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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

2. 9. 2015 - 17:57

Sommertag in Belgrad

Der Park vor dem Busbahnhof ist voll mit Flüchtlingen, die es bis hierher geschafft haben. Mehr als tausend Leute sitzen hier rum. Männer, Frauen und Kinder suchen Rettung von der Hitze unter dem Schatten der Bäume.

Die Hitze in Belgrad im August ist kaum auszuhalten. Der Betondschungel der Großstadt lässt den Schweiß auf unseren Gesichter in salzigen Strömen herunterlaufen.

Unsere Freundin Maggi, die die Stadt kennt, zeigt uns Belgrads Sehenswürdigkeiten. Die Erste ist die Kafana „Zlatna Moruna“, wo Gavrilo Princip und seine Kameraden aus der serbischen nationalistischen Organisation „Die schwarze Hand“ das Attentat gegen den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand geplant hatten. Wir ziehen weiter zum Busbahnhof. Im Park dort will uns Maggi die Parkbank zeigen, wo sie mal geschlafen hat, nachdem sie mit der Slivovitza übertrieben hatte. Sie findet zwar die Bank, kann uns aber nicht zeigen, wie genau sie darauf geschlafen hat, denn da sitzen drei Männer, die eifrig auf Arabisch diskutieren.

Busbahnhof Belgrad

Stadt Belgrad

Eigentlich ist der ganze Park voll mit Flüchtlingen, die es bis hierher geschafft haben. Mehr als tausend Leute sitzen hier rum. Männer, Frauen und Kinder suchen Rettung von der Hitze unter dem Schatten der Bäume. Einige haben Decken ausgebreitet, andere liegen oder sitzen direkt auf dem Rasen. Viele schlafen, andere essen das, was freiwillige Helfer ihnen gebracht haben. Die ganze Szene ähnelt einen riesigen grotesken Picknick.

"Die armen Menschen!", seufzen meine liebe M. und ich fast gleichzeitig. Maggi hingegen sagt "Das arme Europa!" und schaut die Menschen im Park des Belgrader Busbahnhofs angeekelt an. Sie ist aus Bulgarien und lebt seit einem Jahr in der Schweiz. Sie hatte sich in einen Deutschen verliebt und ist in den Westen gezogen. Maggi ist eine Gegnerin der Massenmigration. Obwohl sie selbst Migrantin ist, hat Maggi wenig Empathie gegenüber "Menschen aus anderen Kulturkreisen". Die armen Westeuropäer hingegen, die von der "islamischen Horden überflutet werden", haben ihr tiefstes Beileid. Maggi hat die Seiten gewechselt.

Ich schaue mir die Menschen im Park an. Viele von ihnen werden es morgen in den Westen schaffen. Ob sie dann auch zu Migrationsgegnern wie Maggi werden? Ich habe keine Kraft mit Maggi zu streiten. Ich glaube, dass sich dieser Streit ohnehin die nächsten Monate, sogar Jahre hinziehen würde.

Kurz danach aber streiten wir aber doch. Maggi meint, dass wir uns nicht dafür zu schämen bräuchten, dass in der Schlepperbande, die für den Tod von 71 Flüchtlingen in Österreich verantwortlich war, vier bulgarische Staatsbürger waren. Laut ihr waren das Zigeuner, und die im Westen sollen lernen, dass Zigeuner keine Bulgaren sind. Die Tatsache, dass sie bulgarische Staatsbürger sind, kann man aber nicht leugnen. Ich weiß, dass Kriminalität keine Staatsbürgerschaft hat, aber ich schäme mich dafür und würde mich gerne entschuldigen. Aber bei wem?