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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

24. 8. 2015 - 17:28

The daily Blumenau. Monday Edition, 24-08-15.

Unsortierte Strand-Auffälligkeiten. Die Amazon-Kultur und der Unterschied zwischen japanischer und österreichischer Kriegsschuld.

#workethic #mediawatch #schuldkultur

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

I

Jetzt ist also Herbst, heißt es.
Letzte Woche, als - für mich - noch Sommer war und auch Strand, und ein nur sehr luckriges Netz, war umso mehr Zeit für klassische, tragbare Medien und eine breitere Themen-Palette als sonst im enggescreenten Alltag. Das Schicksal des Highschool-Pärchens aus Missouri (sie sogar Cheerleaderin), die sich dem IS anschlossen, hätte ich sonst wohl nicht erfahren. Oder die Gespräche mit Mädchen, die von der Vergewaltigungs-Theologie der IS-Schergen berichteten. Oder der Fall des Burschen, dessen Airbnb-Reise mit doppeltem Missbrauch (durch die Gastgeberin und die verantwortungslose Sharing-Economy) endete.

IIa

Warum ich an dieser Stelle die neue, grandiose Serie Show Me A Hero empfehle, werden alle die David Simons finale The Wire-Staffel gesehen haben, verstehen.

Und: nach fünf Frei-Artikeln kommt bei der Times die Bezahlschranke für dieses Monat, take care...

Um bei der New York Times zu bleiben: die entdeckte just in dieser Lesewoche das beispielhafte Elend der Arbeits-Bedingungen und der Work-Ethic bei Amazon. Und weil sie die NYT, also eine moralische Institution ist, die Gewicht hat und es einzusetzen versteht, gab es eine inhaltlich weiterführende Reaktion, von Gott Bezos. Es macht eben einen Unterschied wer eine Agenda führt.

Als die ARD vor zwei Jahren die widerlichen Zustände bei Amazon aufdeckte, wurde nur partiell reagiert. Der durchaus auch involvierte österreichische Leiharbeiter-Zulieferer Trenkwalder (der namensgebende Gründer ist unlängst verstorben, bis auf den diesbezüglich bedenkenlosen Fußball-Bereich ohne große öffentliche Würdigungen) kam mit einem Imageschaden davon.

IIb

Die Öffentlichmachung des Kultur-Clash NYT-Amazon ist zudem ein Gegenstück zu einem fiktiven Fall, der meine Serienwelt gerade streift. In Enlightened, dem wunderbar antidenunziatorischen Vielfach-Portrait der vom Digitalen Überforderten versucht der Laura Dern-Charakter Ähnliches: die unethischen Vorgänge in ihrer Firma bloßzustellen, über die Medien. Weil es sich da aber um einen Pharma-Riesen handelt, wo es zumindest in den USA keinen Druck durch Nicht-Konsumation geben kann, und nicht um ein (letztlich fragiles) Service auf Basis von Mundpropaganda und Bequemlichkeit, sind die Folgen dann aber so different.

IIIa

Nicht nur in der New York Times, sondern überall dort, wo sich Medien um Weltzusammenhänge kümmern, war letzte Woche die (im Schlechten) ausdifferenzierte Rede des japanischen Premiers Abe zum Kriegsende-Jubiläum ein Thema. Abe, ein Falke (ein Vorfahre war Minister im Kriegskabinett) drückte sich um klare Ansagen, minimierte die (im ostasiatischen Raum eminent wichtigen) Entschuldigungen für die diversen Kriegsverbrechen an die geknechteten (und Japan immer noch mit Misstrauen gegenüber tretenden) Nachbar-Länder. Pazifismus ist out, Abe will die Armee stärken. Der Balance-Akt eine Botschaft nach innen und außen gleichermaßen anzubringen ist gescheitert; vielleicht absichtlich.

Die Ausrede ist auch in Österreich altbekannt: Was haben wir heute mit den Verbrechen der Ahnen zu tun, einmal muss genug sein. Kurz davor hatte ich wieder einmal einen entrüsteten Bürgermeister (Anlass-Fall: Gedenktafel-Streit rund um Dichter Weinheber) dieselbe Leier singen gehört. Nun darf man einem japanischen Premier andere Fertigkeiten zugestehen, als einem zufällig vom Stammtisch ins Amtshaus Beförderten. Aber es gibt einen eklatanten Unterschied zwischen den Kriegsverbrechen der Achsen-Mächte.

IIIb

Japans protofaschistische Militär-Maschinerie hatte KZ-ähnliche Anstalten und eine ganze Latte Greuel-Schuld, die Vorgangsweise war rassistisch geprägt - der Feind waren aber immer die anderen Völker/schaften, die Nachbarn, Chinesen, Koreaner, Indonesier, Malaien, Vietnamesen etc.
Die Nazi-Verbrechen richteten sich genauso gegen alle minderwertige Ausländer, hatten ihren größten und wichtigsten Feind aber im Inneren: mit den volksschädigenden Minderheiten, den kommunistischen, schwulen, jüdischen, zigeunerischen und sonstwie abartigen Nestbeschmutzern. Wichtigster Trigger der Nazi-Herrschaft war immer die interne Vernaderung und die Hoffnung der Untergebutterten, der sozial Unterprivilegierten, der schlechter Ausgebildeten auf Besserung, wenn einmal die Großkopferten, die Intellektuellen, die gutmenschelnde Elite einmal weggeräumt ist.

Das ist ein nie beendetes Grundgefühl, auf dem Österreichs Post-Nazismus immer noch basiert.
Deshalb fällt es in Österreich (wie auch Deutschland) noch viel leichter den Schlussstrich zu fordern. Würde es nur darum gehen sich bei Franzosen, Polen, Briten und anderen entschuldigen zu müssen, könnte man das alles mit Sonntagsreden und Meetings und Freundschafts-Initiativen abtun, wäre die Schuldnahme längst so folklorisiert, dass sie niemanden stören würde. Ganz im Gegensatz zu Japan, das schwer an dieser alljährlichen Verbeugung knabbert.

IIIc

Der stringente Wille sich seine Sündenböcke zu schaffen um so Frustration, Wut und Zukunftsangst nicht sinnvoll bearbeiten zu müssen, sondern an einen inneren Feind auszulagern - daran arbeiten in Österreich und Deutschland aktuell gerade zahlreiche Kräfte. Solche, die bewusst national agieren, aber auch die vorhin beschriebenen, an sich apolitischen Untergebutterten. Und Japaner im Geiste.