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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

17. 9. 2015 - 15:44

Gnadenlose Verblödung

Der Wiener Wahlkampf ist von selten miesen Plakatkampagnen geprägt. Eine Rundschau des Mitleids.

Politik auf FM4

Mehr zur Wienwahl und den Wahlen in Oberösterreich findet ihr hier.

So ein Wahlplakat muss natürlich irgendwie zuspitzen und verkürzen und es geht ja auch darum, eine gewisse Stimmung zu verbreiten, für die so eine Partei gerne stehen möchte. Trotzdem gibt es heuer in Wien mehr "Nicht genügend" als sonst eh schon. Wir schauen uns mal die Kampagnen der wienweit antretenden Fraktionen an.

SPÖ

Fangen wir beim waidwunden Platzhirschen an, der SPÖ. Als über Jahrzehnte prägende Partei der Stadt verlieren die Sozialdemokraten langsam, aber deutlich an WählerInnen. Das Selbstbewusstsein, das der Bürgermeister zur Schau stellt, verwundert angesichts von Umfragen und der Wahl im Jahr 2010 - die Plakate machen das nicht besser.

Fahrradfahrer, SPÖ-Wien-Plakat

SPÖ

In der ersten Plakatserie gesteht der Bürgermeister die Fehler der Vergangenheit ein - anders lassen sich die resignativen Aussagen nicht interpretieren. Immerhin hat die SPÖ in der Geschichte der zweiten Republik bis auf drei Tage immer den Bürgermeister der Bundeshauptstadt gestellt. Der Wahlkampfspruch "Für Wien brauchst a G´spür." hat den unsichtbaren Zusatz "Mia homs leider ned."

Auch die zweite Tranche der Kampagne wurde nicht besser. Diesmal spricht Bürgermeister Häupl selbst und wenn er sagt "Wir bauen wieder neue Gemeindewohnungen. Da bleib´ i stur." möchte man ihm fröhlich entgegen schreien: "Wieso hast du die in den vergangenen elf Jahren nicht gebaut? Und za wos wüst du stur bleiben? Niemand hat da was dagegen!"

Wiens Bürgermeister Michael Häupl vor zwei Wahlplakaten der SPÖ

APA/HERBERT PFARRHOFER

Häupl ist seit 1994 durchgehend Bürgermeister, seit 2004 wurden in Wien keine neuen Gemeindebauten mehr errichtet und keine Partei fordert, dass das so bleibt.

Offene Frage: Gegen wessen Widerstand baut Wien Gemeindewohnungen?

FPÖ

Die Freiheitlichen sind vergangenes Mal die Zweiten geworden, diesmal wetten gestandene Nachrichtenmoderatoren, dass sie auf Platz eins landen. An den Plakaten kann es nicht liegen, die sind grafisch wie immer, also direkt aus den frühen 90ern importiert, aber textlich noch dämlicher als sonst.

Wahlplakat der FPÖ, HC Strache und die Oktober-Revolution

FPÖ

Alleine die 'Oktober "Revolution"' ist eine Beleidigung für jedes denkende Wesen. Wenn es eine Revolution werden soll, dann bräuchte es ja keine Wahlen und der Verfassungsschutz müsste sich dringend um die Umstürzler kümmern. Eine "Revolution" ist aber die Ironisierung des Begriffes und bedeutet übersetzt: Nichts wird sich ändern.

HC Strache, Wahlplakat der FPÖ "Wir grenzen niemanden aus - schon gar nicht unsere Wiener"

FPÖ

Auch die zweite Plakatwelle ist nicht besser, obwohl: Dem Kickl ist diesmal kein Reim eingefallen. Danke dafür. "WIR grenzen niemanden aus" steht da, in Anspielung an die angebliche Ausgrenzung der FPÖ durch alle anderen Parteien. Das ewige Jammern von der Ausgrenzung macht diese aber nicht wahrer, die FPÖ kommt inhaltlich schlicht für kaum eine andere Liste als Koalitionspartnerin in Frage. Und zwar hauptsächlich, weil sie unentwegt andere ausgrenzt: Minderheiten, Ausländer, Flüchtlinge.

