Erstellt am: 26. 9. 2015 - 16:09 Uhr
Welcome to Texas, y'all
Nina Hochrainer
Nina Hochrainer verbringt im Rahmen des "U.S.-Austrian Journalism Exchange Fellowship" des KFJ einige Zeit in Austin beim lokalen Radiosender KUT und berichtet für FM4 aus Texas.
Land of guns and oil, rodeos and ranches, honky tonks and barbecues … Es gibt wohl mehr Klischees über Texas in europäischen Köpfen als heute noch Cowboyhüte auf texanischen Häuptern getragen werden.
"Everything's bigger in Texas" und "Keep Austin weird" sind jedenfalls die zwei Slogans in meinem Kopf, mit denen ich meine Reise antrete. Nun, von den mannigfaltigen Überproportionalitäten des zweitgrößten US-Bundesstaats werde ich mich bei diversen Roadtrips überzeugen können. Und die Auswüchse des Seltsamkeits-Gebots der texanischen Hauptstadt lassen sich an fast jeder Straßenecke erforschen.
Austin ist übrigens nicht nur die liberale Insel im republikanischen Texas, es gilt auch als Livemusic-Capital of the USA und seit mehreren Jahren als Mekka vieler Tech-Startups, weswegen die hügelige Stadt gerne als Silicon Hills bezeichnet wird. Einwohnermäßig ist Austin nur halb so groß wie Wien, dafür sehr weitläufig und für Menschen mit fahrbarem Untersatz gedacht. Meiner ist immerhin ein billlig auf Craigslist erstandenes behäbiges hellblaues Mountainbike, mit dem ich die hügeligen Straßen bezwinge.
Nina Hochrainer
"Howdy" sagt hier übrigens niemand, "Yes, Mam" dafür alle. Bei Temperaturen konstant zwischen 35 und 40 Grad Celsius lautet der allgemeine Streetstyle bei Jungs und Mädels gleichermaßen Mini-Sportshorts und Artikel aus der obligatorischen Longhorns-Fanwear. Die Longhorns sind das lokale College-Football Team, benannt nach der texanischen Rinderrasse, und ich habe beschlossen mich hier mit allem außer Football zu beschäftigen. Zumindest fürs Erste, denn zunächst gilt es mal, Austin auf den Wahrheitsgehalt seines Mottos zu testen.
Keeping it weird in Austin
Part 1: Mit den Fledermäusen unter der Brücke abhängen
Weniger seltsam, dafür selten, ist das Naturspektakel das sich in den Sommermonaten mitten in Austin am Colorado River allabendlich abspielt. Unter der Congress Avenue Bridge wohnt nämlich die größte urbane Fledermauskolonie der Welt. Kurz vor Sonnenuntergang verlassen zirka eineinhalb Millionen so genannte mexikanische Bulldogg-Fledermäuse ihre Behausung um sich auf nächtlichen Beutezeug zu begeben – unter den staunenden Blicken hunderter Menschen. Wenn man sich das Schauspiel so wie ich von unterhalb der Brücke aus ansieht, kann es passieren dass man, so wie ich, von den Fledermäusen bei ihrem Abflug ein bisschen angepinkelt wird.
Das macht aber nichts, versichert Dianne Odegard von der in Austin stationierten Organisation Bats Conservation International, die sich um den Schutz bedrohter Fledermausarten und um einen besseren Ruf der Tiere bemüht. Auch die Austinites waren anfangs mehr als skeptisch, als sich die Kolonie vor 30 Jahren unter der Brücke ansiedelte, mittlerweile sind die Fledermäuse aber beliebte Ehrenbürger der Stadt. Auch wenn die Vorstellung an diesem Abend antiklimaktisch endet, da die Fledermäuse erst nach Einbruch der Dunkelheit abfliegen, ist es die beste Flugshow die ich jemals erleben durfte.
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Part 2: Aus Hühnerkacke Geld machen
Der Little Longhorn Saloon ist nicht nur eines der legendärsten Honky Tonks in Austin, sondern auch Austragungsort des sonntäglichen Chicken Shit Bingo. Während im Saloon zu Livemusik getanzt wird, versammelt sich die Menge im Backyard bei gratis Hot Dogs und Bier rund um einen Hühnerkäfig. Die 81-jährige Ginny ist die frühere Besitzerin des Saloons und Zeremonienmeisterin der aberwitzigen Shitshow. Chicken Shit Bingo ist genau das wonach es klingt: Auf dem Käfigboden sind Zahlen aufgemalt.
Black Beauty, das lokale Celebrity-Huhn läuft herum, man kauft sich ein Los und wartet bis die Kacke fällt – mit etwas Glück auf die gezogene Zahl. Ich ziehe eine Linie, was heißt: Pupst das Huhn auf eine Linie zwischen den Zahlenfeldern habe ich gewonnen. Und dann passiert das Unglaubliche: Black Beautys Kacke macht mich zur großen Gewinnerin, ich werde auf die Bühne geholt und bekomme 114 Dollar in die Hand gedrückt. Free rounds for y'all!
Nina Hochrainer
Kulinarische Kuriosität der Woche straight outta Texas: Crunchy Pecan Popcorn. Wird nicht aufgemacht weil zu schön verpackt.
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Part 3: Komplimente via Megaphon bekommen
"Nice undone bun", gratuliert mir ein Typ zu meinem zerstrubbelten Dutt als ich an ihm vorbeigehe. Er steht an einer Ecke auf der South Congress Avenue, Austins geschäftiger Hipsterflaniermeile, und verteilt individuell abgestimmte Komplimente an Passanten. Er ist der Compliment Guy. "I like your walk, that was a beautiful move there", ruft er einem jungen Mann nach. Tagein tagaus verkündet Standup-Comedian Robert Drlicka charmante und humorvolle Nettigkeiten über sein Motorola-Megaphon aus den Sechzigern und erntet dafür zuerst meist konsternierte Blicke, dann herzliches Lachen. Nicht selten gleitet er dabei auch ins Sarkastische: "I love how you're holding that box, it looks important", erklärt er einer Dame an der Ampel. Mit seinem Selfie-Mirror will er über eine Million Smiles einfangen. Meines hat er jetzt und auch schon 20.000 weitere. Die Welt braucht auf jeden Fall mehr Komplimente. Und mehr compliment guys.
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Nina Hochrainer