Erstellt am: 23. 9. 2015 - 17:33 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 23-09-15.
#ömt #medienpolitik #selfie
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Niemand mag es mehr hören: die Befindlichkeits-Rhetorik, mit der einander die heimischen Verlage und Medienhäuser alljährlich bei Branchentreffen versichern, wie schlecht es ihnen, der Branche und letztlich uns allen geht. Das Publikum sowieso nicht, die Journalisten selber auch nicht und - und das ist die Erkenntnis der heurigen österreichischen Medientage - mittlerweile nicht einmal mehr die Branchen-Chefs, die Verleger und Medienhausleiter. Interessanterweise äußerte sich diese Abkehr von Jammer- und Schuldzuschreibungs-Kurs nicht in neuer Nabelschau-Rhetorik, sondern in Bekenntnissen und öffentlichen Ankündigungen, also der letzten Vorstufe zum Handeln. Klingt jetzt nach nicht viel; ist aber eine veritable Sensation. Vor allem weil es eine im Vergleich zu ihren Ansprüchen (z.B. Kommunikationstüchtigkeit) so unflexible Branche betrifft.
Aber von Anfang an.
Ich war ja im Vorjahr auf Einladung dort, um einen kritischen Blick drauf zu werfen. Ich warf und, hoppala, wurde dieses Jahr nicht mehr eingeladen. Witzig, denn: Vieles von der Entwicklung, die sich kritische Kräfte schon für 2014 erhofft hatten, trat eben erst mit einem einjährigen delay ein. Und ich hab's mir eben uneingeladen angeschaut/hört.
Der entscheidende Punkt war vielleicht, dass die/das eindringlichste Keynote/Impulsreferat nicht wie sonst üblich von einem eingeflogenen Experten kam (dessen Thesen dann von den Verlegern mit weinerlichem Unterton nachgebetet/entgegnet wurden), sondern von einem heimischen Player. Und dass danach nicht nur geweint, ausgegrenzt und geneidet wurde, sondern Ideen und Möglichkeiten den Raum fluteten. Vielleicht auch weil Andrew Keens formal und intellektuell brillanter "Das Internet ist gar nicht so super, wie viele geglaubt haben"-Vortrag nicht viel mehr als einen "Ja eh. Und jetzt?"-Gestus hinterließ.
Es oblag dann einem Staatssekretär, eine Elefantenrunde zum Thema "Die digitale Agenda" zu konkreten Ansagen zu pushen. Nicht einem für Medien zuständigen, sondern dem im Wissenschaftsministerium. Harald Mahrer vom VP-Wirtschaftsflügel, der (noch in den 90ern) über ein digitales Thema dissertiert hat und hörbar weiß, wovon er spricht, stieß in das über diesen Medientagen liegende inhaltliche Vakuum vor: Nach seiner bemerkenswerten Aussage, dass die Medienbranche von der Politik besser nicht zu viel (an regulierender Hilfe, am Aufbau einer bundesweiten digitalen Agenda etc) erwarten sollte - weil diese allzu stark mit Nabelschau beschäftigt wäre - forderte er die Medienhäuser auf, sich als Speerspitze des digitalen Wandels zu begreifen, den gesamtgesellschaftlichen Diskurs zu kanalisieren und die Frage zu besprechen, wie eine durch den disruptiven technologischen Fortschritt in ihren Grundfesten (im Arbeitsmarkt, in der Konsumation etc) veränderte Gesellschaft eigentlich leben will. Also die notwendige "neue Aufklärung" anzuführen, anstatt sich in elitären Pessimismus zu weiden. Mahrer spannt seinen Bogen vom Pearl River Delta und den enormen Investitionen, die China in die IT-Branche steckt bis zu den heimischen Schrebergärtner-Streitigkeiten. Und rennt damit irgendwie mehr Türen ein, als zu erwarten stand.
