Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Im Festival-Sommer-Wunderland"

Susi Ondrušová

Preview / Review

17. 8. 2015 - 16:59

Im Festival-Sommer-Wunderland

Zu 90%iger Sicherheit hier das Konzert des Jahres am Festival des Jahres: Beck live am Flow Festival in Helsinki.

FM4 Festivalradio

Die Festivals der aktuellen Saison

Ich war im Festival-Sommer-Wunderland. Während die Hitzewelle Österreich letzte Woche fest im Griff hatte, herrschten in der finnischen Hauptstadt für uns „warme“, für die Einheimischen gar „heiße“ Temperaturen von 25 Grad. Mit schön viel Wind zum klaren Kopf gewinnen beim Eindrücke sammeln auf der Festival Expedition.

Flow Festival - Gelände mit einer alten Fabrik und zwei Schornsteinen

Flow Festival/Jussi Hellsten

Festival. Schönes Festival.

Seit mittlerweile 12 Jahren findet in Helsinki am Suvilahti Gelände das Flow Festival statt. Zwischen 20.000 und 23.000 Besucher_innen zählt das Flow Festival pro Festivaltag. Neben einer Openair-Bühne, der Mainstage gibt es zwei durch die Signalfarbe Blau und Schwarz unterscheidbar Zeltbühnen, eine Indoor-Club-Bühne, eine DJ Bühne und eine „360 Grad Bühne“ mit schönen Sitzmöglichkeiten. Neben der Musik wird am Flow Festival auch Essen SEHR groß geschrieben. Die Foodtrucks am Gelände bieten ausgeklügelte und für Festivals durchaus untypische Snacks und Speisen an. Das hat natürlich den Vorteil, dass man Neues ausprobiert, den Nachteil, dass man SEHR viel Geld ausgeben kann. Verwöhnte 08/15-Festival-Besucher_innen, die sich - wie ich - nach Mitternacht nach einem Käsekrainer oder einer Nudelpfanne sehnen, werden hier nicht fündig. „Dann halt diese Schüssel mit dem Koriander-Haufen, please!“ Die einzige „Mahlzeit“ die, verglichen mit österreichischen Supermarkt-Preisen, tatsächlich am Festival-Gelände „günstiger“ verkauft wurde, war einer dieser 0.5 Liter Eis-Kübel mit den sich irgendwie schön reimenden Namen und lustigen Geschmacksrichtungen. Gesund ist was anderes, aber wie schon die Strokes gesungen haben: You only live once.

Zirkuszelt am Flow Festival

Flow Festival/Niklas Sandström

Menschen. Schöne Menschen.

Als T-Shirt-Jeans-Religionsanhängerin bin ich mir hier wie bei einer Freiluft-Modenschau vorgekommen. Überall schöne Menschen. Gut gekleidete Menschen. Unfassbar gut gekleidete Menschen. Höfliche Menschen. Fröhliche Menschen. Am ersten Tag zähl ich einen (=1!) Festivalbesucher, der betrunken in Schlangenlinie an mir vorbeiwankt. Am zweiten Tag bemerke ich eine leere Getränkeverpackung am Boden liegend und werde sie aufheben. Am dritten Tag stelle ich leicht irritiert fest, dass es am Gelände nicht stinkt. Dieser beißende Uringeruch, wenn Pinkelbrühe am Asphalt in der Sonne verdunstet: weit und breit nichts dergleichen zu „erriechen“.

Bühne mit vielen Menschen davor

Flow Festival/Niklas Sandström

Die Dixieklos hab ich nicht durchgezählt, es müssten aber genug gewesen sein. Ihr merkt also: ich bin irritiert. Hier hat man es also mit einem Stadtfestival wie aus dem Bilderbuch zu tun. Festival-Sommer-Wonderland. Weil Helsinki nicht gerade sehr nah liegt und ein weiter Ausflug das Budget belastet, ist es nur zu begrüßen, dass man heuer auch expandiert hat: in Ljubljana hat die erste Ausgabe vom Flow Festival nach finnischem Vorbild stattgefunden. Man darf also gespannt sein!

Musik. Schöne Musik.

Dass am Flow Festival einheimische Acts spielen, versteht sich von selbst. Über Paperi T (HipHop), French Films (Indie Rock), LCMDF (Electro Pop) oder KXP (Punk) wird am Festival geredet. Die internationalen Acts heißen so wie das Festival: In dem Fall Flo wie Florence & The Machine. Pet Shop Boys oder Major Lazer. Andere Acts, die das Lineup mit ihrer musikalischen Note verschönern, sind Flying Lotus, Run The Jewels, Belle & Sebastian, Roisin Murphy, Alt-J und Beck. Dieser Beck. Auftrittszeit: 19 Uhr. Dieser Beck. Kommt zwar nicht pünktlich aber dafür mit einer bestens gelaunten Band.

Beck auf der Bühne streckt die Hände in die Höhe

Flow Festival/Tomi Palsa

Habt ihr Beck schon Mal lachen gesehen? Ich endlich. Beck, dieser Beck, der hat ja irgendwie immer so eine leicht verkrampfte, stoische Mimik. In den wenigen Auftritten, die man sich aus dem Internet so gesaugt hat. Irgendwie auch unberechenbar. Als Tänzer hat er einen leicht unbeholfenen Stil, so ähnlich wie Jarvis Cocker, wenn er nicht versucht, Michael Jackson zu sein. Beck, dieser Beck, steht also auf der Bühne: erste Nummer: Devil´s Haircut. Bamm. Zweite Nummer: Loser. Bamm. Dritte Nummer: Black Tambourine. Im Publikum wird mitgesungen. Die Fans, die mit selbstgemachten Beck-Schriftzug-T-Shirts angekommen sind, können ihr Glück nicht fassen, als sie aus dem Moshpit hinaustorkeln und in mein Mikro hineinfallen. „Perfect setlist!“

Ondrusova

Fan mit "C" ward nicht mehr gefunden!

Beck hat sich durch all seine Schaffensperioden gespielt. Die ruhigen Nummern vom letzten Album, die Dancy Nummern, die trippy Nummern. Die Klassiker. Ziemlich schöne und vor allem mitreißende Mischung. Und auch eine perfekt eingespielte Band.

Beck mit Hut am Mikro

Flow Festival/Niklas Sandström

Kennt ihr das Gefühl, wenn jemand auf der Bühne steht und „im Mittelpunkt“ ist. Wenn ein Konzert auf eine Hauptperson aufgebaut ist und die Band quasi nur im Hintergrund die Musik abliefert. Ja, so wie bei einem Bild, das im Museum hängt: Es gibt den Bilderrahmen aber eigentlich geht's um die Zeichnung auf der Leinwand. Wenn ich also sage Becks Band ist „perfekt eingespielt“ dann meine ich damit, dass die Band nicht nur der Bilderrahmen, eine Holzverkleidung ist, die das „Kunstwerk“ schön spannt, sondern sie ist Teil des Bildes. Beim Konzert erzählt Beck, dass sie am Flow Festival ihren letzten Live Termin des Jahres absolvieren. Einmal noch das Beste geben. Vor dem Zugabenblock sichert Beck den Bühnenbereich mit „This Is A Crime Scene“ Klebeband ab. Er wechselt vom schwarzen Hemd und Sakko ins weiße Hemd und Sakko und beschenkt nochmal sein ihm ergebenes Publikum mit einem Mundharmonika Solo vom Song „One Foot in the Grave“. Das Beste. Beck ist der Beste.