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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 9. 2015 - 13:44

The daily Blumenau. Monday Edition, 07-09-15.

Grundsätzliche Einigkeit und unterschiedliche Interpretationen.

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

#fußballjournal15

Noch ein Nachschlag zum Samstags-Spiel Österreichs gegen Moldawien.

Oft ist es routiniertes Desinteresse und nie gelernte Konzentrations- und Beobachtungsfähigkeit, die dazu führen, dass Menschen nach der Betrachtung etwa eines Fußballspiels zu unterschiedlichen, oft auch divergenten Schlüssen führen. Und manchmal ist wie bei Rashomon: man kann einander widersprechende Wahrheiten über ein und dasselbe Match erzählen.

So war es, zu meiner Überraschung, auch, was das Samstag-Spiel des ÖFB-Teams betrifft, welches ich hier live zu veranschaulichen versucht habe. Sonntag folgten einige ernstzunehmende Analysen mit durchaus unterschiedlichen Fazits. Die einen sahen Formschwäche, die anderen hohe Überlegenheit, viele ein 4-1-4-1 und keine Fünferabwehr (dazu später im Detail).

Die grundsätzliche Einigkeit, die mittlerweile auch die Qualitätsmedien, selbst den gehobenen Boulevard umfasst, und mittlerweile auch den Stammtisch erreicht hat, besteht in der Erkenntnis, dass es genau solche Matches gegen klare Außenseiter waren, die in den letzten dreißig Jahren dann eben nicht gewonnen wurden; dass es genau das geduldige, konzentrierte und hochwertige Weiterspielen und -spinnen des Plans war, ganz ohne die Nerven wegzuschmeißen, das den Unterschied machte. Und dass ein Punkteverlust bei genau solchen Partien dann auch immer der Türstopper waren, der einen kleinen Lauf dann dramatisch beendete.

Was auch - in den aktuellen Analysen nur durchschimmernd, in den Teambetrachtungen aber deutlicher ausformuliert - eine Folge von gewonnener Selbstsicherheit ist, die wiederum auf der neu erlernten Fähigkeit basiert, sich auf einen Gegner gut vorzubereiten, einen Matchplan zu verfolgen, einen zweiten im Köcher zu haben, und sich so seiner selbst gewiss zu sein.
Im Unterschied zu allen Teams seit der Selbstläufer-Mannschaft von Ausnahmetalenten nach Cordoba (die diese Erfahrungen noch vom alten Stastny in die Suppe eingebröckelt bekommen hatten) kann die aktuelle Truppe all das selbstverinnerlichen und auch ausspielen. Auch unter Druck und wenn's um die Wurst geht. Und ohne Glücksschuass à la Andi Herzog als unterlegenes Team gegen Schweden 1997, sondern als besseres Team, gegen bislang alle Gruppengegner.

In diesem Zusammenhang konnte ich am Samstag eben keine Formschwäche erkennen, auch wenn wieder einmal die linke Seite die stärkere, forderndere war und die rechte abfiel; auch wenn es ein paar Minuten zu lang dauerte, dass sich Alaba und Baumgartlinger nach vorne orientierten, auch wenn Dragovic vielleicht erst nach 20, 25 Minuten den Hintereggerschen Spieleröffner machte.
All das war hier beschrieben, work in progress, Teil 2 des Matchplans, an dessen Umsetzung nie zu zweifeln war.

Dass manche Spieler in manchen Situationen nicht optimal standen, dass die Flügel-Balance nicht stimmte, dass die offensiven Außen-Spieler vergleichsweise zurückhaltend begannen, all das sehe ich zum einen als gegeben (links ist eben stärker als rechts, in einen wirklich guten Rechtsverteidiger haben weder Koller noch der ÖFB je investiert) und zum anderen als Reaktion auf die extrabreite Abwehr-Phalanx des Gegners an, auf die einmal mit Vorsicht reagiert wurde, anstatt holladriodü drauflos zu spielen, wie es hirnlosere Teams wie die 90er oder 98er wohl getan hätten. Die ÖFB-15er sind so schlau, dass sie um ihre Stärken und Schwächen eben genauer Bescheid wissen, als die gnadenlosen (und erfolgsarmen) Selbstüberschätzer der Vergangenheit.

