Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "10 Jahre Reeperbahn Festival"

Susi Ondrušová

Preview / Review

27. 9. 2015 - 14:47

10 Jahre Reeperbahn Festival

Der ganz normale Club-Festival-Wahnsinn in Hamburg

Wer noch nie auf dem Reeperbahn Festival war, sollte das zum nächstmöglichen Termin (21.-26.9.2016!) nachholen. Es ist nicht nur der wichtigste Brancheninsider Treffpunkt, wo Musikverleger, Agenten, Booker, Labelbetreiber und Manager ihre neuen Acts pitchen und nach neuen Projekten fischen, sondern auch die beste Möglichkeit für den gepflegten Musikfan sich an einem Wochenende eine – ähm falsch: hunderte neue Bands - live anzuschauen. In vielen Fälle sind das solche Bands, die schon bald in den Charts, auf den Magazin-Covers oder auf den kleinen und großen Konzertbühnen zu bewundern sind.

Im Vorfeld zur Jubiläums-Ausgabe vom Reeperbahn Festival gab es nicht nur einen Brand am Spielbudenplatz, sondern auch einen kleinen PR-Aufruhr rund um die Band Frei.Wild. Ersteres Problem haben die Veranstalter mit einer verkleinerten Bühne gelöst, beim letzteren haben sie ganz klare Worte gefunden.

In neuem Glanz erstrahlte auch erstmals ein neu eröffneter Bau namens „Klubhaus St.Pauli“ An Clubs und Konzertbühnen mangelt es in Hamburg nicht. Natürlich auch nicht an Engagement: Bei der Viva Con Aqua Bloc Party konnte man sich OK Kid oder Megaloh live anschauen.

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Noah Kin bei einem Auftritt vor Hamburgs Plattenladen Groove City.

Und noch eine Neuerung gab es beim Festival: Zum ersten Mal hat sich das Festival, ähnlich dem Vorbild des Eurosonic Festivals, auf ein Land und seine Musikszene fokussiert: Finnland. 10 finnische Acts wurden also eingeladen sich hier zu präsentieren. Die Singer/Songwriterin Mirel Wagner zum Beispiel, das Elektro-Pop-Duo LCMDF oder der Hip Hop Musiker Noah Kin sind nur einige davon.

Die gleiche Anzahl an Bands kam erfreulicherweise heuer auch aus Österreich: HVOB, die im Jänner auch auf dem Eurosonic Festival auftreten werden, haben sich hier präsentiert, genauso wie Gilles Petersons Darlings Mieux oder Everybody´s Darlings Wanda. Die Schlange vor den Docks war lange, sehr lange, wer es reingeschafft hat, hat brav mitgesungen. 1,2,3,4 und so. „Sympathischer Pop, gepaart mit zynischem Wiener Schmäh!“ konnte man dem Programmheft entnehmen. Der NDR hat das Konzert mitgeschnitten. Bildungsauftrag? Check! Sehet also selber!

Im Rahmen vom Reeperbahn Festival hat der Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT) auch zu den VUT Indie Awards geladen. Moderiert wurde der Abend von Fiva, eine Trophäe abholen konnte sich die Antilopen Gang (Bester Newcomer) oder Die Nerven (Bester Act), einen Sonderpreis für „besondere Verdienste für die unabhängige Musikbranche“ bekam Susanne Kirchmayr aka Electric Indigo.
Susanne Kirchmayr war auch bei der Reeperbahn Konferenz am Podium um zum Thema „Why we need more women in music“ zu sprechen. Am gleichen Tag hat die britische Musikerin Roxanne De Bastion eine Rede gehalten zum Thema „Female is not a genre“ und über ihr Dasein als selbstbestimmte und unabhängige Musikerin in einer männerdominierten Branche gesprochen. Die Ironie der „Ausstattung“ in diesem Theatersaal war schmerzhaft. Seht selbst:

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Roxane De Bastion bei ihrer "Female Is Not A Genre" Rede.

Neben einem Wiedersehen mit in Österreich sehr regelmäßig auftretenden Acts wie den Sex Jams oder William Fitzsimmons konnte man sich zum Beispiel die isländische Band Vök in Hamburg anschauen. Das Trio ist im Rahmen des Festivals gleich dreimal aufgetreten. Wer normalerweise beim Wort „Musik aus Island“ innerlich versteinert und sich vor Kitsch und Klischee die Ohren zudecken möchte, wird an Vök womöglich Gefallen finden. Eine Mischung aus The Knife, The XX und Portishead. Tough! Und unglaublich gut.

In aller Munde war auch die Band Elias, ein 19jähriger Musiker aus Schweden, der die schönste Stimme seit James Blake und Sam Smith hat. Mehr wird man hoffentlich auch von ihm hören. Am schönsten wäre es natürlich, wenn er mit seiner Band bald nach Österreich kommen würde. Die ersten Schritte in diese Richtung sind auf der Reeperbahn sicher schon gemacht worden.