Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Monday Edition, 28-09-15."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

28. 9. 2015 - 15:08

The daily Blumenau. Monday Edition, 28-09-15.

Das Buch des Handelns. Über Wahl-Analysen.

#ltwoö #ooe15 #demokratiepolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Ich darf "wos" für seinen Satz danken und verspreche ihn mir nicht so bald wieder auszuleihen.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Dass nämlich zum xten, ysten und zsten, zum allerallerhinterletztenwiederholtenmal dasselbe passiert, dass man's hinterher beweint und sich Gründe dafür zurechterfindet, so viele und gute, dass man das Übel dahinter nicht mehr sehen kann, und dass dann nix passiert, keine Schlüsse gezogen, oder schon, aber dann nur theoretisch, vielleicht, und dass dann bei der nächsten Wahl dasselbe wieder passiert, weil ja nix passiert ist. Und das ist jetzt halt schon wieder passiert. Ohne dass was passieren wird danach.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Und es waren die Flüchtlinge, die diese Wahl in Oberösterreich entschieden hätten, alles thematisch weit weg von OÖ, ja nicht einmal so richtig in Österreich verankert, sondern zwischen Brüssel, Balkan, Mittelmeer und Syrien. Alle Wahlverlierer sind Opfer globaler Verstrickungen. Das bedauern die Wahlverlierer. Das erklären die Wahlmotivforscher. Das sagt die Krone. Und das nicken wir also alle mit ab.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Und es ist völlig egal, ob es die Flüchtlinge, sonstige (gern auch kriminalisierte) Ausländer, die EU und ihre Regulative, diverse Korruptions- und sonstige Affären oder noch einmal die EU und wasauchimmer sind: es wird immer etwas da sein, was sich in Angst umsetzen lässt, politisch. Es wird immer etwas passieren, das einer populistischen Kraft, die von weit Rechtsaußen kommt, sich aber für Annäherungen an zentrale oder gar linke Anliegen nicht zu schade ist, zupassekommt. Es wird immer etwas geben, was sich ausschlachten lässt, um die Angst vor dem Abstieg zu befeuern. Es reicht ein Funke, was sag' ich, die Ahnung eines Funken.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Dass sich alles in einem Duell manifestiert, dass ausschließlich Polarisierung zählt. Dass die starken Männer, die sich an die Macht klammern so wie die Macht an sie, der einzige Gegner für die Populisten sind. Starke Männer, die halt machen, die mit der Faust aufschlagen, die einstehen für die Sachen halt. Die das Amt repräsentieren - im Gegensatz zu den Populisten, die amts- und machtlos nur die Angst repräsentieren. Zwischen diesen beiden entscheidet sich das Wahlvolk in seiner allesüberwiegend- und überragenden Mehrheit. Das hat nix mit politischer Überlegung, Positionen, Ideologie oder gar lösungsorientierter langfristiger Planung zu tun. Nix mit komplexen Inhalten. Da reduzieren sich Wählende und Gewählte auf reine Emotion.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Dass sich nämlich dort, wo's ganz konkret wird, in den Gemeinden, kaum die Populisten durchsetzen. Dort sind die Macher alten Schlags gefragt, egal welcher Farbe, egal ob pro oder contra Asyldings. Je höher hinauf es geht, vertretungsmäßig, je diffuser die emotionalen Beziehungen zwischen Wahlvolk und Gewählten werden, desto leichter fällt es, den Repräsentanten der Angst seine Stimme zu leihen.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Nix nämlich; auf Bundesebene. Nur viel zu späte Law-and-Order-Ritte von Kurz und Mitterlehner (weniger von Mikl-Leitner, das soll nicht unerwähnt bleiben), die den Wählenden aber eben nur more-of-the-same angeboten haben. Nur auslagernde Appelle vom Kanzler, Schulterschlüsse mit der heiligen Mutter Angela, die auch wieder nur das absterbende Core-Publikum befrieden. Und wieder nur dieselben schockstarren Reaktionen, die versuchen sich als Opfer globaler Verstrickungen zu präsentieren.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Eine Ungerechtigkeit, man könnte heulen. Dass nämlich die einen durchs satte Nichtstun zugewinnen wie der Bauer mit den dicken Erdäpfeln und dass die anderen durch hilfloses Nichtstun auch schon die Rinde ihrer Stammklientel-Bäume abgeschabt kriegen. Es ist also ein Unterschied zwischen satt und hilflos, das eine sorgt für Zulauf, das andere für Abscheu.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Dass nämlich die, die nix können, weil sie ja nicht in den Ämtern und den Mandaten und der politischen Verantwortung, also auch der politischen Gestaltung und der Macht, die das mit sich bringt, dass also die Nixkönner den Themen-Takt vorgeben. Und damit die, die könnerten, müsserten und sollerten dazu bringen auch nix zu tun. Verantwortung an die Zivilgesellschaft auslagern zum Beispiel, und sich in den Niederungen periodischer Politik verlieren, angststarr vor den Umfragen zu kauern. Und im Angst-Management können die Regierungsparteien nur abstinken, da fehlt die Routine.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Dass nämlich nach der bewusst inszenierten, aber auch durch natürliche Erosion folgernden Schwächung des System hinter der Bundesregierung (die Sozialpartnerschaft) niemand mehr da ist, der ein Ziel hat, eine Vision zeigt. Und sei es die aktive Bewahrung einer wohlfahrtsstaatlichen, weltoffenen Demokratie. Das vertreten nur noch ein paar Bürgermeister und ein paar Nischen-Gestalter, gar nur noch eine Handvoll Regionalpolitiker, aber kaum ein bundespolitisch Verantwortlicher. Wer sich der Anschein gibt, dass alles eh letztlich wurscht ist, der wird auch selber wurscht sein; oder zumindest vom Wahlvolk so behandelt werden.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Die, die sich nicht zeigen, die Mikado-Künstler, die Angst davor haben zu verlieren, wenn sie sich bewegen, die ihre Chancen zur Gestaltung verschwenden und meinen dafür belohnt werden zu müssen, dass sie die allerdringendsten Löcher stopfen, die werden blasser und blasser und unsichtbarer und unsichtbarer. Im Duell zwischen den richtigen Macher-Männern und den unwuchtigen Repräsentanten der Angstvollen ist aber kein Platz für Unsichtbares, für Angstgeschlotter und die daraus entstehende Handlungsarmut und die daraus entstehende Diskursarmut und die daraus entstehende intellektuelle Verödung.

Es ist ein Buch des Handelns, das auf dem Tisch liegt. Was einst ein Heft des Handelns war, das dringend in die Hand genommen werden wollte, ist mittlerweile, nach jahre- und jahrzehntelanger Untätigkeit, von einem schmalen Hefterl zu einem seitenstarken Buch angewachsen. Und es will in die Hand genommen werden.