Offene Frage: Wer darf sich als "Wiener" angesprochen fühlen?

ÖVP

Die ÖVP reißt in Wien traditionell nicht besonders viel, immerhin waren sie aber 2010 noch auf Platz drei. Aber knapp 14 Prozent der WählerInnen in der Bundeshauptstadt sind natürlich eine überschaubarere Zielgruppe als zum Beispiel die knapp über 50 Prozent in Niederösterreich - und so konzentrieren sich die Schwarzen auf die Verteidigung dieses schmalen Streifens konservativer Bürgerlichkeit.

ÖVP-Wahlplakat

ÖVP

Der besteht offenbar hauptsächlich aus AutofahrerInnen, Gymnasium-Fans und BürgerInnen, die auf eine Eigentumswohnung sparen. Mit den "Autofahrer-Schikanen" meint Spitzenkandidat Manfred Juraczka die neue Mariahilferstraße. Und damit es noch ein zweites Beispiel gibt, hat die ÖVP ein Problem mit grünen Wellen (natürlich nur für Autos) erfunden. Auf einem anderen Plakat steht tatsächlich: "Nur mit uns ist das Gymnasium sicher." Nachdem auch keine andere Partei das Gymnasium abschaffen will, fragt man sich, woher die Paranoia kommt. Am deutlichsten offenbart aber ein Plakat aus der Fühjahrskampagne den Realitätsverlust der Wiener ÖVP:

Soziales Wohnen: Eigentum, das man sich leisten kann.

ÖVP

Offene Frage: Wie günstig krieg ich eine Eigentumswohnung von der ÖVP?

Grüne

Jakob Augstein forderte unlängst im Spiegel einen linken Populismus. Er meint das natürlich anders, sollte aber dennoch einen Blick nach Österreich werfen, wo sich zeigt, wie linker Populismus ausschaut, wenn er denn entsteht.

Wahlplakat "Ich bin Öffi für alles." von den Grünen

Die Grünen

Den Grünen ist offenbar nichts zu peinlich oder zu platt, besonders schlecht gelungen ist aber das Öffi-Plakat mit dem Nationalratsabgeordneten Julian Schmid. Die Werbewatchgroup Wien sagt dazu alles, was zu sagen ist: "Die Inszenierung des lächelnden Mannes mit dem Slogan 'Ich bin Öffi für alles', suggeriert, dass er für sexuelle Abenteuer offen ist, dadurch findet eine Sexualisierung des Mannes statt. Diese Sexualisierung wird durch die verschiedenen Lippenstiftabdrücke noch verstärkt."

Die Werbewatchgroup nennt das Plakat auch heteronormativ, was für eineN GrüneN die schlimmstmögliche Beleidigung darstellt.

Unbequem, aber wirkt.

Grüne

Auch die meisten anderen Plakate - von "Bye, bye Miethai" (wechselt Kickl die Partei?) bis zu "Geld für Bildung statt für Bonzen" sind populistisch bis zur Unerträglichkeit. Die Darstellung der großen grünen Erfolge - "Unbequem, aber wirkt." - ist ebenfalls danebengegangen: Das Parkpickerl ist lange eingeführt worden, bevor die Grünen mitreden durften. Als einzige wahlwerbende Partei im Wahlkampf zur BürgerInnenbefragung zum Umbau der Mariahilferstraße haben sie 250.000 Euro ausgegeben. Und in wieweit Maria Vassilakou für die Umsetzung der 365-Euro-Jahreskarte unbequem sein musste sei dahingestellt.

Offene Frage: Ist das wirklich alles, was ihr in fünf Jahren zusammengebracht habt?

