Erstellt am: 27. 9. 2015 - 16:15 Uhr
Copy of a copy
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken
Will man in diesem Internet auf sich aufmerksam machen, kann man – immer noch – irgendwas mit Kanye West oder auch irgendwas mit Taylor Swift posten. Der Umstand, dass der US-amerikanische Singer/Songwriter Ryan Adams das im Vorjahr erschienene Taylor-Swift-Album "1989" komplett gecovert hat, ist diese Woche also Pop-Gossip-Thema Nummer Eins gewesen.
"1989" ist nicht bloß eines der erfolgreichsten Alben seit der mit der Ankunft von illegalen Downloads eingeläuteten Gezeitenwende und hat Swift nicht bloß von der Country-Pop-Queen zur Pop-Königin aller Dinge gemacht, sondern ist auch eine der besten Pop-Platten der jüngeren Vergangenheit.
Schillernde elektronische Gefühlsmusik mit allem Glanz und Glam auf der Höhe der Kunst, Musik wie Lametta und heiße Butter. Musik in der neben Herzschmerz und Tagebuchpoesie aber eben auch gewitzte Selbstbespiegelung und Humor Platz haben.
Dem Prunk und der überzeugenden Künstlichkeit von Swift kann Ryan Adams nun leider bloß seine übliche wohltemperierte Zerknirschtheit und eine weinerliche Klagevogelhaftigkeit entgegensetzen. Auch wenn aufgrund von penetranter Dauerpräsenz und Gerüchten von unschönen Herrscherin-Komplexen ein Backlash längst eingeläutet scheint, hat es sich wohl schon bis zum letzten aufrechten Indie-Typen rumgesprochen, dass es erlaubt ist, Taylor Swift okay oder gar cool zu finden.
Ryan Adams nutzt so in einem besonders uneinfallsreichen Publicity-Stunt die universelle Allgegenwärtigkeit Swifts und führt diese prächtige Musik, die eben Disco und Synthesizer und dekadenter Überfluss sein muss, in die Gefilde, die er als ernste und echte Musik begreift.
Adams interpretiert Swift an der gefühlvoll gezupften akustischen Gitarre mit von Pein belegter Stimme; rührend, lieb anzuhören, sensibel, dabei ohne Reibungspotenzial. Eine nutzlose Fingerübung, die - bei allem Respekt, den der Musiker vor den Songs zu haben scheint - wieder einmal den Pomp von Popmusik als falschen Tüll und "unauthentisch" entlarven will.
Dass Ryan Adams in seiner Version von "Blank Space"" - einem der Highlights auf "1989" - teilweise die Geschlechterrollen umdreht, macht die Sache noch unangenehmer. "I'm your king and you're my queen", singt er, spannender wäre die aus dem Original übernommene Variante gewesen: "You're my king, I'm your queen". Das kann Ryan Adams aber nicht.
Der aus Maryland stammende Musiker Joshua Tillmann, einst Drummer der Fleet Foxes, hat diese Woche nun kurzerhand mit seinem Projekt Father John Misty wiederum zwei Coverversionen von Ryan-Adams-Covers der Stücke von Taylor Swift veröffentlicht. So sagt er immerhin schelmisch; tatsächlich ist er näher dran am Geist von Swift als am stumpfen Formalismus von Adams.
Als parodistische Geste, ein wenig unsympathisch, sicherlich, aber auch zu Recht, hat er sich der Songs "Welcome to New York" und "Blank Space" angenommen. Tillmann interpretiert "Blank Space" – ein Stück, das im Original eben auch von Selbstironie lebt - im Stile von Velvet Underground, strippt es noch weiter runter als Adams, bis nur übertrieben nölige Gleichgültigkeit übrig bleibt. Sein "Whooo!" ist in seiner Exaltiertheit bloß noch Pose und als solche auch markiert.
Dabei gibt er einen perfekten Lou-Reed-Impersonator. Er überhöht Ryan Adams Unterfangen ins Absurde und weiß, dass er sich somit selbst in einen Clickbait-Zirkus einschreibt. Bei allem pöbeligen, konzeptionellen Unterbau macht es Spaß, Father John Mistys Version von "Blank Space" zu hören - wenn vielleicht auch nur einmal. Von seinem Soundcloud-Account hat der Musiker die beiden Stück mittlerweile gelöscht.