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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

29. 9. 2015 - 11:44

Ein Prozent Talent, 99 Prozent Arbeit

Am Freitag erscheint mit "Bussi" der alphabetisch und atmosphärisch logische Nachfolger von "Amore". Wanda sind der FM4 Artist of the Week und erzählen uns mehr über das aufregende neue Album.

Spiele der Erwachsenen: Man tut so, als würde man sich nicht auskennen.
Ich bin ein einfacher Typ ohne viel Hirn.
Wobei man sehr wohl weiß, was läuft.
Ich bin ein zweifacher Typ und nur ein Hirn.

Diesen "Einfachen-Zweifachen-Typ" besingt Marco Michael Wanda in "Luzia" und mit diesem Image spielt er auch sehr gerne: polarisieren, provozieren, mit einem Augenzwinkern Grenzen ausloten, auch die eigenen. Schauen, was geht.

Wir erinnern uns an die Antifeminismus-Vorwürfe, die beißende Replik und an den Sager über die verlorenen jungen Bands.

Alles gezielte Provokation? Reine PR fürs neue Album?

Artist of the Week

Alle auf einen Blick unter fm4.orf.at/artistoftheweek

Das und noch viel mehr hab ich Marco Michael Wanda und Manuel Poppe im Interview gefragt, denn am Freitag erscheint mit "Bussi" der logische Nachfolger von "Amore", wie Marco Michael Wanda erzählt:

"Es ist nur einen Steinwurf vom ersten entfernt. Der Album-Titel hat auch fünf Buchstaben. Wo Amore so was wie ein Schlachtruf für Lebensfreude und Toleranz war, ist das Bussi mehr die Handlung. Bussi ist dem Begriff der Amore immanent. Jetzt wird’s schon dinglicher. Man kommt sich näher. Wir kommen dem Publikum näher. Und wenn wir uns ehrlich sind, ist es einfach der nächste Buchstabe im Alphabet."

Daniel Gebhart de Koekkoek

"Bussi" ist trotz des süßlichen Titels und ebensolcher Melodien textlich um einiges düsterer als der Vorgänger - und genau das verkörpert laut Marco Michael Wanda auch die in die Wasseroberfläche hineinmontierte sechste Person am Albumcover. Die Figur symbolisiert "die Bösartigkeit, die sich unter den Kinderlied-Melodien abspielt".

Songs wie "1,2,3,4, es ist so schön bei dir" und "Meine beiden Schwestern" kennt man schon von euren Konzerten - und da können alle immer mitsingen, obwohl die Songs noch unveröffentlicht sind. Ihr habt ein sehr aufmerksames Publikum?!

Marco Michael Wanda: Es sind ja auch Kinderlieder. Aber es hat uns schon überrascht. Als wir das erste Mal "Meine beiden Schwestern" gespielt haben und alle mitgesungen haben. Das war schon ein Moment.

Woher kannten sie den Text?

MMW: Es gab irgendein beschissenes Handyvideo von einem Konzert in Deutschland. Und offenbar haben sich das alle angeschaut.

Ein Prozent Talent, 99 Prozent Arbeit

"Meine beiden Schwestern" wird die zweite Single. Was kannst du mir über den Song verraten?

MMW: Lyrischer unbewusster Schmafu (lacht). Ich habe gar keine beiden Schwestern. Aber der Song hat hohes Identifikationspotential. Als ich den Song fertig hatte, habe ich ihn einigen Leuten vorgespielt und dann wurde ich von drei Leuten angerufen, die meinten: He, da geht’s doch um mich. Du schaust mich gerne von rechts an. Das fand ich faszinierend.

Passiert das öfters, dass sich die Leute so sehr in euren Songs wiederfinden, dass sie dich sogar anrufen?

MMW: Das könnt irgendwie die Magie des Ganzen sein, ja. Es kommt mir schon so vor. Ich les mich selbst auch in den Texten, obwohl ich immer behaupte, es hat nichts mit mir zu tun.

Magie kann man nicht erklären; habt ihr trotzdem eine Vermutung, was für euren großen Erfolg im letzten Jahr verantwortlich ist?

MMW: Es ist "Ein Prozent Talent und 99 Arbeit" - wie der Beethoven gesagt hat. Wir haben sehr viel gearbeitet in diesem Jahr, das ist sicher ein Grund. Wir waren uns für nichts zu schade. Wir haben absolut alles gemacht und wir haben eine Einladung ausgesprochen und dieser Einladung sind hunderttausende Menschen gefolgt. Das war‘s.

