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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

7. 9. 2015 - 10:51

Ali oder Tyson?

Mit seiner neuen Band The Arcs spielt sich Dan Auerbach aus der Routine frei, die zuletzt seine Stammband The Black Keys lähmte. Über Musik spricht er trotzdem nicht gern. Über das Boxen schon.

Audienz bei einem Schlagerfan

„Keine Frage zu Jack White“, „keine Fotos“, „man muss ihm die Worte ein bisschen aus dem Mund ziehen“. Anhand der Vorgaben der Plattenfirmenmenschen vor dem Interview mit Dan Auerbach wird klar: der Mann liebt Promotermine! Nachzulesen ist diese Abneigung in so ziemlich jedem Interview zu seiner neuen Band The Arcs. Wie eine Bandmaschine im Repeat-Modus spult der Frontman der Black Keys die immergleichen Antworten runter. So auch bei unserem Tête-à-Tête in einem Nobelhotel am Potsdamer Platz.

The Arcs

The Arcs

Aber viel Weltbewegendes gibt es über The Arcs ohnehin nicht zu berichten. Natürlich wird es auch weiterhin die Black Keys geben. Die Arcs sind aber durchaus als Langzeitprojekt angelegt. The-Black-Keys-Partner Patrick Carney hat seinen Segen gegeben. Die Band selbst setzt sich aus musikalischen Wegbegleitern und Freunden zusammen, die Auerbach in seiner Funktion als Produzent für zum Beispiel Dr. John oder Lana Del Rey zur Hand gegangen sind. So fand sich immer wieder Zeit für gemeinsame Jam-Sessions zwischendurch.

Die Qualität des dabei entstandenen Materials motivierte die Band zu einer zweimonatigen Recording-Session. Das Ergebnis hört nun auf den Namen „Yours, Dreamily“. Auerbach bezeichnet das Album der fünf- bis zeitweise achtköpfigen Truppe als seine kollaborativste Platte bisher. Sie trägt allerdings eindeutig die Handschrift des Black-Keys-Frontmanns. Doch die Musik ist wesentlich wilder, freier und auch deeper als die der zuletzt in ihrer Erfolgsformel erstarrten Keys.

The Arcs

Warner Music

Die musikalischen Zutaten sind nicht wenig überraschend Garagen- und Bluesrock sowie Vintage-Soul und Gospel. Für The Arcs verschob Auerbach die Sound-Koordinaten bloß etwas weiter nach Süden. Das schlägt sich auch im herrlichen Artwork nieder. Mit Mariachi Flor de Toloache engagierten Auerbach und Co-Produzent Leon Michels (Daptone) ein weibliches Mariachi-Trio, das praktischerweise auch gleich die Soul- und Gospel-Parts übernahm.

Alternierend zm Whiskey und Kautabak werden dem Hörer auf „Yours, Dreamily“ Tequila und narrische Schwammerln gereicht. Die 13 Songs könnte man sich gut als Sountrack für ein Tarantino-Movie vorstellen, das erst noch gedreht werden muss. „Er hat meine Telefonnummer“, kommentierte Dan Auerbach meine diesbezügliche Anmerkung trocken.

The Arcs

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Das war’s dann auch schon wieder mit dem Musikgespräch. Wir konnten uns ab nun auf hoffentlich Ertragreicheres konzentrieren. Mr. Auerbach und ich verbindet nämlich ein Faible für den Boxsport. Sorry also an alle, die an dieser Stelle gerne mehr über The Arcs erfahren hätten und den Begriff „Break“ ausschließlich mit Musik in Verbindung bringen. Es folgt ein kleiner Sport-Talk zweier Boxing-Nerds.

Christian Lehner: Es ist kein Geheimnis, du bist ein großer Fan des Boxsports. Wer ist deine aktuelle No. 1?

Dan Auerbach: Roman Gonzalez! Mein absoluter Favorite! Sie nennen ihn „El Chocolatito“. Für mich ist er der beste Fighter der Welt.

Warum?

Er ist unglaublich schnell und hat einen mörderischen Punch. Sein Spirit ist einzigartig. Da stimmt einfach alles. Derzeit wirst du keinen Besseren finden!

Gonzalez ist zwar nicht ganz so ungestüm, er erinnert mich vom Herz her aber schon an Roberto Durán.

Ha! Die „Steinerne Hand“! Duran war natürlich spitze! Das Besondere an Gonzalez ist aber seine körperliche Verfassung und was er da rausholt. Er kommt aus dem Fliegengewicht und ist sehr klein (1.60 Meter, Anm.). Umso erstaunlicher ist seine enorme Schlagkraft. Das ergibt in Relation einen der härtesten Puncher der Boxgeschichte.

Was Eisenfäuste betrifft, wer rangiert da noch ganz oben in deiner Liste?

Sergei Kowaljow und natürlich Gennadi Golowkin!

