Erstellt am: 29. 8. 2015 - 15:04 Uhr
Ein Sommer wie damals
In Awago Beach ist die Welt noch in Ordnung. "Seit eigentlich schon immer" fährt die 13-jährige Erzählerin Rose mit ihren Eltern an den See. Dort trifft sie alle Jahre wieder auf Windy, ihre Sommerfreundin. Da wird geschwommen und geplantscht, gegrillt, gelesen, geschaukelt und gelacht. Steine und Krimskrams werden gesammelt, Sandburgen gebaut und planlos mit dem Fahrrad die Welt erkundet.
Mariko und Jillian Tamaki/Reprodukt
Mariko und Jillian Tamaki/Reprodukt
In diesem Sommer aber kommt die Stimmung nicht so in die Gänge – einiges ist anders.
Die Eltern von Rose streiten, ihre Mutter ist äußerst passiv und teilnahmslos und der Vater fährt für ein paar Tage weg.
Mariko und Jillian Tamaki/Reprodukt
Windy ist ihr häufig mit ihren "Wihitzen" und Spielereien zu kindisch, dafür interessiert sie der fast schon erwachsene Verkäufer vom Kiosk. Schüchtern, aber fasziniert, beobachtet Rose die flirtenden Dorfjugendlichen. Schnell ist ihr etwas peinlich, während die um eineinhalb Jahre jüngere Windy noch ein unschuldiges, direktes und quirliges Kind ist.
Rose schwebt in diesem schwer definierbaren Zustand zwischen Kindheit und Pubertät und Windy muss mehr oder minder gerne bei vielem mitziehen.
Mariko und Jillian Tamaki/Reprodukt
Statt Zeichentrickfilmen schauen die beiden Horrorfilme – und machen sich dabei fast ins Hemd.
Statt einer Sandburg wird einfach planlos ein Loch gegraben – immerhin ideal, um sich darin zu verstecken.
Und dennoch gibt es die Momente, in denen die unendliche Freiheit und Unbekümmertheit der Kindheit alles bestimmt.
Das spiegelt sich beeindruckend in den wunderschönen blauen Tuschezeichnungen. Etwa die Szenen beim Tanzen oder Schwimmen. Diese Zeichnungen, die sich oft über mehrere Seiten strecken, wirken ansteckend begeisternd und unbeschwert.
Mariko und Jillian Tamaki/Reprodukt
Der Comic spricht aber auch ernste Themen an, wie Adoption, Schwangerschaft oder Fehlgeburten.
Es sei ein feministisches Buch, meint die Autorin Mariko Tamaki. Und zwar schon deshalb, weil es von Feministinnen geschrieben wurde.
Reynard Li
Mariko und Jillian Tamaki: "Ein Sommer am See". Aus dem Englischen von Tina Hohl, Handlettering von Michael Hau, Reprodukt 2015.
Gemeinsam mit ihrer Cousine Jillian Tamaki hat sie "Ein Sommer am See" geschrieben bzw. hat letztere gezeichnet.
Es ist nach "Skim" die zweite mehrfach ausgezeichnete Arbeit der beiden aus Kanada stammenden Künstlerinnen.
Ein Sommer am See.
Ein Sommer wie damals.
Ein Sommer, den man nur einmal erleben kann.
Ein Sommer, in dem man sich unbewusst von der Kindheit verabschiedet.
Sensibel, sentimental, schön.