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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

1. 9. 2015 - 17:09

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 01-09-15.

Österreichs Fußball in Export und Wirtschaft: wenn es Kennzahlen an Vergleichbarkeit mangelt; und wenn das Merch fehlt.

#fußballjournal15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

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Die Kennzahl der letzten Tage war 75.
75 Millionen Euro.
Soviel ist Manchester City der belgische Assist-König Kevin De Bruyne, ein jungenhafter Blondschopf aus Gent, wert.

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Gestern Mitternacht war Nennschluss für die Herbstsaison 2015, beim bis 31. August andauernden Transfer-Fenster ging der Rollbalken runter (es gibt auch da Ausnahmen, in England etwa darf man auch heute noch, free agents sowieso immer, aber grosso modo...). Und ja, im durchaus wirtschaftskrisenbehafteten Europa gab es mehr Leihgeschäfte und ablösefreie Transfers denn ja - aber eben auch die völlig überteuerte Millionen-Deals mit allzu oft zweistelligen Summen. Immerhin: in Italien wurde das grenzwertige und viele Schlupflöcher öffnende System der Compropieta beendet.

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Auch deshalb sind die Kennzahlen, die aktuell herumschwirren, mit Vorsicht zu geniessen. Dass man in Portugal und Holland (Frankreich diesmal nur auf Platz 5) das höchste Plus gemacht hat, verwundert ebenso wenig (das sind einfach die fortgeschrittensten Ausbildungsligen) wie die Tatsache, dass die englische Premier League soeben mehr investiert hat als ihre direkte Konkurrenz, die deutsche und die spanische Liga zusammen (der neue TV-Vertrag stellt jedem englischen Klub nämlich einen tonnenschweren Geldscheißer in den Garten).

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Und auch die volltönenden Erfolgsmeldungen, die angesichts des Transfers der Rapid-Stürmers Robert Beric in die französische Liga jetzt wieder aufflackern, sind Strohfeuer. Die halbwegs objektivierten Kennzahlen der österreichischen Liga, was ihre Export-Fähigkeit betrifft, bleiben im Mittelmaß stecken. Dafür genügt ein (hier bereits vorweggenommener) Reality Check zur europäischen Zwischenbilanz der Vereine, aber eigentlich ja schon der Beric-Transfer selber: der Slowene verlässt einen Euro League-Teilnehmer für einen anderen, den österreichischen Tabellenführer für den französischen Siebenten. Soviel zur Wertigkeit der Bundesliga.

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Ins Ausland transferiert wurden...

Philipp Lienhart (Rapid -> Real Madrid, 0,8 Mio), Markus Suttner (Austria -> Ingolstadt, 0,7 Mio), Daniel Royer (Austria -> Midtylland, 0,7 Mio*), Dominik Wydra (Rapid -> Paderborn, 0,5 Mio*), Christoph Martschinko (Grödig -> Hoffenheim 0,5 Mio*), Marko Maric (Rapid -> Hoffenheim, 0,5 Mio), Konstantin Kerschbaumer (Admira -> Brentford 0,4 Mio*), Lukas Gugganig (RB Salzburg -> FSV Frankfurt, 0,4 Mio*), Stefan Posch (Admira -> Hoffenheim, 0,2 Mio), Dejan Sarac (Admira -> Lazio, 0,2 Mio*), Anel Jakupovic (Austria -> Middlesbrough, 0,15*), Orhan Vojic (LASK -> Wolfsburg, 0,15 Mio), Marco Kofler (Innsbruck -> Rostock, 0,025 Mio). Anm.: Die mit * gezeichneten Transfersummen sind geschätzt.

Dazu kommen Wechsel auf Leihbasis oder ablösefreie Übertritte von...
Stefan Ilsanker, Marcel Sabitzer (RB Salzburg -> RB Leipzig), Marco Djuricin (RB Salzburg -> Brentford), Heinz Lindner (Austria -> Eintracht Frankfurt), Sebastian Wimmer (Austria - > Wolfsburg), David Schloffer (Sturm -> Elversberg), Darko Bodul (Altach -> Dundee United), Ronald Gercaliu (Altach -> Tirana), Julius Perstaller (Ried -> Rostock), Emrah Krizevac (Ried -> Viktoria Berlin), Max Karner (Grödig -> Levski Sofia), Daniel Schöpf (Neustadt -> Regensburg), Stefan Peric, Danile Ripic (Liefering -> VfB Stuttgart), Stefan Petrovic (Liefering -> Zavrc), Stefan Savic (LASK -> Slaven Belupo), Niclas Hinterseer (Kitzbühel -> Unterhaching), Josef Höller (Anif -> Kirchanschöring), Florian Moritz (Voitsberg -> Viktoria Köln), Harisa Garagic (Donaufeld -> Banska Bystrica), Maurice Wunderli (Höchst -> Vaduz); Mario Schragl (RB Salzburg -> Dortmund), Tin Plavotic (Admira -> Schalke), Denis Omic (Ried -> Roma), Georg Feldschmied-Armstrong (Vorarlberg -> FC Mönchengladbach), Batuhan Karakas (Vorarlberg -> Villingen) Julian Schatzmann (Vorarlberg -> Eschen/Mauren), Leonardo Zottele (Vorarlberg -> Nürnberg), Maurice Mathis (Vorarlberg -> 18690 München).

