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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

29. 8. 2015 - 07:24

"Summers almost gone"

... sagt wie jedes Jahr der Gürtel Nightwalk, mit Lieblingsbands und neuen Veranstaltungsorten.

Das Ende des Wiener Sommers markiert traditionell der Gürtel Night Walk. Hitzewellen und nur blöd im Schanigarten Hocken, damit ist jetzt Schluss, jetzt werden wieder Gigs besucht und Nächte durchgetanzt. Und dieser Indie-Jahrmarktsmeile läutet dies ein.

Los geht's

Kopfende dieses bemerkenswerten Aufmarschs ist die traditionelle Eröffnungsstätte, die Hauptbibliothek am Urban Loritz Platz, Fußende das altgediente B72. Dazwischen kann man sowohl die Üblichen als auch die Verdächtigen spielen sehen, der Nightwalk ist eine Art Werkschau der Wiener und österreichischen Szene mit Schwerpunkt auf - im weitesten Sinn - Indie Bands und Tanzvergnügen. Anders als der Name suggeriert, ist es mit dem Herumspazieren zwischen den Lieblingsbands so eine Sache, Die Lieblingsbandkonzerte werden dermaßen voll sein, dass man sich noch einen zweiten Matchplan zurechtlegen sollte. Man sollte sich also früh entscheiden und möglichst wenig wandern, ist leider so - und mit ein wenig musikalischem Erweiterungswillen gibt es da Erstaunliches zu entdecken, optisch wie musikalisch. Und vor den Mädchentoiletten bilden sich Schlangen, während die Bäume selbst zu Herrentoiletten werden.

Heuer spielen wieder eine beachtliche Menge an Lieblingsbands des Jahres 2015: Catastrophe & Cure, aexattack, Olympique, Mile me Deaf, Sex on the Beach, Tini Trampler und ihre Playbackdolls, Das erste Wiener Heimorgel Orchester, Hella Comet, Wild Evel, und und und … und alle diese in B72, Chelsea und Rhiz.

Der Spaß beginnt mit dem überaus virtuosen und grandiosen Duo Wiener Blond, das heuer im Februar mit dem Album "Der letzte Kaiser" und seiner Mischung aus Gstanzln, Couplets, Rap, Beatboxing und was weiß ich noch alles auf die ÖsterreicherInnen losgelassen hatte, mit teilweise bösartigen, teilweise zu lustigen, sehr oft sehr scharfsinnigen Texten in der Tradition der Wiener Alltagspoeten a la Konrad Bayer, die sich auch vor Attwenger oder Rainald Grebe nicht verstecken müssen. Wiener Blond sind der Opener auf der Hauptbühne.



Wenn man – anders als ich – nichts gegen Instrumetalvirtuosen, ausdrucksstarke Stimmen und Arrangements von gravitätischer Werktreue, die mit "musikalischem Humor" aufgebrochen werden, hat, kann man im Loop den Reinhardt/Grappellifans von Gewürztraminer auf die Griffhände schauen und einer hochkonzentrierten Band namens "Gospel Dating Service" dabei zuhören, wie sie sich an durchaus artgerechtem Geschmackvollpop versuchen, der Keane oder die Future Islands zu lieben scheint.



Im Weinlokal Weberknecht erwartet einen ein gut kuratierter, wertkonservativer Abend, mit mehrheitlich Verliebtenschwelgmusik von Painted on Silent Blue, mit der Gitarristin Cuchie in the Box, die tatsächlich in einer Kiste auftritt, mit dem sehr guten Sänger Johnny Falter, oder mit dem Hipsterwitzemann als neuer bester Freund, Onk Lou & The Better Life. Ohne sich von der Stelle zu rühren, bekommt man hier das ganze Spektrum jungen, traditionsfreundlichen Indie-Musikschaffens der Stadt serviert.



Und es gibt auch eine neue Venue: Direkt neben dem Rhiz hat im Sommer der Kramladen aufgesperrt, ein schön renovierter neuer Club mit ambitioniertem DJ- und Konzertprogramm (die hatten etwa im Juli die Fat White Family eingeladen). Dort spielt die gitarrenlose Rockband Captain Knife, die vor allem dafür bekannt wurde, das ihr Sänger im Tom Waitshaften "Cookie Monster Growl"-Tonfall zu Streichquartett-Rockgroove singt - keine Angst, das klingt besser als diese Beschreibung.



(PS in eigener Sache: Im Kramladen wird ab September der wöchentliche Quizabend "Die Rübe" stattfinden, bei dessen Planung und Präsentation der Autor dieser Zeilen ein schweres Wort mitzureden haben wird.)