Erstellt am: 9. 9. 2015 - 14:53 Uhr
Ein Präsident, der die Politik hackt
Es ist bekannt für seine dynamischen Powerpoint-Präsentationen, wo auf einer Folie oft nur ein Wort steht, gilt als Erfinder von Creative Commons und als Anwalt des freien Internets. Der Jus-Professor Lawrence Lessig ist ein Posterboy der intellektuellen Netzpolitik-Gemeinschaft. Gestern ist bekannt geworden, dass er nun auch die Politik hacken möchte. Weil ein Lessig aber keine halben Sachen macht, lässt er sich nach einer Crowdfunding-Kampagne nun als US-Präsidentschaftskandidat für die Demokraten aufstellen. Was steckt hinter dem politischen Vorstoß des Copyright-Reformers?
lessigforpresident.com
Laurence Lessig will eigentlich nur Übergangspräsident werden. Es geht ihm darum, das US-amerikanische Wahlsystem zu reformieren, und zwar in drei grundlegenden Punkten: Bürgerinnen und Bürgern soll das Wählen vereinfacht werden (etwa durch das Legen des Wahltages an einen Sonn- bzw. Feiertag), Wahlkreis-Tricksereien (das sogenannte Gerrymandering) sollen verhindert werden und private Parteispenden quasi abgeschafft. Weil diese Reformen aber nie passieren, wenn mal ein Präsident im Amt ist, möchte Lessig der erste sogenannte Referendum-Präsident werden und sich diese Punkte als singuläre Aufgabe seiner Präsidentschaft vorknöpfen.
Baldige Amtsübergabe
Wenn also Lawrence Lessig ins Amt käme, wäre es - laut seinem Prinzip - seine einzige Aufgabe, die drei oben genannten Systemprobleme zu lösen. Das klingt ja ohnehin schon nach einem sehr hoch gesteckten Ziel. Anschließend übergibt er das Amt an den Vizepräsidenten. Alles in allem eine schlaue und durchdachte Idee, die zum Copyright-Reformer und Verfechter von Freier Software passt. Immerhin hat die Wiener Kunst- und Netzkulturtruppe Monochrom den querdenkenden Jus-Professor schon vor sieben Jahren besungen.
Aber wie lässig ist Lessig?
Lawrence Lessig ist ein Meister des Präsentierens. Gut zu sehen etwa hier bei einem Talk von 2011 über Money Corrupts Congress.
Dringt Lawrence Lessigs Politikhack zum gewöhnlichen Wähler und der gewöhnlichen Wählerin durch? Wirkt es attraktiv, das Präsidentschaftsamt kurz nach Antritt bald wieder an jemanden anderen übergeben zu wollen? Die "Lessig 2016"-Kampagne hat bisher jedenfalls alles richtig gemacht: Lessig zeigt sein Gesicht, wirkt seriös und zielstrebig und erklärt das Prinzip in den Videos und kurzen Webtexten so klar wie möglich.
Freiheit, Gleichheit, Demokratie - das sind Worte, die US-Amerikaner gerne hören. Kein Wunder also, dass "Lessig 2016" über eine Million Dollar via Crowdfunding eingenommen wurde. Das ist allerdings immer noch ein Mikrobetrag im Vergleich zu den sonst üblichen Wahlkampfausgaben in den USA. Im Präsidentschaftswahlkampf 2012 etwa sind rund 5,8 Milliarden Dollar ausgegeben worden.
"Not about a person"
Lessig ist mit seinem sogenannten "Citizen Equality Act" definitiv der derzeit unkonventionellste Kandidat der US-Demokraten und wird manchmal sogar als das linke Pendant zum erzkonservativen republikanischen Populisten Donald Trump bezeichnet. Wenn diese Andersartigkeit von Lawrence Lessig der Sache dient, - also dem Hinterfragen, Neudenken und Verändern von politischen Abläufen und Systemen, die Ungleichheit hervorrufen - kann das nur gut sein.