Wanda im FM4 Studio

Radio FM4

Marco Michael Wanda im FM4-Studio

Ihr wart im letzten Jahr dauernd unterwegs und habt es trotzdem geschafft, eine neue Platte aufzunehmen. Es war ja auch schon einiges Material da. Ich kann mich erinnern, vor einem Jahr, bei der Veröffentlichung von "Amore" habt ihr schon gesagt, dass ihr Material für drei Alben habt. Wie viele Songs sind denn jetzt neu und wie viele älter?

Marco Michael Wanda: Es ist so halb-halb. Es gab viel Material, viele Fragmente. Und ich schreib auch ständig. Wenn wir in Wien sind, tun wir was nicht unbedingt...

Manuel Poppe: Wäsche waschen! Bei diesen dichten Tourkalender finden wir trotzdem noch Zeit. Wir fahren halt nicht nach Hause, sondern ins Studio.

Marco, wie entstehen deine Songs? Ihr seid ja ständig unterwegs. Wie findest du da die Ruhe zum Schreiben?

MMW: Ich brauch nur einen Tisch. Es muss einen Tisch geben, einen Holzsessel. Einen Aschenbecher. Zwei Radler und ein Packerl Tschick und eine Akustikgitarre. Dann schreibt sich das von selbst. Dann läuft das. Sonst läuft das nicht.

Gab es gar keine Schwierigkeiten oder Hürden beim Album?

MMW: Wir haben einen ziemlichen Schwung drauf seit zwei Jahren. Läuft ganz gut. Es gab keine Probleme eigentlich. Einmal war der Kaffee aus, dann musste einer zum Supermarkt Kaffee holen gehen. Das war scheußlich. Das war nicht Punk Rock.

Interessant ist auch der Song "Lieber dann als wann", da singst du: "Wenn du du selber bist, bist du so fad, dass niemand mit dir spricht." Und "Schau, dass du wirst, wer du gar nicht bist". Ist das eure Hymne auf die Verstellung?

MMW: Nein, eher auf die Selbstfindung. Ich find das so interessant. In Deutschland gibt es zwei Dinge, die mich total irritieren. Man fragt immer: ‚Warum isn dat so? Was isn hier das Geheimnis von Wanda? Die Lederjacke hier - is dat alles echt? Is dat authentisch?‘ Ich kann den Scheiß nicht mehr hören. Diese vollkommen verblödete Vorstellung davon, dass ein Mensch authentisch sein kann, kam mir immer so vor wie ein grausliches Erbe des Nationalsozialismus. Ein Mensch kann und muss und darf und will bitte immer mit seinem Ich experimentieren! Und dieses entweder auflösen, oder auf verschiedene Arten ausleben. Ich find das ganz natürlich, dass man nicht immer man selber ist, weil man das auch gar nicht kann.

Der Musikexpress hat euch als "die vielleicht letzte wichtige Rock’n’Roll-Band unserer Generation" bezeichnet. Wie geht’s euch mit solchen Auszeichnungen?

MMW: Es ist arg. "Man möchte nicht glauben, wie viel Lob der Mensch erträgt." Bruno Kreisky. Heftig!

Manuel Poppe: Wehren tun wir uns nicht gegen so ein Kompliment!

Marco Michael Wanda: Es ist eine schöne Vorstellung. Aber ich würd mir wünschen, dass es mehr letzte große Rock’n’Roll-Bands noch gibt.

Wer ist für euch die letzte wichtige Rock’n’Roll-Band?

Marco und Manuel: Nirvana, Nirvana, Nirvana, Nirvana, Nirvana, Nirvana...

Reden wir über "Bussi Baby", die erste Single vom neuen Album. Da gab‘s ja einige Aufregung im August, weil in dem Video die deutsche Autorin Ronja von Rönne mitspielt. Und die hat ja im Frühling einen Artikel veröffentlicht mit dem Titel "Warum mich der Feminismus anekelt". Was war denn da los?

Marco Michael Wanda: Es hat sich ja längst aufgeklärt, dass wir selbst Feministen sind. Der Skandal ist auch wieder vorbei. Das waren ja nur ein paar Internet-Blogs, eine seichte Internet-Empörung. Mittlerweile ist ja ganz klar - und war auch damals schon immer klar – dass, wenn uns jemand fragt, wofür wir stehen, wir für Amore stehen. Das wär ja der größte Witz gewesen, wenn eine Band eineinhalb Jahre durch die Lande zieht und nur Freiheit, Friede und Toleranz betet und dann sich als Antifeministen outet. Das wäre ja eine geile Geschichte gewesen, aber das ist ja so nicht gelaufen.

Wanda Live!

Die Shows kommendes Wochenende in Wien und Salzburg sind schon ausverkauft.

