Erstellt am: 25. 9. 2015 - 14:37 Uhr
"Chucks" goes Film
Mae ist rot. Knallrot sind ihre langen Locken, rot die ebenso behüteten wie abgetragenen Chucks ihres verstorbenen Bruders. Rot sieht Mae, wenn es um "Arschkackpissbullenschweine", ihre Mutter oder den Bewährungshelfer, quasi also System-Stellvertretende, geht.
Auch ihre Liebe zu Paul gehört (forgive the cliché) in die rote Farbpalette. Genauso wie die neuerliche, innere Verletzung, der Mae durch seinen zu erwartenden Tod - Paul hat HIV und Hepatitis C - entgegensieht.
Cornelia Travniceks viel gelobtes und geliebtes Debüt "Chucks" ist Film geworden. Und es ist eine gute Adaption, eine die den Geist des Buches einfängt. Der Film besticht durch einen guten Rhythmus, schön durchkomponierte Bilder, einen tollen Soundtrack - mit (vielleicht allzu?) viel Soap&Skin. Etliche, kleine Details und markante Dialoge der literarischen Vorlage sind fein verwoben. Und auch da, wo Neues hinzufügt wurde, ist es meist geglückt.
Stadtkino Filmverleih / Petro Domenigg
Autorinnenurteil
Autorin Cornelia Travnicek erzählt im FM4 Interview, dass sie sehr zufrieden mit der Verfilmung ist. Von Beginn an konnte sie mitlesen, kommentieren, beraten. Zwei Cameos hat sie übrigens ergattert.
Über ihre filmgewordene Protagonistin Mae, gespielt von Anna Posch, sagt Travnicek: "Wenn ich an die Bilder denke, dann sehe ich sie. Und ich glaub, das ist eigentlich das größte Kompliment, das man einer Schauspielerin machen kann. Dass sie die Rolle so übernimmt, das man dann einfach sie sieht."
Am Klappentext des Buchs "Chucks" schrieb Clemens Setz einst: "Wenn ich mit einer Figur der zeitgenössischen Literatur in einem Lift stecken bleiben möchte, dann mit Mae." Das gilt auch für die Film-Mae Anna Posch. Die Rolle scheint ihr auf den Leib geschneidert. Noch listet Poschs Filmografie neben "Chucks" lediglich zwei Arbeiten auf. Das wird sich wohl bald ändern.
Buchs vs. Film
Fans des Buchs sollten sich jedenfalls darauf einstellen, dass der Film im Vergleich doch gemainstreamlineter, weniger indie ist.
Das mag zum einen am Altersunterschied der Gestaltenden liegen. Travnicek war in ihren 20ern als sie "Chucks" schrieb, das Regie Duo Hiebler-Ertl (bekannt durch "Anfang 80") ist doppelt so alt. Ein Beispiel: Die auf der Straße schlafenden, sprayenden, schnorrenden Punks erstarren doch etwas in den Stereotypen. Zugleich sind sie fast zu lieb; eine Wohnung wird quasi legal "besetzt" und dort auch echt tolle Dinge aus Europaletten gebaut. Und: Dass Mae und Paul ihren "Urlaub" ausgerechnet in einer Wellness-Therme verbringen müssen, passt nicht wirklich ins Bild.
Aber wie gesagt, insgesamt eine gelungene, wirklich sehenswerte Verfilmung. Am Filmfestival von Montreal hat "Chucks" auch bereits einen ersten Publikumspreis "for the most popular film of the Festival" abgeräumt.