Erstellt am: 22. 10. 2015 - 11:03 Uhr
Die Mutter irrt nicht stets
Mütter sind wie Bon Jovi-Songs - Kennst du eine, kennst du alle. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, zum Beispiel Amen, doch sonst sind alle ziemlich gleich.
Auch bei Müttern gibt es Sonderfälle, aber nur wenige. Schon lange liebäugeln Kollege Hurej und ich damit, ein Mütter-Bestimmungsbuch zu schreiben. Es würde neben einer detaillierten Typologie zahlreiche Verhaltenstipps im Umgang mit Müttern, vorgefertigte SMS-Antworten, Telefon-Leitfäden und Konfliktstrategien enthalten und sich bestimmt wie die warmen Semmeln verkaufen, also eher schlecht, denn wann kauft man schon warme Semmeln. Schließlich ist warmes Brot ungesund!
mc
Das habe ich zumindest von meiner Mutter gelernt und beherzige ihre Warnung seither unhinterfragt. Überhaupt gab mir meine Ex-Erziehungsberechtigte grandiose Lehren aus dem Themenkomplex Wärme mit auf den Weg. Eine lautete: “Die Deppadn hom’s gern worm.” Für die Leser aus Deutschland: “Die Deppadn hom’s gern worm.” (Das bissl Dialekt werden sie wohl verstehen).
Niemals hat sie diese Sentenz ansatzweise begründet, sondern sie nur verlässlich aufgesagt, wenn ich ihres Erachtens die Heizung zu ausgiebig aktivierte. Die Behauptung, dumme Menschen hätten es gerne warm, mag wissenschaftlich nicht zu belegen sein, ein gewisser Zauber ist ihr aber nicht abzusprechen. Ich beherzige sie nach wie vor. Wer jemals mit mir in den Wintermonaten zusammenleben musste, wird das nachträglich fröstelnd bestätigen.
Das meiste, was Mütter Zeit ihrer Regentschaft und darüber hinaus von sich geben, baut freilich auf den drei Grundpfeilern Floskel, Folklore und Vorwurf auf. “Es” der Mutter recht zu machen, ist ein lebenslanger Windmühlen-Fight. Sie wird Zeit ihres Lebens tadeln, nörgeln und vor allem alles besser wissen.
Doch halt! Wirft man jemandem vor, “immer alles besser zu wissen”, impliziert das zumeist, der Vorwurfs-Rezipient wisse in Wahrheit einen Scheiß. Das gilt aber nicht für die hier behandelte Menschensorte namens Mutter.
mc
So meisterhaft es Müttern auch gelingen mag, mit ihren wissenschaftlich wie empirisch seit Jahrhunderten widerlegten Behauptungen Rotweinflecken ins Nervenkostüm zu reiben, so absurd ihre Lehrsätze wie “Man badet nicht mit vollem Magen” sein mögen, so ungern man auch Widersinniges befolgt, wenn die Top-Begründung “Mach es doch MIR zuliebe” lautet - man muss trotzdem mit knirschenden Zähnen festhalten:
Die Mutter irrt nicht stets!
So manches weiß sie tatsächlich besser als die missratene Brut.
Hast du dir das auch gut überlegt?
Diese Frage ist ohnehin meistens berechtigt, ganz besonders aber, bevor man sich ein Tattoo applizieren lässt. Oft predigte meine Mutter, dass man sich VOR dem Pecken reiflich überlegen solle, ob eine Tätowierung auch noch im Alter optisch und inhaltlich zu gefallen weiß. Wohlgemerkt lehrte sie mich das in den 90er-Jahren, als Tattoos zwar keine Stigmatisierung als Häfnbruder oder Seemann mehr bedeuteten, aber noch längst nicht in sämtlichen Miileus und Altersklassen als selbstverständlicher Körperschmuck galten.
