Erstellt am: 31. 8. 2015 - 15:11 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 31-08-15.
#außendarstellung #medienreflexion
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Es war letzte Woche, als die Ergebnisse der hervorragenden Recherche von Evelyn Kanya und Alexandra Siebenhofer publiziert wurden: in einem Reality Check hatten die beiden die Polizei-PR mit der Wirklichkeit abgeglichen und dabei einerseits die Delikte, von denen man nichts hört und andererseits die Relation zwischen oft passiert und gern ausgesendet offengelegt.
Nicht dass dabei Unerwartetes herausgekommen wäre. Dass die Polizei (im konkreten Fall geht es zwar um Wien, aber letztlich lassen sich die Verhaltensweisen durchaus hochrechnen) gern Erfolge in punkto Drogendealerjagd, Razzien oder Juwelierüberfall herausstreicht und sich bei komplexen Themen wie Hatecrime oder Vergewaltigung schamvoll zurückhält, ist angesichts ihrer Verfasstheit logisch. Auch die Polizei besteht aus Menschen, verstärkt aus gern besorgten Bürgern, noch dazu mehrheitlich solchen, die bei Personalvertretungswahlen rechtspopulistisch votieren. Wer inhaltlich nahe an der FPÖ oder der Kronen-Zeitung (die ihre unverpixelten Bilder aus dem Hyza-LKW nur direkt von der Polizei erhalten haben konnte - was jetzt die Staatsanwaltschaft auf den Plan ruft) dran ist, der wird seine PR auch dementsprechend gestalten.
So gesehen ist der Polizei kein weiterer Vorwurf zu machen - außer eben dem, dass sie in ihrer ideologischen Grundeinstellung derzeit so ist wie man ist.
Denn jeder Institution steht es logischerweise frei und zu, sich (im Rahmen einer gewissen Transparenz; und die existiert ja, der prinzipielle Datenzugang ist gegeben) in einem (selbst)gefälligen Licht zu präsentieren.
Es gibt zudem ja eine andere Institution, die dafür zuständig ist, dass die selbsterstellten Bilder aller Institutionen, egal ob Regierende oder NGOs, staatsnahe oder staatsferne Betriebe einer relativierenden Kontrolle unterzogen werden. Das sind die Medien.
Insofern ist der mediale (in diesem Fall zwar nur leise, aber doch auch) empörungsbewirtschaftende Aufschrei über die Schlechtigkeit der Welt, ein Schuss ins Knie. Weil die Empörung eigentlich einen anderen Adressaten braucht: die Medien.
Sich über die PR-Tätigkeit einer PR-Abteilung zu echauffieren ist, auch wenn es sich um die PR-Abteilung einer staatlichen Institution handelt, überaus grotesk.
Das von Kanya/Siebenhofer aufgedeckte Problem ist nicht in erster Linie eines der Polizei - die ist in erster Linie für die Verfolgung, und erst in weiterer untergeordneter für die Darstellung zuständig - sondern eines der Medien, die ihrer Aufgabe (eben die der relativierenden Darstellung) nicht nachkommen, und (gern blind) die PR-Aussendungen der Polizei copypasten.
Das ist keine Ausnahme-Situation, sondern schlichte Normalität. Da die PR-Bereiche aller Institutionen, bis hin zu kleinen Verbänden und vereinzelten Interessensvertretern aktuell deutlich besser (personalintensiver, bezahlungshöher) aufgestellt sind als der durchschnittliche (krisengeschüttelte) Journalismus, ist diese einstmals verpönte Vorgangsweise mittlerweile normal. Im Wirtschaft- und im Sportjournalismus sowieso, im Kultur- und im Chronik-Journalismus auch, und selbst in den bis vor kurzem diesbezüglich wehrhaften Polit-Journalismus lappt diese Unsitte bereits hinein.
Und letztlich gibt es daraus auch kein Entkommen. Das zeigt der vorliegende Fall des Blutflocki-Journalismus. Denn: es gibt nur zwei Chancen aus dem PR-Duktus rauszukommen. Entweder die Reporter rücken in Florian Klenk/Max Winter/Egon Erwin Kisch-Manier aus, und lässt sich auf ein Thema ein, bilden in einem kleinen Kriminalfall die große soziale Realität ab oder sie verbünden sich mit der Polizei, den unteren Chargen oder den Bossen, um an (unlautere) Informationen, bewusste Fotos, Razzia-Termine, bei denen man dann zufällig anwesend ist etc. zu kommen. Entweder man bettet sich in das Umfeld der Geschehnisse ein, wird zum Chronisten des Alltags oder man endet als embedded journalist, als medialer Handlanger der Polizei.
Ersteres wird nicht nur durch die Faulheit des Handelns und Denkens, sondern durch die Angst der Chronik-Chefs vor zu viel Eigenständigkeit unterbunden. Zweiteres ist so widerlich, dass ich das Copypasten der Polizei-Bericht als geringeres Übel ansehe.
Als ich (und jetzt erzählt Papa von früher, ich weiß eh, aber es ist einfach zu plastisch...) als unterster Ferialpraktikant von links bei der Tageszeitung war, gab es noch keine vereinheitlichte Polizei-PR und deshalb eine Liste von 18 Telefonnummern (eine Landespressestelle und der Landespolizei-Jurist), die Neulinge wie ich zweimal im Tag durchzutelefonieren hatten. Was man dort erfahren konnte, tickerte oft erst Stunden später (der Amtsweg) über die APA, und so ein selbstertelefonierter Bankraub in der Südsteiermark konnte (ein paar weitere Anrufe bei der lokalen Dienststelle und vielleicht auch beim Filialleiter vorausgesetzt) dann schon einmal einen Zweispalter und entsprechendes Zeilen-Honorar bringen. Weshalb man diese Recherche-Anrufe auch ernstnahm.
Und noch was kam dabei herum: ein tägliches Reinhorchen in die regionalen Befindlichkeiten, ein Kennenlernen der freundlichen und hilfsbereiten Seite der Polizeimenschen ebenso wie das der (schon in den Worten spürbaren) Abgründe. Mein Bild der Polizei ist von diesen Telefonaten dieser beiden Presse-Sommer geprägt. Und es ist ein vielschichtiges, alles umspannendes, eines in dem sich die Polizei so präsentierte wie der Querschnitt eines Landes halt so ist: normal und unaufgesetzt.
Auf dieses Bild verzichtet die Polizei mit ihrer straff zentralisierten PR freiwillig. Unverständlicherweise.
Stattdessen lässt man sich von glatten, bemüht nach der Schrift sprechenden Worthülsenausblasern vertreten, nach außen, ohne Abweichung, ohne Nuancierung. Und ist nach jeder weiteren Kommunikationspleite immer aufs Neue verwundert über ein allzu einheitlich-negatives, und wenig nuanciertes Bild.
Es ist also eine lose-lose-Situation.
Auf der einen Seite eine Polizei, die glaubt dass Außendarstellung durch Straffung, scheinbar mediengerechte Vereinheitlichung und De-Nuancierung gewinnt.
Auf der anderen Seite Medien, die es verlernt haben hinter die Aussendungs-Wahrheiten zu schauen und sich maximal in einer unwürdigen Hilfssheriff-Rolle sehen.
Beide werden sich nicht bewegen; können.
Und es ist dieses Dilemma innerhalb eines umfassenderen Spannungsfelds, das Evelyn Kanya und Alexandra Siebenhofer mit ihrem schönen Stück Datenjournalismus in Wahrheit bloßgelegt haben.