Klar, man sprach zurecht von Kritik auf hohem Niveau. Die ist auch wichtig, wenn es sich um strukturelle Probleme handelt (Stichwort: Außenverteidigung) - mir kommt aber vor, dass sich die Analysen zum Samstag schon an einer überhöhten Wunschvorstellung des aktuellen ÖFB-Teams abarbeiten.

Dabei wäre der Ist-Zustand genug. Wer zuvor Russland gegen Schweden gesehen hat, und dabei Österreichs Team (egal ob offensiv oder defensiv, aktiv oder passiv) mitgedacht hatte, konnte in jeder Situation erkennen, dass Kollers Truppe die stärkste der drei ist.

Jetzt noch zur ungesehenen Fünfer-Abwehr...

Ich habe sicher fünfzehn Minuten zugewartet, ehe ich mich am Samstag getraut habe die moldawische Formation zu beschreiben. Weil es da von Anbeginn an Unklarheiten gab. Zwar startete man (beim Anpiff) in einem 4-5-1, es kristallisierte sich aber schnell ein zentraler Dreier-Block heraus, der immer hinten blieb: 6 Jardan, der zentrale Taktgeber 5 Golovatenco und 2 Armaş. Links war 4 Erhan einigermaßen offensivfreudig, stieg sich dann aber bald mit dem nominellen Linksaußen 3 Patraş auf die Füße. Rechts begann 10 Dedov als offensiver Flügelspieler, aber bereits in Minute 1 hatte er sein erstes Abwehrerlebnis und in der Folge war seine Hauptaufgabe die Unterbindung der Flügelläufe von entweder Fuchs und/oder Arnautovic. Und nachdem die das ganze Match über nicht nachließen, wurde 10 Dedov so zum rechten Verteidiger einer Fünfer-Abwehr; die mit 7 Andre Cojocari noch einen absichernden Sechser davor hatte.

Dedov, und ich habe ihn bzw. die Rechtsverteidiger-Position das ganze Spiel über gezielt verfolgt (sein Nachbar, 6 Jardan, hatte ein paar Einwürfe im Aufbau, sonst war er ausschließlich auf Absicherung nach innen abgestellt, eben kein Außenspieler), war danach im ganzen Spiel kaum noch auf der Höhe von 3 Patraş zu finden, sondern orientierte sich im Defensiv-Verhalten, aber auch im (wenigen) Offensivdrang an 4 Erhan. Die Lücke, die Dedov rechts hinterließ wurde vom immer wieder rausrückenden 8 Cebotaru mühevoll geschlossen.

Ich kann also nicht anders als diese Mannschaft (bis zu den ersten Wechseln, die Änderungen brachten) als 5-1-3-1 zu beschreiben: 1 Ilie Cebanu (C); 10 Dedov, 6 Jardan, 5 Golovatenco, 2 Armaş, 4 Erhan; 7 Andre Cojocari; 8 Cebotaru, 9 Andronic, 3 Patraş; 11 Milinceanu.

Denn: für mein Verständnis von Beschreibung/Analyse ist nicht die Intention des Coaches und/oder die Formation zu Anpfiff entscheidend, sondern die, die sich dann im Spiel ergibt. Und wenn Dedovs Praxis eher die eines Rechtsverteidigers ist als die eines Rechtsaußen, dann werde ich das so ansprechen. Und wenn diese Spielanlage der österreichischen Überlegenheit über die linke Seite geschuldet war, also die überlebensnotwendige Reaktion auf eine gegnerische Stärke, dann ist es doch ein wenig seltsam, nicht darauf hinzuweisen. Auch wenn mich Rashomon) gelehrt hat, vorsichtig mit dem Begriff Wahrheit und der Forderung nach Exklusivität umzugehen.