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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

3. 9. 2015 - 12:39

Ein bisschen Glückseligkeit

Tame Impala haben drei der besten Rockalben der letzten Jahre veröffentlicht. Diese Woche spielten die Australier live in Berlin. Plus Konzertfotos.

Der Köder war eine australische Antilope. In gut einer Wochen findet erstmals ein Lollapalooza Festival in Berlin statt. Als Warm-Up präsentierten die Veranstalter die Psych-Popper Tame Impala. Am Ende eines langen, heißen Festivalsommers wollte man wohl zusätzliche Medienaufmerksamkeit für das Festival generieren. Es ist gelungen, wie man unschwer an diesen Zeilen erkennen kann.

Tame Impala sind einer der Headliner der deutschen Lollapalooza-Ausgabe. An diesem Dienstagabend spielten die Australier vor einer Crowd aus geladenen Industriemenschen, Presseleuten und Ticketgewinnern in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg. Das führte zu einigen lustigen Missverständnissen. „Wo ist denn hier die Gästelisten-Schlange?“, will eine junge Kollegin wissen. „Direkt vor dir“, lächelt der Security am Eingang und deutet auf die lange Polonaise, die sich über den großen Innenhof der Kulturbrauerei zog.

Mineralwasser statt Acid-Bowle

Später im Fotograben vor der Bühne: Ungewöhnlich die Kleidung der Soundmenschen und Stagehands. Sie tragen weiße Kittel, wie Chemiker bei einer Versuchsanordnung. Passt ja auch irgendwie zum psychedelischen Soundgemisch von Tame Impala, denkt man. Mit einem Acid Test der Abflugrichtung Ken Kesey hatten die folgenden Darbietungen aber eher wenig zu tun. Alles blieb in seiner Form an diesem Abend. Der Sound glasklar und perfekt. Jede Rückkoppelung, jedes Blubbern und Zischeln ein Hi-Fi. Sogar in den Songpausen, als die Gitarre von Frontmann Parker weitergrollte, klang das wie hingemalt auf eine Leinwand mit Rastervorgabe. Bis auf gelegentliche Ausritte des formidablen Schlagzeugers Julien Barbagallo und ein bisschen Haareausschütteln von Parker bewahrten auch die Körper der Tame-Impala-Musiker Haltung bis zur Erstarrungsgrenze. Die Australier servierten Mineralwasser statt Acid-Bowle und setzten auf Werkstreue statt Space-Jam.

Beim dritten Song "Let It Happen" dann doch etwas Bewegung: Parker klatscht in die Hände. Vor allem er selbst lässt sich davon nicht animieren. Wer seine Texte genauer liest, sollte aber auch eine Ahnung davon haben, dass der mit T-Shirt, Jeans und nackten Füßen bewaffnete Frontmann nicht gerade die Rampensau vom Dienst geben würde. Ein bisschen mehr Präsenz in den eigenen Songs, ein bisschen mehr Charisma und Engagement, ein bisschen mehr Iggy Bowie hätte man sich am Ende dieser nicht allzu langen Nacht aber doch gewünscht.

Das mit intensiv noch ziemlich milde beschriebene Farbenspiel der Lichtmaschinerie orientierte sich an der handelsüblichen Ästhetik von Drogenmusik. Kreisende Lollipops, kosmische Blitze und tanzende Leopardentupfer erweiterten immerhin den Bewusstseinszustand meines 50mm-Objektivs bis es irgendwann in die ewigen Jagdgründe einging.

Tame Impala live

Christian Lehner

Macht's gern mit nackten Füßen: Kevin Parker von Tame Impala

So blieb es bei einer etwas blutleeren aber perfekt ausbalanzierten und ausgeleuchteten Reise durch die drei bisherigen Tame-Impala-Alben. Überraschenderweise scheint sich Kevin Parker in den Songs des aktuellen Albums Currents (noch?) sehr unwohl zu fühlen, obwohl auch hier jeder Ton saß.

Einzig beim in Richtung Daft Punk abhebenden "Let It Happen" kam bei dem Mann mit der schmalen Gestalt und der Fransenfrisur so etwas wie Leidenschaft auf. In diesen Momenten ahnt man, was hier alles möglich gewesen wäre; immerhin haben Tame Impala drei der besten Rockalben der vergangenen 10 Jahre in den Kosmos entlassen. So gaben sich an diesem Abend die Akteure auf der Bühne und auch das milde wippende Publikum mit etwas Glückseligkeit zufrieden. Aber es gibt ja noch ein Festival, wo alles ganz anders kommen kann.