Erstellt am: 3. 9. 2015 - 16:40 Uhr
"Ein Stück Normalität"
In den Krisengebieten im Nahen Osten, also in Syrien, Irak, Libyen und anderen Ländern der Region gehen 13 Millionen Kinder, nicht zur Schule. Das besagt ein Bericht des Kinderhilfswerks UNICEF, der heute veröffentlicht wurde. Damit werden diese Kinder ihrer Zukunft beraubt, heißt es in diesem Papier. Und die Angst um die Zukunft ihrer Kinder ist es auch, die viele Familien aus diesen Regionen in die Flucht treibt. Von vielen Refugees, die in den letzten Tagen in Österreich an- oder durchgekommen sind, haben wir ja gehört, dass sie eine bessere Zukunft für ihre Kinder finden möchten.
5.000 Flüchtlingskinder im Pflichtschulalter werden in Österreich in diesem Schuljahr in die Schule gehen. Wobei etwa 4.000 von ihnen schon im letzten Schuljahr hier in der Schule waren. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat letzte Woche daran erinnert, dass die Schulpflicht auch für geflüchtete Kinder gelte, und unmissverständlich klargestellt, dass für alle ein Platz zu finden sei.
Gestern wurde dann Terezija Stoisits als Flüchtlings-Koordinatorin im Bildungsministerium präsentiert. Sie soll die Aktivitäten von Bund, Ländern und Hilfsorganisationen zusammenführen. Ich habe sie für ein kurzes Interview getroffen und sie zu den zukünftigen Herausforderungen gbefragt.
- gemeinfrei -
Vor welchen Aufgaben stehen Sie jetzt als Koordinatorin für Flüchtlinge im Bildungsministerium?
Ich war ja bisher schon Menschenrechts-Koordinatorin des Bildungsministeriums. Und diese neue zusätzliche Aufgabe für Fragen der Flüchtlingskinder, da werde ich eine Schnittstelle sein zwischen den LandesschulrätInnen und dem Ministerium, auch eine Verbindungsstelle zu den Betreuungseinrichtungen, die sind ja mam nächsten an den Familien dran und an den Kindern, die in die Schule gehen. Es geht auch darum, auf gute Projekte hinzuweisen, zu zeigen, wo funktioniert es schon und wie.
Bezüglich des Rechts auf Bildung gibt es ja einen eindeutigen Standpunkt der Bildungsministerin.Das ist ein grundsätzliches Recht jedes Kindes auf Bildung. Und es ist die Aufgabe des Bundes und, der Länder, dieses Recht in der Praxis zu gewährleisten. Flüchtlingskinder sind ja eine sensible Gruppe, die haben in der Regel Sachen erlebt, die ein Kind, das behütet in Österreich aufwächst, nicht erleben muss. Die österreichischen LehrerInnen gehören zu den Bevölkerungsgruppen, die die größte Empathie gegenüber Flüchtlingskindern zeigen. Und die geben ihnen Schutz, Sicherheit und ein Stück Normalität, das sie jetzt über Wochen, Monate, mache vielleicht über Jahre nicht gehabt haben. Wir wollen die Zeit der Flucht – auch für die, die vielleicht gar nicht bleiben, nutzen. Denn das Recht auf Bildung hat jedes Kind.
Sie hatten schon ein Treffen mit allen Landesschulrätinnen und –räten. Wie war da die Stimmung?Alle sind vorbereitet, auf die Kinder, die jetzt neu kommen. Das ist auch nichts Neues für die Schulen. Migrantenkinder, Flüchtlingskinder hat es in Österreich immer schon gegeben, denken wir z.B. zurück an den Balkankrieg.
Gibt es mit den Flüchtlingen, die jetzt kommen, besondere Herausforderungen? Also haben sie schlimmere Fluchtrouten hinter sich als damals z.B.?Natürlich hat ein Kind, das mit seinen Eltern vielleicht monatelang auf der Flucht war, etwas durchgemacht. Aber auch Kinder, die hier leben, erleben manchmal furchtbare Dinge. In der Schule gibt es ja auch Fachleute dafür, Stichwort Schulpsychologie. Und die Aufgabe der Schule ist es auch diese Kinder zu unterstützen, ihnen die Sicherheit zu geben, dass Schule etwas ist, das funktioniert und ihnen ein Stück Normalität garantiert und damit auch Schutz und Geborgenheit.
Können die österreichischen Kinder etwas von den Flüchtlingskindern lernen?Definitiv! Das ist ja auch ein Teil der Auseinandersetzung mit dem, was diese Kinder vielleicht erlebt haben – natürlich immer kindgerecht. Aber das ist ja auch eine Erfahrung, die wir schon seit Jahrzehnten gemacht haben. Deswegen ist es ja so wichtig, dass die Kinder in normale Klassen gehen. Da lernt man dann am schnellsten die Sprache – von denen, die es schon können!
Aber in Wien sind schon so genannte „"Neu-In-Wien“-"-Klassen geplant, wo gesondert Deutsch gelernt werden soll.Das ist Sprachförderung. Das bedeutet ja nicht, dass es Extra-Klassen gibt. Sprachförderung ist ja auch ganz wichtig.
Das alles betrifft aber nur die Pflichtschule – was ist mit Minderjährigen, die über die Schulpflicht hinaus sind. Ich habe zum Beispiel einen getroffen, der 16 ist und in die HTL gehen möchte…Zum System gehört es auch, dass es spezielle Lösungen zu finden gilt, für Einzelfälle. Auch das gehört zum Know-How des Bildungssystems.