Erstellt am: 24. 8. 2015 - 10:39 Uhr
Julia Holter
Was haben Musiker und Musikerinnen wie Panda Bear, Joanna Newsom oder Sufjan Stevens gemeinsam? Richtig, sie alle machen Pop abseits der üblichen Konventionen, wenn es um Harmonien, Arrangements und das Songwriting geht. Und wenn das jemand über einen längeren Zeitraum erfolgreich tut, steht irgendwann einmal der Begriff „Genie“ im Raum und zwar wie ein Gespenst, weil „Genie“, das traut man sich seit mindesten einer Ewigkeit nicht mehr sagen – außer man heißt Kanye West und bezieht es auf sich selbst.
Domino Rec
Eine Künstlerin, die auch zum Club der Verehrten gezählt wird, ist Julia Holter aus Kalifornien. Ihre Musik bündelt die unterschiedlichsten Stimmungen und Gefühlslagen in Songs und klingt dabei so leicht, als wäre sie beim Tanz durch sonnendurchflutete Kornfelder geschrieben worden. Holters Songs kommt man nicht so einfach auf die Schliche. Das befeuert das Schenie-Lob zusätzlich. Ihre Alben lassen Fans, Blogger und Kritiker fast immer die Höchstnote aufs Taferl kritzeln.
Einfach schenial!
Ende September erscheint das neue Album der Kalifornierin. Es trägt den wunderschönen Titel „Have You In My Wilderness“. Ich habe Julia Holter Ende Juli in Berlin getroffen und ihr die Geniefrage gestellt. Nicht geplant, das hat sich einfach so aus dem Gespräch ergeben. Klar, dass Holter sie sofort zurückgewiesen hat. Aber was sie dann sagte, wird zwar nicht euer Leben verändern, aber vielleicht ein bisserl die Sicht auf diese Künstlerin, die es am Anfang auch nicht leicht hatte.
Ist es dir peinlich, wenn man dich als Genie bezeichnet?
Also das hat noch nie jemand zu mir gesagt!
Persönlich vielleicht nicht, aber umschrieben schon.
Ich verstehe gar nicht, was das bedeuten soll. Mit dem Wort „Talent“ geht es mir genauso. Viel seltsamer finde ich aber, wenn man mich als „akademisch“ oder „intellektuell“ bezeichnet, was häufig passiert, denn meine Musik entsteht eigentlich sehr intuitiv. Grundsätzlich halte ich es für problematisch, wenn jemand auf ein Podest gestellt wird, aber keine Sorge, es gibt genug Menschen, die meine Musik crappy finden.
Das hält wenigsten die Balance.
Was ich sicher nicht mache, ist mich über den Respekt zu beschweren, der meiner Musik entgegengebracht wird. Nach Jahren des Scheiterns tut das einfach gut. Wenn mich also jemand als Genie bezeichnen will, soll er das ruhig machen, auch wenn ich den Begriff idiotisch finde. Das ist immer noch besser, als als Idiot bezeichnet zu werden.
Wie lange hat dieser Struggle gedauert?
Mit 16 oder 17 habe ich begonnen, ernsthaft Musik zu schreiben. Die ersten sieben Jahre habe ich allerdings nur Mist produziert.
War das bereits Musik in der heutigen Form, die einfach noch nicht reif war?
Nein! Ich habe vor allem Instrumentalstücke für die Musikschule komponiert, die ich damals besuchte. Sie waren deshalb schlecht, weil ich versuchte zu schreiben, was von mir erwartet wurde. Das Problem war, dass ich eine ganz bestimmte Person zufrieden stellen wollte und diese Person war nicht ich selbst. Es war eindeutig der falsche Weg. Erst als ich für mich zu schreiben begann, wurde es besser. Und sobald ich das begriffen hatte, war mir auch nicht mehr so wichtig, was andere davon halten. So geht es mir im Übrigen auch mit Reviews. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass ich eines Tages Musik machen werde, die dann niemand mehr als genial bezeichnen wird.
Mehr zu und von Julia Holter Ende September zum Release von "Have You In My Wildeness" und heute Abend in der FM4 Homebase.