücklehnen", im Sinne von "die Nemesis wird's schon richten". Vielmehr kann so ein Gedanke uns aus der Ohnmacht befreien und uns Kraft und Zuversicht geben, die Probleme anzupacken, mitzugestalten und zu helfen.

Portrait Foto Clara Luzia

© Mirjam Unger

Clara Luzia live in Österreich:

  • 28.10. WUK, Wien
  • 29.10. PPC Graz
  • 12.11. CINEMA PARADISO, St. Pölten
  • 13.11. RED BOX, Mödling
  • 14.11. KINO, Ebensee
  • 27.11. POSTHOF, Linz
  • 10.12. ARGE Kultur, Salzburg
  • 11.12. SPIELBODEN, Dornbirn
  • 12.12. WEEKENDER CLUB, Innsbruck

Dieser Aufruf, sein Leben und seine Zukunft selbst zu gestalten und sich nicht von unserer hoch technologischen Konsumwelt betäuben zu lassen, findet sich auch in dem Stück "The Drugs Do Work". Der dezente und verstaubt klingende Elektronikbeat am Anfang lullt uns ebenso geschickt ein, wie Facebook & Co., während dahingroovende Gitarren, sanftes Händeklatschen, zarter Chorgesang und drogige Orgelsounds uns berauschen und benebeln. Ein in sich stimmiges und unglaublich einnehmendes Stück, dass eine neue Seite von Clara Luzia hörbar macht. Wie man sich selbst die krisengeschüttelte Welt schönsingen kann, beweist "As Long As We Get By", eines der Highlights der Platte. In keckem Zwiegespräch decken Clara Luzia und die langjährige Wegbegleiterin Emma McGlynn auf, wie wir uns alle manchmal selbst belügen und selbstzufrieden nicht über unseren Tellerrand schauen. Spannender Aspekt des Songs ist, dass dieser Verdrängung eigentlich die Sehnsucht nach Rückkehr in den Weltenschoß zugrunde liegt, unser Wunsch dorthin zurückzukehren, wo wir herkommen: "We come from the sea / and we keep running back to it / the tide is free you see".

Zurück zum Ursprung

Man könnte dem Album "Here's To Nemesis" schon eine Art buddhistisches Lebenskonzept attestierent. Die Songs und Texte sind derart stimmig und feinfühlig, dass zwar manchmal eine dramatische Geschichte erzählt , aber nicht das große Drama zelebriert wird.

Albumcover Clara Luzia Here's To Nemesis

Clara Luzia/Asinella Records

Clara Luzias Album "Here's To Nemesis" erscheint am 9. Oktober auf ihrem Label Asinella Records.

Das hat einerseits damit zu tun, dass Clara ganz nahe bei sich, ihrem Herzen und ihren Songs bleibt und nicht versucht, hier eine Mission zu erfüllen. Andererseits liegt das Unmittelbare, ganz Persönliche der Platte an dem hervorragenden Sound, den Clara und der britische Produzent Julian Simmons geschaffen haben. Egal, ob es die Tremolo-Gitarren bei "Wounds & Scars" sind, oder der dreckige Rock des Lana DelRey Covers "West Coast": alles ist sehr reduziert und geschmackvoll eingesetzt, wie aus einem Guss. Einziger Leitfaden für Julian: Alles sollte recht druggy klingen. Und das tut es auch.

Für Clara war diese intime Art der Produktion ohne Band ein "Zurück zu den Anfängen", wie bei ihrer ersten Platten, als sie mit Produzent Alexander Nefzger an ihren Songs gearbeitet hat. Diesmal ist die enge Songschreib-Arbeit in England passiert, wobei die Basis der Stücke dann wieder mit Band in Wien eingespielt worden sind. So klingt es auch mehr nach einem Band- als nach einem überproduzierten Studioalbum.

Portrait Foto Clara Luzia

© Sarah Haas

Mit "Here's To Nemesis" präsentiert uns Clara Luzia eine neugewonnene Selbstsicherheit. Die Sängerin wirkt geerdet und aufrecht und beeindruckt durch ihre unmissverständlichen Botschaften und die große Freude an der Musik, die bei jedem Song mitschwingt. Und vielleicht ist es auch die Hoffnung, die sich hier trotz aller schwierigen Themen durch das ganze Album zieht, die den Unterschied macht. Denn die können wir derzeit alle gut gebrauchen.