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Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

Politik, Alltägliches und andere Kuriositäten.

1. 9. 2015 - 11:17

InDignity: Auf der Suche nach Würde

Sie kommt aus einem der reichsten Länder der Welt, er kommt aus Syrien. Gemeinsam haben Gloria und Hussein eine Perfomance kreiert, die am Forum Alpbach Premiere feiert: InDignity. Hussein geht bald wieder nach Syrien zurück. Aber warum?

Die „Flüchtlingskrise“ ist am Europäischen Forum Alpbach ein allgegenwärtiges Thema. Auch Hussein Khaddour und Gloria Benedikt werden dieses Thema aufgreifen – jedoch ohne Worte. InDignity heißt ihre Tanz-Perfomance, die in Alpbach das Programm der Politischen Gespräche ergänzt.

In Dignity

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"Wir dachten uns, dass wir uns auf die Suche nach Würde begeben sollen, weil ich in einem der reichsten Länder der Welt lebe und Hussein in einer der gefährlichsten Regionen der Welt lebt", erklärt die Choreographin. Gemeinsam wollten sie erfahren, was Würde bedeutet.

Hussein Khaddour kommt aus Homs. Seit 2013 lebt er in Damaskus - er musste aus seiner Heimatstadt fliehen. Seit er 13 Jahre alt ist, tanzt er. Begonnen hat er damit auf den Straßen von Homs, die heute weitgehend zerbombt sind.


"Hast du einen Termin, darfst du reisen."

Immer wieder reist Hussein nach Europa, um an Workshops teilzunehmen, um zu lernen, um neue Inspiration zu sammeln. Das erste Mal war er 2013 in Amsterdam. Durch ein Stipendium durfte er dort hin. Was viele nicht verstehen: Obwohl in seiner Heimat Krieg herrscht, kehrt Hussein immer wieder zurück nach Damaskus.

Wer nun glaubt, dass es so einfach sei, von Syrien nach Europa zu kommen, der irrt. Nicht umsonst nehmen viele den riskanten Weg über das Mittelmeer mithilfe von Schleppern nach Europa. Um an ein Visum zu kommen, muss man zunächst nach Beirut reisen, da der Libanon das einzige Nachbarland ist, das noch offene Grenzen hat.

Das gestaltet sich für Leute, die in von Rebellen eroberten Gebieten leben häufig schwierig bis unmöglich. In Beirut ein Visum zu bekommen, gleicht außerdem einer Lotterie und ohne gültiges Visum endet die Reise spätestens am Check-In am Flughafen. Fluglinien dürfen nämlich keine Passagiere ohne Visum an Bord lassen. Tun sie das trotzdem, riskieren sie empfindlich hohe Strafen.

"Viele Studenten haben den Traum, im Ausland ihr Studium zu beenden, aber nicht jeder hat Glück. Man muss bei jedem Versuch das Land zu verlassen mehrere Hundert Dollar hinblättern. Bei manchen sagen sie ja, bei den meisten nein." Hussein hat Glück. Als Künstler in Damaskus darf er bei Terminen verreisen.

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"Such dir aus, wie du sterben willst"

Doch Normalität herrscht auch in der Hauptstadt Damaskus nicht. Stromausfälle sind Alltag und seit einiger Zeit sterben viele Kinder an verschmutztem Trinkwasser - als ob die vielen Kriegsopfer nicht schon genug wären.

"Es gibt so viele Wege in Syrien zu sterben", sagt Hussein. Viele Leute würden makabre Witze machen und sagen: "Du kannst es dir aussuchen, ob du im Meer stirbst, an verseuchtem Wasser oder vom IS umgebracht wirst." Es ist beklemmend, wenn der syrische Tänzer vom Alltag in Syrien erzählt und wie die Menschen ihn verarbeiten.

Unfreiwilliger "Gastauftritt"

Die Tragödie von vergangener Woche, als auf der A4 bei Parndorf 71 Flüchtlinge in einem Laster erstickt sind, wurde unfreiwillig in die Performance eingeflochten. "Wir hatten gerade eine Probe, als wir die furchtbare Nachricht gehört hatten, was passiert ist. Ich hab plötzlich realisiert, wie etwas, das wir in unserer Performance ansprechen, Realität wird. Als ich am Boden gesessen bin, weinte ich und jemand fragte: 'Gehört das zur Performance?' Ich sagte: 'Nein, das ist gerade so passiert.'"

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Hoffnung im Gepäck

Mitte September wird Hussein wieder nach Syrien zurückreisen. Doch warum bleibt er nicht einfach in Europa? Das fragen sich sogar seine Freunde in Syrien. "Ich will den Menschen in meiner Heimat eine Stimme geben. Auch in schwierigen Zeiten und im Krieg darf man Träume haben", ist der Tänzer überzeugt.

Hussein will sein Leben nicht von diesem Krieg bestimmen lassen, sondern seine Energie und Hoffnung durch seine Kunst an die Menschen in Syrien weitergeben.