Rückkehrer: Richard Strebinger (Werder -> Rapid), Lukas Spendlhofer (Inter -> Sturm), Christopher Drazan (Kaiserslautern -> LASK); Yasin Pehlivan (Erciyes -> RB Salzburg), Robert Almer (Hannover -> Austria), Kevin Friesenbichler (Benfica -> Austria), Daniel Sikorski (St.Gallen -> Ried), Christian derflinger (HSV -> Grödig), Alexander Schlager (RB Leipzig -> Grödig), Srdjan Spiridonovic (Vicenza -> Admira), Rene Gartler (Sandhausen -> LASK), Michael Lercher (Werder -> Innsbruck), Thomas Pichlmann (Grosseto -> Innsbruck), Pius Grabher (St.Gallen -> A.Lustenau), Leo Kaufmann (Cottbus -> Austria Salzburg), Hidejat Hankic (Boleslav -> A. Salzburg), Haris Bukva (Erfurt –> A. Salzburg), Christian Falk (Erfurt -> A. Klagenfurt), Mario Sara (Vaduz -> Ritzing), Serkan Ciftci (Otelul -> Rapid), Dominic Rass (Dyn.Dresden -> BW Linz), Danilo Duvnjak, Dominic Bauer (Burghausen -> Stadl-Paura), Michael Rauth (Morlautern -> Reichenau); Amadou Rabihou (Acri -> Traiskirchen), Daniel Hautzinger (Udinese -> Admira), Marcel Cerny (Twente -> Admira), Thomaz Klingl (Cruzeiro -> Adimra), Stano Lazovic (Burghausen -> Grödig), Florian Eres (St.Gallen -> Hohenems), Ibrahim Erbek (Diepoldsau -> Wolfurt) uam…

Und von wegen "Ausbildungsliga": erst an Stelle 3 im Ranking der besten Erlösbringer-Transfers taucht übrigens ein Österreicher auf. Selbst Salzburg ließ aus - was wegen des Aderlass im Winter und den vielen Geschenke an Leipzig nicht weiter verwundern darf.

An die 40 Österreicher (aus den vier obersten Spielklassen und dem Jugendbereich) haben in diesem Sommer den Weg ins Ausland genommen, mehr als 30 sind aus der Ferne wieder nach Hause gekommen. Die Heimkehrer haben (insgesamt) knapp über eine Million gekostet, die anderen offiziell fast 2,5 (inoffiziell wohl 6) Millionen gebracht. Weil aber die diversen neuen Legionäre zusammen gute 10 Millionen kosten durften, schreibt die Liga insgesamt trotzdem wieder ein Defizit.

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Von einer wohlstrukturierten Export-Offensive ist man recht weit entfernt. Immer noch erinnern einige Auslands-Transfers an Fluchten: Sebastian Wimmer oder David Schloffer, die Salzburger Nachwuchs-Hoffnungen Ripic und Peric, aber auch Daniel Royer wurden eher verjagt als verkauft. Dass so viele Kicker ohne Ablöse wechseln konnten, lag nicht nur am Salzburger Förderungs-Modell für Leipzig, sondern auch daran, dass heimische Manager den günstigsten Moment für den Verkauf eines Talents (dann, wenn es im Zenit eines guten Laufs steht) noch nicht erkennen und später, zu Vertragsende, um den Erlös umfallen.

Auf sechsstellige Summen kleinerer Natur kommen abgesehen von den vier Großen (wobei Sturm in diesem Sommer genau nichts lukrierte) nur Vereine mit funktionierender Jugend-Abteilung wie die Admira (Sarac, Posch, Kerschbaumer). Darunter muss mit Leih- und Naturalien-Geschäften gearbeitet werden, da geht es Europacup-Starter Altach nicht viel anders als dem Landesliga-Verein.

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Die Jugendspieler-Transfers werden wiederum gern von den Präsidenten Rinner/Windtner bejammert. Gestern wieder vom ÖFB-Chef. Nur Minuten nachdem er von Österreich als Ausbildungsland gesprochen hat. Dass dies keine Beschreibung des Status Quo, sondern nur ein hehres Ziel ist, genau das zeigt die genauere Untersuchung der Transfer-Kennzahlen.

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Ich erwähne das deswegen so potschert-explizit, weil auch der Anlass, für den Windtner die Medien zusammentrommelte, die Präsentation von einem Haufen anderer (wirtschaftlicher) Kennzahlen war: der Studie Wirtschaftsfaktor Fußball in Österreich.

