Erstellt am: 5. 10. 2015 - 10:37 Uhr
Der andere Darwinismus
Der schönste Schnurrbart New Yorks ist zurück: Zum Aufnehmen hat sich die New Yorker Band erstmals über die Brücke gewagt. Statt in Manhattan, dem eigentlichen Wohnsitz des Quartetts, wurde das Album in Brooklyn eingespielt. Sänger Darwin Smith war selbst erstaunt darüber, wie viel stressfreier es auf der anderen Seite des Ufers zugeht. Da hat er sich schnell selbst auch noch die Zeit genommen, alles selbst abzumischen und zu produzieren.
Darwin Deez
Sänger Darwin ist nicht nur auf der Bühne ein Wirbelwind, wie er erneut am heurigen FM4 Frequency Festival bewiesen hat. Dort gibt es flotte Sprüche, ein süffisantes Grinsen, das von einem Augenwinkel zum nächsten reicht, Synchrontänze mit gesamter Bandbesetzung. Er ist im besten Sinne Entertainer, die Musik scheint da oft fast nur noch das Beiwerk zu sein. Läuft eben mal so im Hintergrund.
Magische Mischung
Darwin Deez sind allem voran große Illusionisten. Abgesehen davon, dass die wenigsten wissen, dass es sich um eine Band und nicht um ein Soloprojekt handelt, spielen sie gern mit großen Metaphern, mit verschiedensten Inspirationsquellen. Popkulturreferenzen von Ridley Scott bis zu den Beatles, aber auch von der Philosophie des indischen Gurus Meher Baba („Don’t worry, be happy“) bis hin zu Friedrich Nietzsche.
Was Darwin Smith nun mit Filmurgestein Scott, wie er selbst betont, gemeinsam hat? Der Regisseur ist bekannt für große Sci-Fi-Schinken, die, wenn aufs Grundgerüst heruntergebrochen, doch immer wieder dieselben Themen behandeln. Großen Helden, schweren Taten. Schöne (Jung-)Frauen. Darwin Smith singt, mit gedrechselten Locken passend zum Troubadourauftritt, natürlich ebenso am liebsten über die Frauen - oder über die Qualen, die sie ihm bereiten. Auf Altbewährtes zurückgreifen, das haben sich Darwin Deez demnach von Hollywood abgeschaut. Um jedoch lyrisch tiefgehende Popsongs zu schreiben, muss man selbst gelitten haben. Jedenfalls sieht Darwin Smith das so. Dabei sucht er – ganz nach dem Motto McCartney vs. Lennon – die Balance zwischen Nietzsches dionysischem und apollinischem Drängen. Es darf nicht zu viel Leidenschaft, aber auch keine zu strenge Form vorhanden sein. Darwin Deez suchen die regenbogenfarbene Mitte. Dass hier Lennon die dionysische Seite zugeschoben bekommt, mag dabei im Auge des Betrachters liegen.
Beim dritten Album muss man sich als Band natürlich vielmehr schon an sich selbst als am Umfeld messen. „Radar Detector“ und „Constellations“ sind das, was einem zum Namen Darwin Deez sofort einfällt. Die beiden Ohrwurm-Singles. Diese fröhlich-beschwingten Pop-Singalongs, zu denen man gern einmal eine Sommernacht durchgetanzt hat. Oder durchgeschmust, je nachdem. Das war nie schmalzig, nie wirklich melancholisch. Bei Darwin Deez gibt es Liebeskummer, wenn, dann zum Hüftenwackeln. Immer mit einem letzten Augenzwinkern, bevor die Tränen der Trennung getrocknet sind.
Never change a running…
Lucky Number Music Limited
Double Down ist bei Lucky Number (rough trade) erschienen.
Melodische Ups, lyrische Downs: Auch „Double Down“ holpert und poltert zwischen Solala-Attitüde, zwischen forcierter Neuinterpretation und dem Versuch, einen Sprung weiter zu kommen als die Marke „der mit dem einen Hit“. Fraglos stellt die Band wieder ihr Gespür für kleine, dahingeklatscht wirkende Indiehymnen unter Beweis. Nicht wegzudenken sind erneut kleine Jamsessions, hektische Drums, zappelnde Gitarren. Fluffig-charmante Melodien, die tanzbar durch die Verstärker sausen, aber leichtlebig, wie sie sind, schnell auch wieder verblassen.
Grinsend wird man den rumpelnden Einstieg „Last Cigarette“ hören. Ein Paradebeispiel für den Deez’schen Indiefolk. Schlurfender Rhythmus, einfache Melodie. Ein Wettrennen zwischen den ironischen Lyrics und der teils absichtlich verstimmten, flotten Gitarre. Wer schneller ist? Egal, schmunzeln macht es. Mit dem Rauchen oder doch lieber mit der Liebsten aufhören? Beides.
Vorwärts in die Zukunft
Darwin Deez quetschen sich gekonnt in keine Schublade, mischen getrost viel 90ies-Pop in ihr neues Album („Melange mining co“), lassen ihren Sänger das verzogenste Falsett anschlagen („The mess she made“) oder schreiben besagte Hits, wie es dann „Kill Your Attitude“ oder „Time Machine“ wären. Wortwitz groß geschrieben, der gelockte Indiepop-Hero Smith ist ein hervorragender Geschichtenerzähler: In seiner Zeitmaschine reist man nicht gar rück-, sondern vorwärts in die Zukunft. Besungen werden durcheinander geratene Beziehungen zu Freundinnen, zu Freunden, begleitet immer von surrender Bassline, von preschenden, ausgefransten Riffs. Hier zeigt Darwin Smith anhand ausufernder Gitarrensoli, dass er ein äußerst begabter Techniker ist. Sowieso spielt er alle möglichen Instrumente. Er zeigt sich aber nicht nur als guter Musiker, sondern auch als wahrer Musikliebhaber, der sich quer durch die vertonten Höhen und Tiefen der 60er und 70er Jahre gegraben hat. The Dismemberement Plan, Squeeze, The Knack. Und zeitgenössische Popstars wie Andre 3000 oder Paramore winken auch noch aus dem Fenster.
Darwin Deez spielen im Rahmen von FM4 Indiekiste am 6.11. in der Grellen Forelle in Wien.
Eine feine Palette an Easy-Listening-Indie ist „Double Down“ geworden. Das passt zu einer behaglichen Bootsüberfahrt, dem Sonntagsspaziergang, zum nach Hause Streunen in den frühen Morgenstunden. Kurz gesagt: leichte Kost. Was den elf Songs fehlt, sind ein paar Ecken, ein paar Kanten. Weh tut „Double Down“ sicher niemandem, am wenigsten den Fans der Gruppe. Mitgeträllert wird da sicherlich auch schnell. Fazit zum dritten Album bleibt jedoch: unaufgeregt. Es plätschert eben nur.