Erstellt am: 10. 9. 2015 - 14:35 Uhr
"Der Mensch ist wild und unberechenbar"
Algerien, 1954: Es ist der Vorabend des Algerienkrieges. Daru, ein französischer Algerier spanischer Herkunft, ist der Lehrer einer kleinen Volksschule im Atlasgebirge. Von Viggo Mortensen gespielt, spricht Daru Französisch mit einem Hauch von spanischen Akzent und anscheinend perfektem Arabisch mit einem französischen Akzent, alles mit dem kargen, zähnezermalmenden Gemurmel, den nur ein einsamer Bewohner einer solch kargen Berglandschaft haben würde, - denn Viggo Mortensen kann alles.
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Eines Tages wird seine Routine unterbrochen: Der algerische Häftling Mohammed (Reda Kateb) wird ihm überreicht. Daru soll Mohammed, der einen Verwandten ermordet hat, zu den Behörden auf der anderen Seite des Berges bringen - diese werden ihn mit höchster Wahrscheinlichkeit exekutieren. Daru weigert sich, dies zu tun, und verhält sich Mohammed gegenüber als gastfreundlich. Als jedoch die Dorfleute beginnen, den beiden zu drohen, bricht Daru mit Mohammed auf. Und so beginnt ein Roadtrip zu Fuß, untermalt von der rätselhaften Filmmusik von Nick Cave und Warren Ellis: zwei Männer in der algerischen Einöde, aneinander gebunden in ungewollter Solidarität.
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Die rudimentäre Handlung von Loin des hommes/Den Menschen so fern beruht auf L'Hôte/Der Gast, der parabelhaften Erzählung über Verantwortung des franko-algerischen Philosophen und Schriftsteller Albert Camus.
Der Gast (das französische Wort L'Hôte bedeutet sowohl Gast wie auch Gastgeber), ist eine Art Spiegelwerk von Camus’ existentialistischer, urkanonischer Lektüre des 20. Jahrhunderts, L’Étranger. Das Buch hat ein offenes Ende; die ausschweifende Handlung von Regisseur David Oelhoffens Film setzt dort erst ein, mit Darus und Mohammends Aufbruch. Oelhaffen fügt eine ganze Reise hinzu und lässt das Ende noch offener, als Camus es tat. Oelhaffen hat den originalen Text durch weitere Texte von Camus ergänzt, erzählt Viggo Mortensen im Interview, etwa um die journalistische Werken aus derselben Zeit.
Seelendlandschaft in Ocker
Bilder und Stimmung des Films drücken sehr bewusst die vertraute Kargheit und Spannung des klassischen Westerns aus. David Oelhaffen legt großen Wert darauf, die Landschaft des Atlasgebirges als einen eigenen Charakter wirken zu lassen. Das Resultat wirkt zwar anspruchsvoll, aber nicht viel mehr als das. Bitter verweilt der Zuseher und sehnt sich nach mehr Western und weniger Philosophie, die sich in den Furchen der Gesichter der angestrengt-blickenden Hauptdarsteller versteckt.
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Der mit dem Pferd tanzt
Das Bild des Reisens und ziellosen Wanderns durch eine Art Traumlandschaft ist ein häufiger Gefährte in der Filmographie Mortensens, in der das Wort "Road" gleich zwei Mal vorkommt. Überhaupt ist es recht interessant, den Mustern in der Rollenauswahl Viggo Mortensens nachzugehen: Da gibt es einmal seine Auftritte mit seinem geliebten Tier, dem Pferd (Mortensen widmete ihm ein eigenes Buch mit dem Hemingway’schen Titel "The Horse is Good") in Filmen wie Jauja, Hidalgo, Appaloosa und Lord of the Rings. Dann die Rolle des treuen Vaters in Jauja, The Road, und A History of Violence. Und schließlich als Hälfte eines Männerpaares, aneinander gebunden in einer eigenartigen Vater-Sohn-Beziehung und/oder Rivalität (oder Homoerotik?) wie z.B. in Eastern Promises, Two Faces of January, A Dangerous Method und, schließlich, Loin des Hommes: Es ist besonders nett, wenn er im Interview seine Erinnerungen an John Wayne und Montgomery Clift in "Red River" anspricht.
Zugegeben, Viggo Mortensen ist mindestens seit seiner Darstellung des Waldläufers Aragorn in Lord of the Rings für mich wie viele andere ein besonderer Kindheits- und Jugendheld. (Selbst verwaltete ich um 2003 herum eine riesige Aragorn-Fanseite, die irgendwann die stolze Besucherzahl von 20.000 überschritt.) Das ist natürlich schon ein ganz schönes Weilchen her, dennoch ist mir ein wenig bang, als ich diesem Einzelgänger unter den Hollywood Method Actors zum Interview auf einer Dachterrasse in München gegenüber trete.
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Aber das ist schon okay. Viggo Mortensen ist einfach cool. Er raucht beim Frühstück und redet mit einer leisen, leicht rauen Stimme. Seine Körpersprache ist gelassen, freundlich und besonders aufmerksam; irgendwie erinnert er mich an einen ehemaligen Rockstar. Vor Beginn des Interviews an will er fast schon beharrlich meine Herkunft genauer verstehen und ob ich eh im Zentrum Wiens lebe, weil Vienna ist "nice". Yey.
Mortensen gibt sich sogar besonders Mühe und plaudert um einige Minuten länger, als mein 15-Minuten-Interviewslot erlauben sollte. Das ist für mich besonders erfreulich, denn schon spätestens seit Jauja wäre es einem doch ein verständlicher Wunsch, mit Viggo Mortensen über Western reden zu dürfen.
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