Im Rahmen eines Badeausflugs wurde mir kürzlich beim detaillierten Rundblick auf der Liegewiese bewusst, dass man mittlerweile zu einer verschwindenden Minderheit gehört, wenn man kein einziges Tattoo hat, einer Minderheit, zu der ich mich eh selbst nicht zählen darf, aber dass der chinesische Schriftzug, der sich an meiner Wirbelsäule entlangschlängelt, “Admira Wacker - Semmel, Bier und Knacker” bedeutet, wissen glücklicherweise nur engste Freunde.
Jedenfalls scheinen die klugen Ratschläge unserer Mütter ungehört verhallt zu sein. Kaum jemand scheint sich halbwegs reiflich zu überlegen, womit er sich dauerbemalen lässt.
Davon abgesehen, dass grundsätzlich die meisten Tattoos laut einer aktuellen Studie deppert aussehen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass man die Anfang zwanzig gestochene Botschaft auch bei Pensionsantritt noch teilen oder das Motiv noch schön finden wird.
Schönes Sterbebild: In den letzten Atemzügen gleitet der trübe Blick einer vergilbten Schönheit ein letztes Mal über die eigene sterbliche Hülle und bleibt bei einem faltigen Unendlichkeits-Zeichen am linken Handgelenk hängen, bevor kurz darauf die Lichter für immer ausgehen.
Lehrer- und Psychologenkinder sind immer gestört.
mc
Das ist nicht meine These! Das Copyright gehört meiner Mutter!
Nie im Leben würde ich es wagen, so plump zu generalisieren und dabei gleich zwei ehrbare Berufsstände die Erziehungs-Skills abzusprechen. Niemals! Ich bin bestürzt, dass jene Frau, deren Lenden ich einst entschlüpfte, dass ausgerechnet diese Frau, die mich schon fast ein Leben lang kennt, dass diese sonst so gütige und kluge Frau es wagt, so unverschämt zu verallgemeinern!
Allerdings würde ich auch nicht allzu vehement abstreiten, dass ihre entsetzliche Unterstellung, dass dieser so schockierende Gemeinplatz so voll und ganz und absolut und grundsätzlich und auf ganzer Linie grundfalsch ist...
Schauts ned immer nur in eure Handys!
Als ich in der zweiten Halbzeit der Neunziger mein erstes Handy bekam, wurde ich angehalten, mich in Gesellschaft meiner Eltern beim SMS-Versand und bei der Snake-Rekordjagd zu mäßigen. Dass die Intensität meiner Handybenutzung wirklich lachhaft war im Vergleich zur heute weit verbreiteten permanenten Smartphone-Inanspruchnahme, konnte man damals noch nicht ahnen. Ich wurde übrigens auch regelmäßig angehalten, nicht zu lange im Internet zu surfen - aus Kostengründen wohlgemerkt, denn als die Modems noch surrten und piepsten, wurde das Surfen pro Minute abgerechnet (und das Wort “Internetsurfen” war kein etwas angestaubtes, sondern ziemlich neues Wort).
Heute kritisiert die Mutter, dass “die Jungen” ohne Unterlass auf die hell glimmenden Displays ihrer Smartphones starren und deshalb weniger miteinander sprechen würden. Diese Beanstandung ist berechtigt, wobei sie zu kurz greift: Es sind nämlich längst nicht mehr nur “die Jungen”, die permanent auf ihren Telefonen herumwischen - Wer das nicht glaubt, möge die Insassen eines durchschnittlichen U-Bahn-Waggons zur Stroßzeit betrachten, wofür man allerdings, dieser Hinweis ist vielleicht nicht unwesentlich, kurz vom Smartphone aufsehen muss.
mc
Ich selbst bin ja auch nicht “besser” und verpulvere den lächerlich kurzlebigen Handyakku gerne halbtags. Wenn ich aber zuweilen indiskret genug bin, in der Bim anderen über die Schultern zu lugen, kann ich mein Gewissen wenigstens damit beruhigen, dass ich meist irgendwas lese und nicht nur Emoticons verschicke oder Rennsimulationen bediene.
