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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

26. 9. 2015 - 13:00

Disclosure

Der Konsens der Wasserschweine auf ihrem zweiten Album "Caracal"

"The waiting time is over. The british duo Disclosure stepped forward to prove that they are not industry spawned one hit wonders but despite their young age skillfull producers that have an elaborate taste and a subtle feeling for the zeitgeist." So etwas in der Art würde mensch warscheinlich schreiben, wenn eine Review genau so wenig anecken soll wie das neue Disclosure Album.

Und weil Album Reviews wie "ja eh ganz nett", "perfekt produziert", "geht in jeder Hinsicht auf Nummer" und "ich werde nicht schreiend aus dem Supermarkt rennen wenn es Disclosure im Hintergrund spielt, während ich Gemüse-Suppernwürfel suche", so klingt, als wäre ich ein selbstverliebter zynischer alter Sack, noch ein paar Gedanken zum Thema Disclosure Album Nummer 2, möglicherweise genauso relevant oder unbedeutend wie das Album.

Zwei junge Männer mit aufgemalten Gesichtern

Disclosure

Wegen ihrer Jugend haben Disclosure schon vieles, was ich bei Erscheinen für den Dancemusic Stein der Weisen gehalten habe, als Kinder internalisiert. Obwohl mich meine Chefin mit Dingen die mir nicht wirklich Angst machen, bedroht, wenn ich aus Wikipedia abschreibe, gehe ich jetzt sogar einen Schritt weiter und mach Copy/Paste, ja so furchtlos und kühn bin ich wenn es um Disclosure geht:

"Ihr Musikstil weist viele Elemente aus den verschiedenen UK-Garage-Subkulturen auf, wie zum Beispiel relativ viele Beats per Minute, der Drum and Bass, Jungle und Dancehall-Musik ähnliche Baselines, Kooperationen mit 2Step- und Speedgarage-Sängerinnen sowie synkopierende Beatstrukturen verbunden mit der Leichtigkeit von House-Musik."

Dem hab auch ich nichts weiter hinzuzufügen.

Geprägt von UK Garage und Dubstep wuchsen die Brüder Guy (geboren 1991) und Howard ( geboren 1994) Lawrence auf. 2010 veröffentlichten sie ihre erste Single , und spielten als Vorgruppe von SBTRKT in Londoner Clubs. Greco Roman das Label von Joe Hot Chip brachte erste Stücke heraus. Zwei Jahre Später führten sie wochenlang mit ihrem Debütalbum "Settle" die Charts an. Sie hatten die Zauberformel gefunden, die ihnen für historisch kurze Zeit sowohl im Dance Underground als auch in der Welt der Charts die Herzen entgegenfliegen ließ.

Das führte wiederum zu 3 Millionen Alben und ausverkauften Stadien in den erst vor sehr kurzem im großen Stil Tanzmusik affin gewordenen Vereinigten Staaten. Disclosure, die sich amüsieren dürfen, wenn sie in Las Vegas auf einem Festival sind, bei Temperaturen um die 45 Grad, und dennoch als Ewoks oder Ähnliches verkleidete Candyraver ihre Glowsticks in die Höhe schmeißen.

"Caracal", Disclosures zweites Album, muss gar keine Erwartungen erfüllen. Disclousre müssen sich nicht im Geringsten stressen, weil bei jeder im Vorfeld des Albums erschienen Single die Welt Hurrah schreit, und da können sich Menschen meiner Profession tausendmal die Finger wund tippen, dass das zweite Disclosure Album langweilig und nix Neues ist.

Eine tatsächliche Gemeinheit ist aber, dass die meisten Reviewschreiberinnen bei der deutschen Presse Agentur den Aufmacher ihrer Disclosure Geschichte abschreiben und deshalb überall zu lesen ist, dass Prinz Harry als Robin Hood verkleidet zu einer Disclosure Show gegangen ist.

Wenn Disclosure das tasächlich bei ihren Interviews erzählen ist das genau so zynisch, wie wenn Prinz Harry sich tatsächlich als Robin Hood verkleidet. Vielleicht ist nicht nur Ironie, sondern auch Zynismus das Lied eines Vogels, der gelernt hat, seinen Käfig zu lieben.

Albumcover: Disclosure "Caracal", mit ebenjenem Caracal am Cover

Capitolrecords

"Caracal" ist erschienen und die nicht "Welt der Tiere"-Affinen unter uns mögen sich nun fragen: Was bedeutet das, "Caracal"?

Ein "Caracal" ist eine Art Luchs, den Disclosure nicht als Namensgeber erwählt haben weil sie eine Analogie zwischen seiner Eleganz und der Eleganz ihrer Produktionen sehen, sondern weil sie Tiere mögen und die Themen des Albums ihrer Meinung nach zu divers sind, um eines der Themen zum Motiv für das ganze Album zu machen.

Sam Smith, Lorde oder Gregory Porter sind einige Stimmen, die auf Caracal zu hören sind und deren Erzählungen und Färbungen es laut Disclosure so divers machen.

Eine These habe ich noch: Vielleicht funktioniert Disclousre gut für die Ohren von nicht Tanzmusik sozialisierten Menschen - hier wären wir wieder im Supermarkt auf der Suche nach Gemüsesuppenwürfeln - auch deshalb so gut, weil sie ihre Stücke wie Musiker schreiben, zu zweit zu Hause am Klavier mit einer Tasse warmer Milch, und nicht wie Producer mit ihren Maschinen interagieren, gestresst und Hangover im Wartesaal des Flughafens unterwegs zur Winter Music Conferenc in Miami.

Wer von "Caracal" schweißtreibende Dancefloor Hymnen erwartet, liegt ganz falsch. Auf weiten Strecken des Albums hat "Caracal" Unterdruck, für meinen Geschmack sogar so wenig, dass es zu einem Plätschern wird, vielleicht wäre ein Faultier passender am Cover gewesen oder eines der von mir hochverehrten Wasserschweine. Ist doch schön, die befeundeten Homeboys und Homegirls jenseits der sechzig, mit denen ich manchmal abhänge um sie als Testsubjekte, bzw. Samplezielgruppe für neu erscheinende Musik zu missbrauchen, fangen ebensowenig zu weinen an, wie die Kinder von Freunden.

So sieht Konsens 2015 aus.