Erstellt am: 28. 9. 2015 - 12:02 Uhr
Österreichische Brücke zwischen Afrika und Europa?
Die Hintergrundmusik ist pathetisch. Die Bilder sind kitschig. Wie Engel schweben wir entlang einer langen Steinbrücke über das Meer. Die Stimme aus dem Off erklärt das Vorhaben: "Österreich hat schon oft bewiesen, dass es Bedeutsames schaffen kann. Lassen Sie uns eine Brücke in die Zukunft bauen: eine Steinbrücke zwischen Afrika und Europa, um das sinnlose Sterben im Mittelmeer ein für allemal zu beenden. Ein Jahrhundertwerk der Humanität." Baubeginn ist 2017. Mit der Fertigstellung wird im Jahr 2030 gerechnet, so die weiteren Infos.
Das Meer schillert in der Sonne. Richard Clayderman und Vangelis mashen weiter up. Da ertönt ein in Österreich vertrautes Idiom. Ein etwas holpriger Wiener Slang gibt sich als Stimme des frisch berufenen Flüchtlingskoordinators Christian Konrad aus: "In meiner über 20-jährigen Erfahrung als Mann der Wirtschaft und meiner neuen Herausforderung als Flüchtlingskoordinator der Republik Österreich, will ich mich in den Dienst einer großen Idee stellen."
Reif für die Rettungsinsel
ZPS: Die Toten kommen:Ein Grab und die Fahnen Europas.
ZPS: Der Marsch der Entschlossen und Grabkreuze vor dem Reichstag.
Die Off-Stimme kommt schließlich zum Kern der Aktion. Das Zentrum für Politische Schönheit, kurz ZPS, plant die Installierung von 1.000 vollfunktionalen Rettungsinseln im Mittelmeer. Man könne nicht bis zur Fertigstellung der Steinbrücke warten, so die ZPS-Stimme. Dann wird der Ball nach Wien gespielt: "Die erste Plattform wird die österreichische Regierung bereits am 1. Oktober zu Wasser lassen. Bundeskanzler Werner Faymann ruft hiermit die europäischen Regierungen auf, es ihr unverzüglich und ohne große Diskussion nachzutun." So sollen die Plattformen die Zeit bis zur Eröffnung der Steinbrücke, ja überbrücken.
Am Ende des Videos werden die österreichische Fahne, die Logos der STRABAG und des Bundeskanzleramtes eingeblendet. Ebenfalls dort zu sehen ist der Hinweis auf www.rettung-europas.at, die Website der Aktion.
Christian Lehner
Kurz nach Veröffentlichung des Clips heute Morgen folgt per Mail tatsächlich die Einladung zur Installation der ersten Rettungsplattform. Diese soll bereits am 1. Oktober "an der italienischen Küste" gewassert werden. In der Presseaussendung wird auch Außenminister Sebastian Kurz zitiert. Die Rettungsinseln seien ein „Sieg der Vernunft auf gleich zweifache Weise: ein Sieg der humanitären und ein Sieg der ökonomischen Vernunft.“ Des weiteren erfahren wir, dass die langfristig zu realisierende Jean-Monnet-Brücke mit einem geschätzten Bauvolumen von 230 Milliarden Euro zum größten EU-Infrastrukturprojekt und Konjunkturprogramm aller Zeiten werden wird.
Wienwochen-Tipps!
Die Wienwoche findet noch bis 3. Oktober statt - diese Woche zum Beispiel nocht mit
Jewish Renaissance Boxing Club Vienna - heute und morgen noch Boxtraining z.B.
Money Walks - Kurzfilmspaziergang. Kurzfilme zum Thema Ökonomisierung der Gesellschaft werden auf Häuserwände projiziert. Heute und Mittwoch, 20 Uhr
KleynKunst Theater - Kleinkurst der Zwanziger Jahre trifft auf queere Performancekunst, Samstag, 19:30.
Der österreichische Raiffeisen-Verband, der Christian Konrad lange Jahre vorstand, besorge die Projektfinanzierung, der Baukonzern STRABAG übernehme die Ausführung. Wer das ZPS kennt, weiß, dass es sich hier um gefakte Zitate und Aussagen handelt und dass die Künstler diesen Umstand bis zur Klagedrohnung abstreiten werden.
ZPS
Die Wahl auf Österreich als Inkubator der neuesten ZPS-Aktion dürfte nicht zufällig gefallen sein, ist doch das Künstlerkollektiv zu Gast bei der laufenden Wienwoche. Das Festival für künstlerisch-politische Interventionen bezeichnet das ZPS als "Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit...", die einen "aggressiven Humanismus" verfolge. Sicher ist, seit Christoph Schlingensief hat Kunst aus Deutschland nicht mehr so brutal wehgetan und das an den richtigen Stellen.
Die Aktionen der Gruppe sind spektakulär und höchst umstritten. Zuletzt marschierte das ZPS in Dortmund mit Schusswaffen, Mafia-Requisiten und Kamerateams vor Neonazi-Treffs auf. Für großes Aufsehen sorgte im Juni die Beerdigung ertrunkener Flüchtlinge und der "Marsch Der Toten" in Berlin.