Ab Mitte Oktober gibts wieder Chancen auf Karten. Z.B.:

16.10. St.Pölten Warehouse
17.10. Bozen Kaltern Pop Festival
28.10. Graz Orpheum
29.10. Linz Posthof
30.10. Innsbruck Music Hall
20.11. Klagenfurt Messehalle

Uvm. - alle Termine hier

Das Video mit einer umstrittenen Autorin hat nach einer gezielten PR-Aktion ausgesehen.

MMW: War es aber nicht. Damals haben wir einfach eine Schauspielerin gesucht. Und die Ronja hat sich gemeldet, und wir hatten damals auch das Problem, dass alle Veröffentlichungstermine komplett durcheinander geraten sind durch den Wechsel zu Universal. Und wir mussten früher als erwartet ein Video drehen. Und die liebe Ronja war zu dem Zeitpunkt die einzige, die mitspielen wollte. Wir haben wirklich von heute auf morgen jemanden gebraucht. Und sie hat sich in den Zug gesetzt und ist nach Wien gekommen und hat das gemacht und ich find sie hat das großartig gemacht.

Wegen dem Song „Nimm sie wenn du’s brauchst“ und Songzeilen wie "Nimm sie, wenn du glaubst, dass du’s brauchst, steck sie ein wie 20 Cent" und "Sie kennt niemand in Wien und dass sie deine Worte glaubt, das ergibt sich ohnehin", wurde euch Sexismus vorgeworfen.

MMW: Der Song ist Fiktion. Es geht um einen Mann, der seine Frau an einen anderen Mann verliert und sie freigibt und sie ziehen lässt und einen Dialog mit seinem eigenen Trennungsschmerz führt. Damals wurde von einigen Komischen, Paranoiden irgendetwas in diesen Song hineingelesen. Wie wir alle wissen, ist das Blödsinn. Das wäre der zweite große Witz gewesen, wenn wir ein antifeministisches Lied rausbringen. Vollkommen geistesgestört die Vorstellung.

Durch diesen Song und Ronja von Rönne im Video ist bei einigen dieser Eindruck entstanden.

MMW: Ich habe Ronjas Text nicht gelesen, aber ich glaube nicht, dass Ronjas Text antifeministisch war.

Oh ja. Der ist sehr antifeministisch. Du solltest ihn vielleicht lesen.

MMW: Ich glaube, dass sich eine junge Frau Gedanken gemacht hat über ein Thema, über das sich eine junge Frau Gedanken machen darf, weil wir in einer Demokratie leben. Und ich glaube nicht, dass Ronja von Rönne eine Antifeministin ist.

Es wirkt so. Reden wir über das neue Label. Ihr seid vom Wiener Indie-Label Problembär zu Universal gewechselt. Was hat sich für euch dadurch verändert?

MMW: Fast gar nichts erstaunlicherweise. Haben wir uns so gar nicht vorgestellt. Wir haben alle Freiheit, alle Kontrolle. Es arbeiten jetzt einfach nur noch mehr Menschen mit uns an dieser Musik und deren Etablierung. Für uns hat sich nicht viel verändert, zumindest fühlt es sich nicht so an.

Es steht eine weitere Tour an, viele Termine sind schon ausverkauft. Im letzten Jahr habt ihr mehr als hundert Konzerte gespielt. Wie geht ihr mit dem Tour-Stress um?

MMW: Wir werden vom Publikum aufgeladen. Das ist wie eine Steckdose, an die man sich anstecken kann. Das ist das, was uns am Leben gehalten hat in diesem Jahr. Von dem Gefühl getragen zu werden, dass das, was man tut, so eine positive Kraft hat. Und unsere Freundschaft. Das Fundament dieser ganzen Geschichte ist immer noch die Freundschaft.

2016 wagt ihr den großen Sprung in die Wiener Stadthalle.

MMW: Wenn das nicht läuft, sind wir alle pleite.

Das hat sich bisher, soweit ich weiß, keine österreichische Indie-Band getraut. Seid ihr, was das Stadthallen-Konzert betrifft, schon nervös?

MMW: Nein, das gar nicht. Das hat sich ergeben, so wie vieles in dieser Karriere. Wir legen das alles instinkthaft an. Es hat sich natürlich angefühlt, das jetzt zu machen, diesen Schritt zu gehen und ich hoffe, dass wir noch oft in der Stadthalle spielen werden – oder in ähnlich großen Hallen.

Manuel Poppe: Es kommen immer Leute zu uns, die sagen: Warum spielt ihr in so kleinen Hallen? Da habt’s jetzt eure große Halle.

Marco Michael Wanda: Da habt ihr’s jetzt. Aber dann kommt halt auch. Das ist der Deal.

Herzlichen Dank für das Gespräch!