Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die Zukunft von gestern"

Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

13. 9. 2015 - 16:10

Die Zukunft von gestern

Das Indiestrategiespiel "Satellite Reign" ist eine Hommage an Cyberpunk - und an den Klassiker "Syndicate".

5 Lives Studio

Man kennt das ja - und zwar seit über 30 Jahren: Die Zukunft ist ein düsterer Ort. Riesige Megakonzerne beherrschen den Planeten, dessen Großstädte nur aus Neon, Stahl und Slums bestehen. Drohnen schwirren herum, Sicherheitskameras, Militär und bis an die Zähne bewaffnete Securities sind überall. Cyberpunk, das war spätestens seit William Gibsons epochalem Werk "Neuromancer" immer der Film Noir der Science-Fiction, eine dystopische Vision der 1980er-Jahre, voller Spiegelsonnenbrillen, Neon und Kapitalismus. Längst sind Ideen, Begriffe und auch Ästhetik dieses einst räudigen Subgenres in den Pop-Mainstream eingedrungen. Mehr noch: Cyberpunk, so muss man sagen, ist seit Ewigkeiten selbst höchst retro.

Als populärer Fundus für Games oder Filme bleibt die vertraute Dystopie aber allgegenwärtig - so auch in "Satellite Reign". Nomen est omen: Aus der Vogelperspektive schweben wir über jenem Hightech-Ameisenhaufen, der hier unser urbaner Spielplatz ist. Im Kampf gegen korrupte Konzerne schießt, schleicht und hackt sich unser Team von vier hochgerüsteten Agenten von Mission zu Mission.

Syndicate returns

Klingt vertraut? Die Mischung aus düsterem Cyberpunk und Echtzeitstrategie ist eigentlich ziemlich legendär: Der Uraltklassiker “Syndicate” von Entwicklerlegende Peter Molyneux (1993!) stand Pate für “Satellite Reign”. Das Spiel des australischen Indie-Studios 5 Lives Studios, in dem auch "Syndicate"-Veteranen arbeiten, holt das Prinzip des über 20 Jahre alten Vorbilds mit viel Style ins 21. Jahrhundert - diese Vision hat man sich sogar von begeisterten Fans auf Kickstarter vorfinanzieren lassen.

Und die dort gegebenen Versprechen wurden gehalten: Die im Unterschied zum Vorbild offen erkundbare nächtliche Stadt mit ihren vielen computergesteuerten Einwohnern lässt viel Science-Fiction-Atmosphäre aufkommen, und meistens bleibt es Spielerinnen und Spielern überlassen, wie die auf der Karte verstreuten Einsätze genau angegangen werden sollen. Vom vorsichtigen Austricksen der Sicherheitssysteme über unbemerktes Einschleichen bis hin zum rabiaten Frontalangriff ist alles möglich.

Mit erbeutetem Geld, Waffen und Cyber-Einbauten lassen sich die vier Agenten zu unterschiedlich talentierten Spezialisten aufrüsten. Das sorgt für Abwechslung und eine Vielzahl an Möglichkeiten - aber vor allem anfangs auch für leichte Überforderung und Unübersichtlichkeit. Es dauert ein wenig, bis sich Spielerinnen und Spieler in der verwirrend großen Stadt und dem manchmal ebenso verwirrenden Interface zurechtgefunden haben.

5 Lives Studio

Nostalgie in Chrom und Neon

Wie eingangs gesagt: Das Cyberpunk-Setting mit all seinen Klischees von bösen Konzernen und Cyborg-Agenten ist inzwischen schon ein wenig in die Jahre gekommen. Dass abseits davon auch “Satellite Reign” selbst, mit all seinem fummeligen, präzisen Mikromanagement, trotz aller Grafikpracht eigentlich ein altmodisches Spiel geworden ist, ist aber durchaus im Sinne der Erfinder: Als Hommage sowohl an "Syndicate" als auch an dessen im fernen Jahr 1993 noch beinahe ganz frisches Setting kann und muss es sich ein wenig Nostalgie durchaus erlauben.

"Satellite Reign" ist für Windows, Mac und Linux erschienen.

So zeigt sich der Erbe im Geiste im Jahr 2015 als enthusiastischer Nachbau mit modernen Einsprengseln: Ein wenig Open World von "GTA", ein bisschen "Commandos" und ganz viel "Syndicate" machen "Satellite Reign" trotz Spielverlauf ohne große Höhepunkte und zum Teil arg fitzeligem Interface zur mehr als gelungenen Mischung aus alten und neuen Tugenden - und das nicht nur für alte Säcke. Retro - you're brand new.