Aber gut. Quatschen “die Leute” in der Straßenbahn halt weniger miteinander. Dann ist es ein bisschen stiller. Sooo klug reden sie ja meistens eh nicht daher. Sollen sie ihren Schmarren halt in den Messenger tippen, statt ihn mit dem Sitznachbarn zu sharen.
Tatsächlich verteufelt gehört aber die mit dieser altmodischen Vokabel am besten beschriebene UNSITTE, im persönlichen Gespräch, sei es im Wirtshaus oder beim Lustwandeln, parallel das Smartphone zu bedienen. Man kann ja zwischendurch “was nachschauen” oder irgendwelche Posteingänge überprüfen, aber jene militanten Dauersurfer, die sogar das Essen teilen müssen, besser gesagt ein Foto davon, jene Twitterjunks, die dem Gesprächspartner höchstens zuhören, um aus seinen Top-Aussagen heimlich Tweets zu generieren, diese sogar beim Gehen paralysiert auf ihre zersprungenen Displays starrenden Surfleichen, diese Menschen sind NICHT LIEB. Man darf sie ruhigen Gewissens ein bisschen verachten und sollte sie bestrafen, indem man sich nicht mehr mit ihnen trifft, solange sie es nicht bewerkstelligen, das Gegenüber beim Sprechen anzusehen, ihr (am besten lautlos betriebenes) Smartphone dagegen höchstens einmal pro Stunde. Wer das tatsächlich nicht schafft, hat ein Suchtproblem und darf ruhig bei Uneinsichtigkeit ruhig defriendet werden.
Harte Worte sind das, deren Wirkung ich durch einen abschließenden Themensprung etwas abzumildern versuche:
Zwei schöne Freizeitideen mit Müttern
1. Das Leihmutter-Radl
Wie eingangs bereits festgestellt, sind alle Mütter im Grunde gleich. Trotzdem geht einem die hauseigene rascher auf den Geist als fremde. Wäre es nicht eine schöne Idee, dass sich zwölf Bekannte, die jeweils im Besitz einer handelsüblichen Mutter sind, zusammenschließen und ein Jahr lang monatlich die Mütter durchtauschen? Mit allem drum und dran - Telefonate, blöde Ratschläge, Essenseinladungen und Krankenbesuche. Nach vier Wochen wechselt man wieder zur Nächsten. So kann man gewisse Benefits (jemand macht sich Sorgen, gesunde Ernährung, gütiger Tadel) freudig in Anspruch nehmen, wechselt aber oft genug durch, um grenzenlose Indiskretion, immergleiche Anekdoten und subtile Gemeinheiten zu vermeiden.
2. Die Singleparty
Konzept in Stichwörtern:
Ausgewogener Männer- und Frauenanteil.
Erklärtes Partyziel: Offensive Partnersuche.
Eintritt: 500 Euro.
Jedoch: Eintritt frei in Begleitung der eigenen Mutter (Papiere mitbringen!).
Mutter und Kind werden durch Handschellen miteinander verkettet. Die Kette ist nur einen Meter lang. Die Handschellen werden erst beim Verlassen des Lokals wieder geöffnet.
Mindestaufenthaltsdauer: Sieben Stunden.
Es wird wüst getanzt, getrunken und geflirtet, die Mütter sind auf engstem Raum mit dabei. Gratisdrinks für die Mütter!
Häufige Sätze:
- "Schau da drüben, der wär doch was für dich!”
- “Sie müssen wissen: Mein Sohn hatte als Kind einen - Wanderhoden! Oder darf ich ‘du’ sagen?”
- “SO eine laute Musik!”
- “Trinkst du immer so schnell?”
- “DIE gefällt dir?”
Die schlimmste Party deines Lebens.
Die Hölle auf Erden.
Aber auch irgendwie lustig.