Die Medienvertreter am Podium (Grasl, ORF; Breitenecker, Puls4 und VÖP; Kralinger, Kurier und VÖZ; Nowak, Presse/Styria) wirken nachgerade befreit, rücken (je nach Charakter) stark von ihrer gegenseitigen Kasperl-schlägt-das-Krokodil-Folkore ab, kündigen Kooperationen und einen echten Schulterschluss an, der sich nicht in einem naiven "Gemeinsam gegen die Bösewichte aus dem Silicon Valley!" erschöpft, sondern die Komplexität der Situation abbildet; soweit es die Kürze eines solchen Podiums halt zulässt. Markus Breitenecker etwa, der seit geraumer Zeit (nicht als Erster, aber immerhin) das Ende der Mediengattungen anspricht, hat radikale Ideen zum Umgestaltung der medialen Mess-Systeme und will die global agierenden Big Player (Youtube, Facebook etc) mit hinein nehmen, um dem künstlich verengten Blick auf das Medienverhalten der Österreicherinnen etwas entgegenzusetzen. Oder: eine gemeinsame Social-Media-Strategie entwerfen, oder gar gemeinsam an einer gemeinsamen Suchmaschine nach tschechischem Vorbild zu basteln bzw entsprechende Start-Ups zu fördern. Mit anderen Worten: von heimischer Seite war in den letzten Jahren selten Durchdachteres und Handlungsorientierteres (und somit auch Konstruktiveres) zu hören.
Einschub: klar sind auch Handlungsankündigungen noch keine Lösungen. Und selbstverständlich behindern fehlende Regulative, schlechte Rahmenbedingungen und die österreichische, ja europäische Schwäche der fehlenden Internationalisierungs-Kultur, ungenügende staatliche Investition und der schwache Wille, die 4. Kulturtechnik (IT-Kompetenz) ins Bildungssystem zu implementieren, die Umsetzung jeglicher innovativer Projekte.
Aber: während sich die Medien-Zampanos bisher darin suhlten, diese (schlecht verstandenen, gern fehlinterpretierten) Szenarios als unausweichliche Schläge hinzunehmen und zu trachten, den Nachbarn vorzuschieben, damit der sie zuerst abbekommt, um so mehr vom kleinen nationalen Kuchen naschen zu können, ist heuer die Erkenntnis um die Beschaffenheit des gemeinsamen Bootes spürbar.
Dieses Zusammenrücken wurde womöglich auch durch die Besuche, die das holländische Start-Ups Blendle den Verlagen in den letzten Tagen abstattete, gefördert. Blendle kommt mit einem verlockenden Angebot, wird aber - zurecht - gleichzeitig als massive Bedrohung, als nächster, sdiesmal halt europäischer, Absauger wahrbenommen. Blendle startet aktuell in Deutschland, mit einer stupenden Geschäftsidee: der netzaffinen Generation, die keine Ahnung von der Existenz eines hochwertigen Print-Journalismus hat, genau diesen gezielt, superbequem und im Original-Duktus anzubieten: alles auf einen Blick, one-click, pay-per-view - "People love to pay for journalism". In den österreichischen Markt wird Blendle, sagt deren Außenminister Duco van Landschot gestern, erst dann einsteigen können, wenn es hierzulande eine Web-Bezahlkultur gibt. Und prompt überlegen die ersten eine Paywall. Heute präsentiert ein Google-Mann eine paar neue Zahlen, die zum einen Österreichs Print-Durchdringung als Europa-Spitze ausweist, zum anderen aber als Schlusslicht in punkto Zahlungswilligkeit für Web-Inhalte. Also: alles sehr widersprüchlich. Und ohne den intermedialen Schulterschluss, ohne eine gemeinsame digitale Agenda von Staat und Medien und vor allem ohne die Umsetzung der Mahrer'schen Forderung einer neuen Aufklärung wird's nix werden mit einem Ausweg aus dieser komplex einzuschätzenden Situation.
Aber: sollten auch nur ein paar Teile dieses fetten Pakets in den nächsten Jahren einer sinnhaften Lösung zugeführt werden, dann waren diese Medientage der Trigger dazu. Ollawäu.