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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

6. 9. 2015 - 14:28

Auf dem Highway ins Licht

Der Song zum Sonntag: Miley Cyrus - "Lighter"

Das Überraschungsalbum der Woche ist diese Woche also "Miley Cyrus & Her Dead Petz" gewesen. Das einzige halbwegs Interessante an den MTV Video Awards vergangenen Sonntag war neben den Kostümen bzw. Nicht-Kostümen der Präsentatorin Cyrus, dem endgültigen Taylor-Swift-Overload und einem kurzen intensiven Beef-Moment mit Nicki Minaj die – jetzt auch wieder nicht so unerwartete - Ankündigung des Albums am Ende der Show.

Die plakative Fuck-You-Attitude, die angestrengte Befreiung vom braven Teen-Girl-Image ist die Erzählung in Cyrus' Karriere. Miley Cyrus ist so rebellisch und wild wie ein Fünfzehnjähriger, der meint es sei edgy, wenn man in öffentlichen Verkehrsmitteln die Füße mit Schuhen auf die Sitzbank legt.

Miley Cyrus ist schrill und übertreibt, sie weiß, dass sie übertreibt, es ist ihr Plan, aber, ganz ehrlich: Sie übertreibt. Dabei kommt oft große Kunst und großes Entertainment raus, oft Schrott, Trash ohne Zweck und Ziel, stumpfe Anti-Haltung ohne Fundament.

Miley Cyrus

Miley Cyrus

"Miley Cyrus & Her Dead Petz" ist das Fuck-You-Album der Fuck-You-Künstlerin, gratis ohne allzu große Hit-Ambition in die Welt entlassen, dafür um künstlerische Credibility und neue Levels der Weirdness bemüht. Ein Großteil der 23 Stücke ist in Zusammenarbeit mit den Flaming Lips entstanden, denen Cyrus schon auf deren Album "With a Little Help from My Fwends" ausgeholfen hat. Einige Songs sind dem Titel entsprechend tatsächlich den verstorbenen Haustieren von Cyrus gewidmet, was auch gleich wie so eine kleine, spinnerte Flaming-Lips-Idee klingt.

Ariel Pink war mit im Boot, ebenso wie der heiß gehandelte Produzent Oren Yoel. So ist das Album eine halbfertige Kollision von vernebelter Space-Psychedelik, skizzenhaften Songs samt akustischer Gitarre, HipHop-Beats und blinkender Disco-Elektronik geworden.

Ein hupendes und quietschendes Durcheinander, eine halbwegs so einiges wissende Popmüllhalde, in den Texten geht es gerne um Ficken und Drogen. Das ist alles natürlich zu viel, 6, 7 schöne Songs sind dann aber schon drauf auf "Miley Cyrus & Her Dead Petz".

Im Stück "Lighter" nimmt Cyrus den Fuß sachte vom Gas, dabei handelt das Lied von der Steigerung, der gemeinsamen Reise an einen möglichen Höhepunkt. Der Song beschreibt eine Autofahrt: Wenn Miley mit der besungenen geliebten Person durch die Welt cruist, muss es immer schneller gehen, so singt sie. Wenn gemeinsam zum Radio gesungen wird, dann muss es immer lauter werden.

So hat das Lied eine wunderbare Bruce-Springsteen-Aufbruchs- und Wegfahr-Romantik. Was am Ende der Straße kommen mag, ist unbekannt, Hauptsache raus hier und Hauptsache zusammen. Produziert hat "Lighter" der aus Atlanta stammende Produzent Mike WiLL Made-It, der schon Hits für Leute wie Ciara, Rihanna oder 2Chainz besorgt hat und auch für Mileys Smasher "We Can't Stop" verantwortlich zeichnet.

Er hat diesem schwülstigen Liedchen ein abgefedertes Synthie-Bett gebaut, mit betont schäbig tönenden Drumsounds, ein Klangdesign, das nach Nostalgie und Weichzeichner schmeckt - und eben auch an die quasi-elektronischen Arbeiten des Mit-Achziger-Springsteens erinnert, vor allem an das unterschätzte Meisterwerk "Tunnel of Love". Melancholie aus dem Billig-Keyboard.

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Für das billige Bild ist sich Miley Cyrus natürlich auch nicht zu schade: "Lighter" - im Song bemüht sie die Bedeutungsebenen von "Licht" ebenso wie von "leichter", mit dem Partner ist alles besser, heller. Vor allem aber auch, Kifferkonnotation mitgedacht, meint sie mit dem "Lighter" das Feuerzeug und damit wiederum ihr Gegenüber, das die bitternötige Energie spendet. Der Partner als Gebrauchsgegenstand, der die Welt erträglicher macht. Light my fire, und lass uns brennen.