Erstellt am: 30. 8. 2015 - 13:53 Uhr
Langen Schweigeminuten?
Die neuen Veranstalter des Nuke, die Arcadia-Live, haben vieles bedacht. Vor The Parov Stelar Band ist die Sonne untergegangen, es ist noch nicht dunkel am neuen Festivalort, dem Grazer Messegelände. Eigentlich ist Umbaupause nach Cros Auftritt und plötzlich kommen alle Auftretenden des Festivals auf die Bühne. Auf den Vidiwalls seitlich der Bühne wird die Schlussrede aus Charlie Chaplins "Der große Diktator" gezeigt, übertitelt mit "#refugees welcome". "Der Veranstalter hat uns gebeten, ein paar Worte zu sagen..." Eine Schweigeminute folgt für die 71 Menschen, die in einem Lkw auf ihrer Flucht starben.
Deutlicher wurden die zwei Frauen im Line-up. Mono wünschte sich laut, dass „diese Krankheit Rassimus endlich endet“ und Cleo Panther von der Parov Stelar Band erklärte: Kein Mensch ist illegal. Denn es dauert, bis die Aufmerksamkeit der BesucherInnen bei der Schweigeminute ist. Gedenken: ja und unbedingt. Doch der "Vorfall" im Burgenland sollte nicht isoliert betrachtet werden. Täglich sterben Menschen an den europäischen Außengrenzen. Schweigeminuten langen längst nicht mehr. Sie könnten/sollten im Idealfall einhergehen mit der Möglichkeit zu handeln. Und sei es nur, statt einem weiteren gekauften Getränk diese Euros zu spenden. Dann haben Flüchtlinge tatsächlich was von meiner eigenen Trauer und Unbedarftheit, diese Zustände zu fassen.
Wobei: Am Nuke konnte man spenden, für die Arbeit des Vereins "Viva con agua", der Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitärversorgung ermöglichen will. Weit musste man am Festivalgelände nicht schauen, bis man ein Produkt entdeckt, das zu einem Viertel Nestlé und zum Rest einem anderen Giganten gehört, der es auch nicht so mit Wasser für alle hat. Die Welt ist ein großes Nebeneinander.
Gratis Trinkwasser war indes am Gelände eine heiß gesuchte Sache, die Securitys wiesen den Weg zu den Wasserstellen. Bei der Eingangskontrolle von Personen im Rollstuhl würde man sich wünschen, dass die mitgebrachte Wasserflasche mit auf's Gelände genommen werden könnte. Es war ein riesiges, freudiges Gewusel mit 25.000 BesucherInnen.
Acoda
Trompete, Saxophon und Geige von der Parov Stelar Band meistern nach der Schweigeminute den Schritt zurück zu Beats, Vocals und Abdriften in Musik. Swing war immer auch Widerstand. Einer der schönsten, kleinen Momente des Nuke war, wie der Besucher mit Cro-Panda-Maske im Publikum mit einem Mädchen auf den Schultern ihres Papas highfivt.
High-five mit der Panda-Gang
Radio FM4
Jung ist Cro und auch schon acht Jahre im Musikzirkus, erzählt er. Mit seinen einfachen - und das ist nicht abfällig gemeint - Liedern über Freundschaft, Schwärmen und Lieben ist er am Nachmittag der Liebling aller zwischen acht und 48. Die Interaktion mit seiner "Gang", mit seinen drei Musikern und dem Publikum, ist mit der ersten Ansage aufgebaut. "Alle, alle Hände hoch", springen, dann nochmal die Hand hoch, wer Single ist, und den nächsten Single umarmen oder küssen. "Junge und Junge geht nicht", kommentiert Cro von der Bühne, "obwohl: Mach'!". Zwischendrin setzt er sich einfach mal an den Bühnenrand, lässt die Beine baumeln und rappt "Hey Girl".
Kurz scheint es kaum vorstellbar, dass sich in diesem großen Publikum Moshpits überhaupt bilden könnten. Doch Cro wünscht sich genau das und zählt schon ein für "Rockstar".
Für das Erinnerungsfoto ans Nuke zeigen alle auf Cros Wunsch die Mittelfinger. "Ganda Pang" blinkt auf einem seiner Screens auf, die der 25jährige Deutsche für sein Bühnenbild zusätzlich zu den Screens seitlich der Bühne mitgebracht hat.
Acoda
Radio FM4
Vieles bedacht, gerne wieder
Das Nuke auf dem Messegelände hat einen Design/Handwerksmarkt und einen "Food Market" im überdachten Bereich, einige Palettenmöbelecken mit Pölstern zum Ausruhen. Es gibt eine Hupfburg eines Unterwäscheherstellers. Baukräne umrahmen das Areal. Von den neuen Wohnbauten um das Messegelände haben zukünftige BewohnerInnen auf ihren Balkonen direkten Ausblick auf das Gelände. Das Nuke wird kommendes Jahr eine Fortsetzung finden und zum Zwei-Tage-Festival.
Diesmal ist es neun Open-Airs in einem, mit Spielzeiten von einer guten Dreiviertelstunde hört man tatsächlich Konzerte. Wanda-Sänger Marco soundcheckt gleich mit Unterstützung des Publikums. Beim Konzert überholen ihn die Fans ständig um Textzeilen. "Ich muss das Lied anfangen, Baby, sonst kennt sich keiner aus". Lustig ist das trotzdem. Zwischen Wanda und Bilderbuch muss sich hier niemand entscheiden, beide spielten. In Österreich habe er noch nie vor so vielen Leuten gespielt, freut sich Maurice Ernst und wünscht sich wie Cro Wasserschlangen von der Bühne für das Publikum. "Was is', Nuke? Ausverkauft sein, aber keine Wasserschlangen?"
Acoda
Music monks, ride again!
"Macht was aus eurem Leben" und "Mischt euch ein, kein Politiker macht was von alleine perfekt", gibt Peter Fox dem Publikum mit auf den Nachhauseweg am Ende des Nuke Festivals gestern Abend in Graz. Mit seinen Kollegen von Seeed hat Peter Fox die Riesenbühne in der Freiluftarena der Messe eingenommen.
Radio FM4
Die elf Herren tragen Anzüge. Hits haben sich angesammelt, seit Seeed vor vierzehn Jahren mit "Dickes B" starteten, und diese Hits purzeln in diesem Konzert nur so durcheinander in Remix-Versionen und mit eingestreuten Reggae-Klassikern. "15.000 Mal geiler als das Original", wird sich nicht nur ein Besucher freuen. Bevor der Viervierteltakt einen allzu sehr einlullt und sich der Körper allzu lange wiegt, switchen Seeed zu "Dancehall Caballeros". Toll.