NEOS

Neos - Wir kämpfen für Veränderung

Michael Fiedler, Radio FM4

So lange gibt es die Neos ja noch nicht, ob sich die neue liberale Partei längerfristig behaupten kann, muss sie erst noch beweisen. Bei ein paar Wahlen haben die Pinken ganz gut abgeschnitten, bei anderen eher mau. Bei den Landtagswahlen vergangenes Jahr in Vorarlberg - dem Heimatland von Parteichef Strolz - konnten sie kein berauschendes Ergebnis einfahren, vielleicht auch wegen einigen nicht so gut angekommenen Aussagen der Spitzenkandidatin, etwa zur Abschaffung der Wohnbauförderung.

Für die Neos geht es in Wien ein bissl um alles: Kommt da wieder ein wenig Schwung rein oder ist die Luft schon draußen? Sie beschränken sich in ihren Plakaten auf sehr, sehr allgemeine Aussagen wie die Forderung nach Veränderung.

Die einzige Partei, die sagen kann, dass sich nichts groß ändern muss, ist die SPÖ, die in der Eigenwahrnehmung immer alles richtig macht. Alle anderen Fraktionen könnten ihr Logo gleich unter das der Neos picken.

Kind auf NEOS-Wahlplakat

NEOS

Als großes Feindbild haben sie sich die SPÖ ausgesucht, was auf den ersten Blick logisch ist, weil sie damit im breitesten WählerInnenpool fischen. Andererseits ist das halt schlicht die Partei, mit der die Neos die kleinste gemeinsame WählerInnen-Zielgruppe haben. Es gibt quasi keine Stimmen, die von Rot zu Pink wandern. Da wäre es ja klüger, man würde sich gegen die Grünen positionieren.

Offene Frage: Ist euch jede Veränderung recht?

Wien Anders

Verlogene Wahlversprechen können wir auch: Einen Pinguin für jeden Haushalt!

Wien Anders

Wien Anders ist ein Zusammenschluss aus Piraten, KPÖ, einer Wiener Abspaltung der Grünen und einer gewissen "Plattform der Unabhängigen". Die Piraten bringen da wohl Netzpolitik, Technik und Meme-Wissen ein, die KPÖ den ideologischen Background, die anderen ein paar WählerInnen aus der näheren Verwandtschaft. Genau so schaut die Kampagne auch aus: Der Pinguin ist so-lala-lustig, aber dann auch nur eine Kopie aus Deutschland.

Ansonsten plakatieren sie für Cannabisfreigabe, gegen "Wohnen als Ware" und mit dem Spruch "Nimm dir was du brauchst!" für, ja, keine Ahnung, alles?

Nimm dir was du brauchst!

Wien Anders

Das Plakat ist leider völlig unverständlich: Ist das jetzt eine reine Aufzählung von super Sachen, die man so im Laufe des Lebens brauchen könnte? Gibt es irgendeine Partei, die nicht für Gerechtigkeit, Wohnen, Kindergarten, Arbeit, soziale Absicherung, Mitbestimmung, Bildung, Betreuung, Pflege oder Gesundheit ist? Und welche Punkte hat sich schon jemand anderer abgerissen?

Letzte offene Frage: Was bitte ist BGE?

Gemeinsam Für Wien

Die sogenannte "türkische Liste" hat (noch) keine Plakate. Laut MeinungsforscherInnen können sie vor allem der SPÖ etliche 10.000 Stimmen abnehmen. Nur: Von einem Wahlkampf ist nichts zu merken. Und weil die Website auch noch gut versteckt ist, gibt es hier den Link: www.gfw.wien. Bitte, gern geschehen.

Offene Frage: Warum tut ihr euch das überhaupt an?

WWW

"Wir wollen Wahlfreiheit" ist der lange Name dieser tatsächlich wienweit antretenden Liste, deren Wahlplakate vermutlich Listenchef Heinz Pollischansky auf seinem Windows-XP-Rechner im Word gebastelt hat. Thematisch ist für JedeN etwas dabei: TierschützerInnen, RaucherInnen, VerschwörungstheoretikerInnen.

Offene Frage: Ernsthaft?

Das Volk entscheidet!

WWW