Erstellt am: 18. 9. 2015 - 19:29 Uhr
Griechenland vorwärts?
Nach einem angespannten Sommer mit geschlossenen Banken, Kapitalverkehrskontrollen und der klaren Ablehnung der Sparpolitik bei einem Referendum im Juli, sollen die GriechInnen am Sonntag quasi entscheiden, welche Politiker das mit den Gläubigern unterschriebene Abkommen umsetzen sollen. Egal wer gewinnt, das Schicksal Griechenlands, da sind sich die Beobachter weitgehend einig, ist vorgezeichnet: Ohne dieses neue Sparprogramm gibt es keine Kredite mehr für das fast bankrotte Land.
APA/EPA/ORESTIS PANAGIOTOU
Eurogruppenchef Jeroem Dijsselbloem machte das vor einigen Tagen erneut klar: "Es wird keine politische Wiederverhandlung des Programms geben." Und auch der Chef des Eurorettungsschirms (ESM), Klaus Regling, verweist darauf, dass, egal welche die nächste griechische Regierung sein wird, bereits jetzt 80 Prozent der griechischen Parlamentarier für das neue Sparprogramm gestimmt hätten. Damit meint er die Abstimmung von Mitte August, wo (trotzt der deutlichen Ablehnung neuer Sparmaßnahmen im Referendum vom 5. Juli) Premierminister Alexis Tsipras den Sparkurs einleitete und 222 Abgeordnete des Parlaments für die neuen Hilfen im Gegenzug für strikte Sparmaßnahmen stimmten.
Vielen WählerInnen ist das alles klar. "Wie wissen jetzt, von wo die Befehle kommen und was bereits beschlossen worden ist. Zumindest soll das Land einen stabilen Kurs nehmen und nicht alle paar Monate Urnen öffnen", so eine 37-jährige Beamtin, die anonym bleiben will. Sie befindet sich auf einer Wahlveranstaltung der konservativen Partei Nea Demokratia auf dem Omonia-Platz. Der Spitzenkandidat der Partei, Vangelis Meimarakis, hält eine Rede vor einem wenig begeisterten Publikum. Der 61-Jährige mit dem Schnurrbart und der volksnahen Sprache könnte der nächste Ministerpräsident Griechenlands werden, falls seine Partei die Wahlen gewinnt.
Laut den Umfragen bekommen keine der beiden großen Parteien, Nea Demokratia und Syriza, die Mehrheit, um alleine regieren zu können. Sie werden auf die Hilfe von anderen Parteien angewiesen sein, so wie die liberale To Potami oder die Sozialisten von PASOK, die bei diesen Wahlen ein Bündnis mit der linksgerichteten DIMAR eingegangen sind. Obwohl Meimarakis sich offen für eine Kooperation mit den Linken stellt, lehnt Tsipras solch eine Option kategorisch ab. Immer wieder wird in Griechenland über die Bildung einer ökumenischen Regierung mit der Beteiligung mehreren Parteien diskutiert - als die einzige Lösung, vereint durch die Krise zu kommen.
Auch die Rentnerin Klairi hält dies für die beste Lösung. Bei den vorigen Wahlen hat sie nicht für die Konservativen gestimmt, diesmal will sie es aber tun. "Tsipras hat alles durcheinandergeworfen, deswegen wählen wir jetzt Nea Demokratia. Falls Meimarakis gewinnt, sollte er aber zusammen mit ihm regieren, um nicht alleine diese 'Bombe' zu verwalten. Wenn diese explodiert, soll in den Händen beider Politiker hochgehen", so Klairi. Außerdem vertraut man in Brüssel mehr einer rechten als einer linken Partei, meint sie. "Die Linken sind von unserem Partner nicht erwünscht, deswegen wurden sie auch so stark bekämpft", meint sie.
Spyros, ein 35-jähriger Arbeitsloser, befindet sich auf einer Wahlveranstaltung. Er stützt sich skeptisch auf ein Banner. Er war externer Angestellter in einer Bank und hat gleich nach der Einführung der Kapitalverkehrskontrollen seinen Job verloren. Er hofft, dass eine konservative Regierung mehr Privatisierungen durchführen wird und somit mehr Investoren anlocken kann, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. "Sicher ist die Sparpolitik nicht die richtige Lösung. In diesem Moment aber kann man nichts anderes machen. Nea Demokratia ist vielleicht im Moment viel glaubwürdiger, um das Land vor einer weiteren Gefahr zu schützen."
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Ein paar Straßen weiter schaut Katerina mit Freundinnen im Fernsehen ein Interview Alexis Tsipras. Obwohl sein Linksbündnis Syriza noch vor ein paar Wochen in den Umfragen vorne lag, ist jetzt das Ergebnis völlig offen. Etwa jeder fünfte Wähler ist noch unentschlossen, so die Umfragen. Ein sehr großer Teil der Unentschlossenen wählte vorher Syriza.
Auch Katerina wird sich in letzter Minute entscheiden. Sie tendiert eher zu den Konservativen, die sich für den von den Gläubigern geforderten Sparkurs einsetzen. Sie hofft, dass ihr Land endlich vorwärts geht und das Alte hinter sich lässt. "Das einzige Kriterium nach dem ich wählen werde, ist, wie in Griechenland die Situation besser wird, wie Griechenlands voran gehen kann - angesichts der Tatsache, dass alle Parteien zugegeben haben, dass am Sparkurs kein Weg vorbei führt."
Ihre Freundin, die neben ihr sitzt, ist da nicht der gleichen Meinung. Bei den Wahlen im Januar hat sie für die Linke gestimmt. Sie ist enttäuscht, völlig hoffnungslos, und weigert sich, wieder Syriza zu wählen. Auch eine breite Zusammenarbeit zwischen den Parteien sagt ihr nicht zu. "Ich gehöre nicht zu der Mehrheit, die glaubt, dass eine ökumenische Regierung die Probleme lösen wird, wenn sie die Sparpolitik befolgt. Ich glaube nicht, dass das Umsetzen des Abkommens das Land aus der Krise führen wird."
Abseits von den Diskussion um Regierungskoalitionen und Sparpaketen, beobachtet man auch diesesmal besonders besorgt die Entwicklungen am rechtsextremen Rand. Die Neonazi-Partei Chrysi Avgi ist weiterhin bei den Umfragen mit mehr als sechs Prozent drittstärkste Kraft. Und das, obwohl seit mehreren Monaten die Führung der Partei vor Gericht steht, unter anderem wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Organisation. Ihr Vorsitzender Nikos Michaloliakos verkündete sogar am Donnerstag im Radio, dass seine Partei die politische Verantwortung für die Ermordung des antifaschistischen Rappers Pavlos Fyssas vor zwei Jahren übernimmt. Noch ist nicht abzuschätzen, ob diese Aussage den Neonazis schaden wird, oder ob sie noch mehr enttäuschte und hoffnungslose Wähler in ihre Arme treiben wird. Viele Beobachter warnen auch davor, dass eine breite Zusammenarbeit zwischen den Parteien dazu führen könnte, dass die Neonazis Oppositionsführer werden. "Ein Niedergang von Chrysi Avgi würde eine Rückkehr der politischen Szene Griechenlands in die Normalität bedeuten und diese Partei dorthin bringen, wohin sie gehört: an den Rand", schreibt die konservative Athener Zeitung Kathimerini.