Das sind alles Fighter vom Mittelgewicht abwärts. Ich freu mich, dass du nicht jemanden wie Heavy-Weight-Champ Wladimir Klitschko nennst, weil ...

... , weil der einfach zu ökonomisch kämpft, wenig risikiert und kaum Höhepunkte liefert? Genau! Das ist sehr klug, was „Dr. Eisenfaust“ da macht, sehr effizient, aber auch sehr kühl und langweilig anzusehen.

Was ist dann deine bevorzugte Gewichtsklasse?

Das Weltergewicht! (zwischen 63,5 und 67 kg, Anm.). Diese Boxer verfügen über ideale köperliche Voraussetzungen für aufregende Fights. Sind sind schwer genug, um hart zu schlagen, gleichzeitig aber eher klein und wendig, was eine rasante Technik und die Beinarbeit begünstigt. Sieh dir die Liste der Champs an: Sugar Ray Leonard, Roberto Durán, Floyd Mayweather ...

Apropos: Im Pressetext zum Album steht, dass der Song „Stay in my Corner“ vom Weltmeisterschaftskampf zwischen Mayweather und Pacquiao inspiriert ist. So inspirierend war der Fight aber eigentlich gar nicht.

Das Stück ist über ein Jahr alt und hat deshalb mit dem Kampf direkt nichts zu tun. Es ist ein klassischer Love-Song. Einzig die Phrase „Stay in my Corner“ kommt vom Boxen. Ich hatte aber auch einen richtigen Boxsong mit dem Titel „Tomato Can“ geschrieben. Als sich dann der „Kampf des Jahrhunderts“ angekündigte, beschlossen wir bei einigen Margaritas, dass der Tag des Fights das ideale Datum für die Veröffentlichung der ersten The Arcs-Platte wäre. Und so kam es dann auch am 2. Mai mit dem Release der Single „Stay In My Corner” b/w “Tomato Can”.

Gibt es einen Lieblingskampf von dir? So was wie deinen persönlichen „Rumble in the Jungle“?

(Überlegt sehr lange) Nein, kann ich jetzt nicht sagen. Es gibt so viele großartige Fights, die für so viele unterschiedliche Gründe großartig waren. Sorry, Man.

Dan Auerbach, The Arcs

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Ich schau mir auf YouTube immer wieder „Tyson vs. Spinks“ aus dem Jahr 1988 an. Der Kampf hat zwar nicht lange gedauert, aber die Dramatik und diese unglaublich darke Ambient-Musik, mit der Tyson in den Ring gestiegen ist, sorgen bei mir noch heute für Gänsehaut. Wenn man den Clip ansieht, hat man den Eindruck, dass sich das gesamte Publikum gleichzeitig in die Hosen macht. Das ängstliche Gesicht des brillanten Technikers Michael Spinks sagt alles. Da war der Kampf eigentlich schon vor dem Gong vorbei.

Tyson! Unglaublich unterschätzter Boxer. Diese Liebe und Dedication für den Sport! Er stieg in klassischen Trunks und Schuhen aus der alten Zeit in den Ring! Ohne Socken!

Man kennt ja nur die Geschichte vom toughen Street Kid aus Brooklyn, aber er ist auch ein waschechter Gelehrter, was den Sport angeht. In jungen Jahren, als ihn noch Cus D’Amato trainierte, studierte er nächtelang alte Filmaufnahmen von Legenden wie Joe Louis, Sonny Liston oder Flyod Patterson. Darf ich dir die immer wieder auftauchende, aber leicht obszöne Frage stellen: Ali oder Tyson?

Tyson! Aber nur, weil er meine Generation ist und ich als Kid den ganzen Wahnsinn hautnah miterlebte. Ich hatte das „Mike Tyson Punch Out Video Game“. Schon Stunden vor den Kämpfen waren wir irrsinnig aufgeregt. Und ich muss sagen, er hat uns nie enttäuscht! Ich habe unlängst mal mit ihm telefoniert. Eigentlich ein sehr netter Kerl.

Ich war Defensivboxer. Was ist deine Anlage?

Ich gehe regelmäßig ins Boxing-Gym und habe auch zuhause einen Sandsack in meiner Garage hängen, aber ich steige nicht sehr oft zum Sparring in den Ring. Ich würde meinen Stil auch eher in der Defensive sehen, aber in Wahrheit bin ich wohl ein Schaufensterboxer (lacht).

Siehst du Parallelen zwischen dir als Rockmusiker und dem Boxen?

Ach, Boxen ist so crazy! Du kannst das nicht halbherzig machen. Deshalb würde ich mich auch nicht als Boxer bezeichnen. Ich trainiere nur. Boxen und Musikspielen sind im Grunde genommen einsame Tätigkeiten. Du spielst oder trainierst die meiste Zeit allein. Und ja, auch im Rock’n’Roll muss die Bereitschaft, alles zu geben, vorhanden sein. Sonst bleibt’s bloß ein Hobby. Allerdings eines ohne Blaues Auge und Nasenbeinbruch.