Erstellt am: 25. 8. 2015 - 17:04 Uhr
Warten auf Karten
566 verschiedene Karten gibt es bereits, und das schon bevor gestern Abend die neue Erweiterung "The Grand Tournament" mit nochmal rund 130 neuen Karten erschienen ist. Ich kenne alle 566 "Hearthstone"-Karten und ihre Relevanz in- und auswendig, was einerseits gut ist, weil das tiefe Eintauchen in ein Spiel eine besondere Qualität mit sich bringt. Andererseits sind die beinahe schlaflosen Nächte der letzten Monate, die dank "Hearthstone" entstanden sind, nicht mehr an einer Hand abzuzählen. Der Vorteil: Ich bin nicht alleine mit meiner Leidenschaft. Im Gegenteil: Im Mai hatte das Online-Kartenspiel 30 Millionen User vermeldet, und mittlerweile sind es bestimmt noch mal die eine oder andere Million mehr. "Hearthstone" kratzt mit seinem großen Erfolg, auch im E-Sport-Bereich, mittlerweile sogar an der verblüffenden Popularität des MOBA-Genres, also an Titeln wie "DOTA 2" oder "League of Legends".
Packs öffnen
Das Gesamterlebnis von "Hearthstone" bietet ein ungewöhnliches Gemisch an Elementen, das von Logik und Konzentration bis hin zur Ausschüttung von Glückshormonen reicht, die man von Einarmigen Banditen kennt. Zur letzten Kategorie gehört neben diebischer Freude, wenn manche zufälligen Elemente im Spiel zu eigenen Gunsten ausgehen, vor allem das Öffnen der sogenannten Card Packs. "Hearthstone" ist ein Sammelkartenspiel (Vorbild: "Magic The Gathering"), und Karten bekommt man, indem man diese Packs kauft - um gesammeltes Spielgold oder echtes Geld. In jeder Kartenpackung sind zumindest vier Karten der Kategorie "gewöhnlich" drinnen und eine, die "rar" ist. Wirklich interessant sind natürlich nur jene, die "episch" oder "legendär" bzw. möglicherweise auch noch vergoldet sind. Die bekommt man selbstverständlich besonders selten zu Gesicht beim Öffnen der Packs.
Blizzard Entertainment
Gestern Abend war nun jener Tag gekommen, an dem die zweite große Erweiterung des Spiels erscheint: Die 132 neuen Karten von "The Grand Tournament" werden die altbekannten "Hearthstone"-Strategien nicht komplett durcheinanderwirbeln, aber das Game doch merkbar verändern. Alle eingefleischten Spieler/innen fiebern auf so einen Moment natürlich hin: Man konnte deshalb schon vorab ein Paket von 50 Kartenpacks (um rund 50 Euro) kaufen. Die blieben dann aber vorerst eingepackt und haben in Form einer kleinen Animation voller Erwartung nur mal vor sich hingewackelt.
Am 24. August um 19 Uhr war dann aber endlich die Zeit des großen Öffnens gekommen. Eine Weile konnte man wegen der vagen Angaben des Spielherstellers Blizzard Entertainment nur mutmaßen, wann genau die Erweiterung nun genau online geht. Doch als bei mir zum ersten Mal in einem regulären Spiel neue Karten aufgepoppt sind, war klar: Das ist der Moment. Der Moment, an dem erst mal alles stillstehen würde.
Online-Verstopfung
Für mich, der ich schon ziemlich lange Computer- und Videospiele spiele und ihre Kultur verfolge, ist ein reines Online-Game immer noch eine etwas seltsame Sache. Früher wurden Spiele einfach entwickelt und ausgeliefert - alle Fehler, die drin waren, sind geblieben. Dann gab es irgendwann Software-Patches, mit denen dann und wann Fehler behoben wurden. Die Patches wurden irgendwann zahl- und umfangreicher.
Doch als um die Jahrtausendwende das Online-Game auf den Plan getreten ist, wurde nicht nur dann und wann ein Update geladen. Das gesamte Spiel ist zu jeder Zeit auf laufende Server angewiesen. Die können ausfallen oder langsam werden. Das Internet-Ein-Mal-Eins besagt, dass ein Server umso wahrscheinlicher in die Knie geht, je mehr Zugriffe auf ihm stattfinden. Was passiert also, wenn viele Millionen durchgedrehte "Hearthstone"-Spieler/innen zum selben Zeitpunkt ihre Kartenpacks öffnen wollen?
Hearthstone servers at this very moment. :D pic.twitter.com/bE0i2tvQqu
— Marcin Filipowicz (@GnimshTV) August 24, 2015
Warte-Party
Bei unserer kleinen "Hearthstone"-Geek-Party gestern wurde genüsslich auf der Pizza gekaut, während wir auf die Bildschirme starrten und - nichts passierte. "Alle Plätze sind voll, ein nächster Platz ist in einer Minute frei!" verriet uns das Spiel. Dann wurden aus einer Minute bald drei Minuten. Dann sechs. Dann wieder eine. Hurra, das Einloggen klappt! - Oh, schon wieder rausgefolgen. Nach gut einer halben Stunde hat aber sowohl am PC als auch am Tablet das Einloggen funktioniert und Teil 2 des großen Wartens - Verzeihung - Turniers konnte beginnen. Bei den Kollegen von Polygon.com lief das ähnlich wie bei uns.
Bei "Hearthstone" sind die Animationen und Bewegungen sehr anschaulich und lebendig, was bei einem Kartenspiel erst mal absurd klingt. Doch wenn schon alles digital stattfindet, kann man auch entsprechend protzen: Die Karten (Figuren, Zaubersprüche, Waffen) sprechen bzw. machen Geräusche. Wenn man angreift, zieht man mit der Karte oder dem Helden dort hin, wo man hin schlagen möchte.
Auch die Kartenpacks werden erst mal von einer Ablage links auf ein Feld in der Mitte gezogen, wo sie dann unter großem Glam und Glitzer aufpoppen. Das gleicht vom Prinzip her dem eingangs erwähnten Einarmigen Banditen: Alles blinkt und bewegt sich und irgendwas Tolles passiert. Außer, wenn Millionen Menschen das zeitgleich machen wollen. Dann zieht und klickt man und es passiert längere Zeit nichts. Nochmal von der Pizza abbeißen und gemeinsam überlegen, welche Karten man bekommen könnte oder möchte. Irgendwann wird es dann so weit sein.
Geduld ist eine Tugend
Meine ersten zwei "The Grand Tournament"-Legendaries sind übrigens Anub'arak und Justicar Trueheart. Und deine?
Packs öffnen ist in "Hearthstone" oft eine soziale Aktion, die entweder via Stream online oder eben gemeinsam in einem Raum vollzogen wird. Je mehr man das zelebriert, desto unterhaltsamer wird es. So war die durch Serververstopfung herbeigerufene Verzögerung dann auch eine Zwangsverpflichtung, von der "Hearthstone"-Enthusiast/innen profitiert haben. Das Essen von Schokolade soll man ja auch genießen und auskosten anstatt sie gierig runterzuschlingen.