Erstellt am: 7. 9. 2015 - 15:10 Uhr
Private Flüchtlingshilfe in Ungarn
Insgesamt rund 20 000 Menschen sind in den letzten Tagen von Ungarn über Österreich nach Deutschland gereist. In Ungarn selbst greifen vor allem Privatpersonen und private Flüchtlings-Hilfsorganisationen den Menschen unter die Arme. Die Helferinnen und Helfer von Migration Aid etwa versorgen seit nunmehr 11 Wochen Flüchtlinge in Budapest mit Essen, Wasser und Information. Außerdem, sagt Zsuzsanna Zsohár, werden private Geldspenden an die Flüchtlinge in den Camps weitergeleitet. Als "NGO" will Zshohár ihre Gruppe nicht bezeichnen, sie sei eher eine "NGNO - eine non-governmental non-organisation."
FM4/Alex Wagner
"Heute Nacht", sagt Zsohár, "haben in Budapest wieder mehrere hundert Leute ohne Decke unter freiem Himmel übernachtet. Deswegen haben wir gleich drei Lastwägen voller Decken und Matten dorthin geschickt. Ich hoffe, dass die auch angekommen sind."
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sagte gestern in einem ORF-Interview, die Flüchtlinge würden in den dafür vorgesehenen Lagern gut versorgt: "Ungarn hat die finanzielle und polizeiliche Kraft, für alle Unterkunft und Verpflegung zu sichern. Es gibt Sammelstellen, wo die Asylwerber und Einwanderer hingehen können. Dort werden sie medizinisch versorgt, bekommen Unterkunft, Wasser und Essen."
FM4/Alex Wagner
Warum also schlafen in Budapest trotzdem so viele Menschen auf der Straße und im Park? Zsuzsanna Zsohár von Migration Aid sagt, dass ihr viele Flüchtlinge von zu wenig Essen und Wasser berichtet haben, außerdem von einem sehr unfreundlichen Umgangston in den Camps: "Die Flüchtlinge, die wir in Budapest versorgt haben, wollten lieber in Parks übernachten als sich in den Camps aufzuhalten."
FM4/Alex Wagner
Wer ist Schlepper?
Die Helferinnen und Helfer von Migration Aid wollten eigentlich auch Menschen, die sich zu Fuß von Budapest Richtung Österreich auf den Weg gemacht haben, mit eigenen Autos zur Grenze bringen – sie haben das aber aufgrund der mehrjährigen Gefängnisstrafen, die in Ungarn für Schlepperei und Vorbereitungshandlungen zur Schlepperei drohen, unterlassen. Zshohár kritisiert, wie die strengen Gesetze von der Polizei ausgelegt werden: "Auf der einen Seite werden jene, die kostenlos, auf eigene Kosten und in ihrer eigenen Zeit ihren Mitmenschen helfen wollen, verhaftet. Auf der anderer Seite gibt es mehrere tausend Leute, die ganz gut davon leben, dass sie für 500 bis 1000 Euro Leute unter unmenschlichen Bedingungen transportieren."
FM4/Alex Wagner
Ungarn will Asylverfahren künftig in grenznahen Transitzonen abwickeln. Sie sollen in Richtung Serbien offen sein, in Richtung Ungarn aber geschlossen. Asylverfahren sollen binnen 15 Tagen abgeschlossen sein. Die Transitzonen an der Grenze, befürchtet Zsohár, werden sich innerhalb weniger Wochen mit Menschen füllen. "Was wird geschehen, wenn sie überfüllt sind?", fragt die Flüchtlingshelferin. Wie viele Flüchtlingshelfer wünscht sich auch sie eine bessere Koordination der Flüchtlingsverteilung in der ganzen EU. Für Regierungschef Viktor Orbán sind die geplanten Transitzonen bereits ein Teil davon: "Wenn Europas Außengrenzen nicht abgesperrt sind, hat es keinen Sinn, über Quoten zu sprechen. Wenn wir die Außengrenzen abgeriegelt haben und somit die illegale Migration gestoppt ist, dann können wir über jede Lösung sprechen."
An der Grenze zwischen Ungarn und Österreich war es letzte Nacht relativ ruhig. In Nickelsdorf sind etwa 200 Flüchtlinge angekommen - teilweise zu Fuß, teilweise auch in ungarischen Privat-PKWs, mit denen sie zur Polizei in Österreich gebracht wurden. Die Polizei wird im Lauf des heutigen Tages die zusätzlichen Unterstützungskräfte aus mehreren Bundesländern, die in Nickelsdorf aushalfen, wieder abziehen.