Der ÖFB ließ da untersuchen, was der Fußball an Wertschöpfung, fürs Bruttoinlandsprodukt, den Arbeitsmarkt, die vorgelagerten und nachrangigen Branchen leistet, und erhob Daten zur ersparten Gesundheitsvorsorge, den ehrenamtlich-gemeinnützigen Tätigkeiten bis zur Integration. Und tatsächlich schürft Sports Econ Austria beeindruckende Zahlen heraus: 21.000 Beschäftigte, Personalkostenersparnis von 150 Millionen, fast ebenso viel spart sich das Gesundheitssystem etc.

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Wofür braucht der Fußball-Verband diesen Aufmarsch der Charts und Fakten? Dafür als gesellschaftlicher Faktor ernst genommen zu werden, wenn es um Förderungen oder Budgetkürzungen durch Staat oder Länder geht. Sagt Windtner; und redet - wie in diesem Zusammenhang oft und viele - einen Gegensatz zur Kulturförderung herbei. Der Sport versucht aus seiner Defensiv-Position herauszukommen, der - als Proletensport abklassifizierte - Fußball hat da besonders viele Minderwertigkeits-Komplexe aufzuarbeiten, dabei sollen jetzt eben die Codes der Managersprache helfen.

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In jedem Fall ist die Übung gelungen. Zwar wurde nicht unkritisch nachgefragt (hier die PK in voller Länge), zum Großteil folgen die Sportfachredaktionen aber dem Präsidenten, sie copypasten brav.
Man (etwa die Krone) übernimmt sogar die mißverständlich Formulierung, dass die Zahl der vom Fußball gesicherten Arbeitsplätze so hoch wäre wie die Einwohnerzahl der Städte Kapfenberg, Fürstenfeld oder Tamsweg. Dass in den beiden letzten Fällen die Bezirke gemeint sind, fiel in Vorlage und "Bericht" unter den Tisch.

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Und damit sind wir schon beim Kernproblem des Zahlensalats: der inexistenten Vergleichbarkeit. So gut wie kein Fakt wird in eine sinnhafte Relation gesetzt, egal ob im internationalen oder im innerösterreichischen (Sport-)Vergleich. Zum einen, so die Studienleiterin Anna Kleissner, gibt es keine vergleichbaren Erhebungen in anderen Ländern, zum anderen hätten sich die Kennwerte im Vergleich zu einer Vorgängerstudie (von 2010) drastisch geändert (und der einzige verbliebene Vergleich, der des Publikumszuspruchs fällt nicht so doll aus). Dazu bleiben auch noch die Vergleiche mit anderen Branchen im luftleeren Raum hängen. Oder verflüchtigen sich: im Unterkapitel Innovation werden die mit Fußball in Zusammenhang bringbaren Patente gezählt. Da liegt Österreich weltweit auf Platz 26; wie sich herausstellt allerdings nur mit Meldungen "im einstelligen Bereich".

Dazu kommen seltsame statistische Brüche - im Folder gibt es Mitglieder-Charts, in denen die 1. Liga die Bundesliga in vielerlei Hinsicht überragt, was an Fallzahl und (fehlenden) Rückläufen liegt - also erst gar nicht verallgemeinert hätte dargestellt werden dürfen.

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Bedeutsamer als die fehlende Interpretation und die Einordnung von Fakten (das wäre ja dann auch Aufgabe eines kritischen Wirtschaftsjournalismus) sind jedoch die (bewussten?) Weglassungen. Der Begriff Merchandising kommt in der Studie kein einziges Mal vor.

Nicht dass ein von den Herrschen von Abu Dhabi geführter Verein wie Manchester City davon abhängig wäre, aber: einen fetten Teil der Ablösesumme für Herrn De Bruyne werden sie durch den weltweiten massenhaften Verkauf seines Trikots wieder hereinspielen. Die Erlöse aus dem Merchandising sind auch für die Vereine von Messi oder CR7 oder WM-Torschützenkönig James Rodriguez ein bedeutender Faktor. Bei Bayern München etwa machen die Merch-Gewinne fast soviel wie die Sponsorengelder und fast das Doppelte der TV-Gelder aus.

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In Österreich kommen Rapid, die Austria und Sturm auf kleine feine Summen - der ÖFB hat bis dato völlig ausgelassen, die Schuld ist beim zuständigen (bald pensionierten) Generaldirektor zu suchen. Dass das Merchandising und sein finanzielles Potential in der vom ÖFB beauftragten Studie zur Wirtschaftlichkeit des Fußballs dann gar nicht vorkommt, hat zwar eine gewisse Logik, teilentwertet den Bericht dann aber auf traurige Weise. Und zeigt auch an, warum die öffentliche Hand den Sportbereich bis dato weniger ernstnimmt als seine Mitbewerber.