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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

14. 8. 2015 - 17:38

Sex, Drinks & Date’n‘Roll

Comedy-Shootingstar Amy Schumer und Klamauk-Guru Judd Apatow haben einen Film zusammen gemacht: Notizen zu "Trainwreck" alias "Dating Queen".

Noch vor dem Vorspann gibt es gleich eine der definitiven Filmsequenzen des Jahres: In etwas grobkörnigen Bildern erklärt ein kleinbürgerlicher Vater seinen beiden kleinen Töchtern, warum er sich von der Mama scheiden lässt. Weil doch eure Puppen, liebe Kinder, auch gerne mit anderen Puppen spielen. Weil es doch normal ist, wenn man mit anderen Puppen spielt. Die Szene ist grausam, traurig und unglaublich komisch, typisch für den Humor von Amy Schumer und Judd Apatow.

"Trainwreck" heißt dieser Film, den die Frau, die gerade die amerikanische TV-Landschaft tabubrecherisch aufmischt und der Mann, der das Comedykino der Nullerjahre revolutierte, gemeinsam gedreht haben. Amy Schumer, deren Schaffen mein Kollege Philipp L’heritier unlängst glänzend auf den Punkt brachte, spielt die Titelfigur, die ständig entgleist, eine Mitte dreißigjährige Journalistin mit Bindungsproblemen und Alkoholvorlieben.

Auch wenn der deutsche Verleihtitel "„Dating Queen" einen rasant-fetzigen Klamauk für die Frauenmotto-Abende im Multiplex verspricht, folgt Produzentenguru Judd Apatow in seiner vierten Regiearbeit lieber filmischen Vorbildern aus den Siebziger Jahren. Ganz im Stil früher Werke von Albert Brooks oder Woody Allen entschleunigt er im besten Sinn die Geschichte, lässt emotionale Tiefe und sogar einige angenehm spröde Momente zu. Geblödelt wird natürlich trotzdem nonstop.

Trainwreck (Dating Queen)

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Therapie mittels Komik

Der Unterschied zu manchen Filmen der Siebziger Jahre: Während die Protagonisten damals am Ende nicht immer zwangsläufig zu besseren Menschen mutierten, müssen sie im heutigen Kino einen Lernprozess durchlaufen. Ihr Leben auf die Reihe kriegen. Familien gründen. Sich in die Gesellschaft integrieren. Vor allem im Schaffen von Onkel Apatow, der sich beim Interview in Berlin übrigens als grundsympathischer Teddybär präsentiert, scheint dies alles zentral zu sein.

Der Entdecker von Stars wie Seth Rogen, Jonah Hill, Jason Segel oder Paul Rudd sieht sich deshalb aber nicht als Vertreter eines gesellschaftlichen Biedermeier. Stattdessen outete sich Judd Apatow unlängst in einem Gespräch mit dem "Rolling-Stone"-Magazin als poröse Seele, der seine klamaukigen Charakterstudien, von "Knocked Up" bis "This is 40", durchaus therapeutisch sieht.

Und auch wenn Amy Schumer - man darf sie in persona eine "Lachwurze" nennen - im selben Talk in Berlin moderne Beziehungen einen Hauch illusionsloser sieht ("Ok, maybe I’ll die alone"), träumt sie mit ihrem Kollaborateur vom Glück der monogamen Idylle. Was ja auch OK ist, wenn "Trainwreck" dabei seine Hauptfigur nicht so domestizieren würde.

Trainwreck (Dating Queen)

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Pointenhagel mit Kitschanflügen

Im Unterschied zum Meisterwerk "Bridesmaids", Judd Apatows erfolgreichster Produktion, wartet nämlich nicht der Mann am Ende auf die Frau. Sondern die Protagonistin Amy muss aus Liebe zum schrulligen Sportarzt Aaron (fast schon ernsthaft: Bill Hader) ihr Chaos hinter sich lassen. Man kann das begrüßen oder auch eher als konservative Ansage empfinden.

In jedem Fall hagelt es bis zur Läuterung etliche Pointen, Amy Schumer, Bill Hader und das halbe "Saturday Night Live"-Ensemble agieren in formidabler Form. Und die phänomenale Tilda Swinton als herrische Chefredakteurin eines Männermagazins hätte einen eigenen Spin-Off-Film verdient.

Trainwreck (Dating Queen)

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Fakt ist: Mit Amy Schumer, Kristen Wiig, Melissa McCarthy oder auch Lena Dunham löst eine ganze Riege von Frauen - allesamt unterstützt und gepusht von Judd Apatow - die Ära des amerikanischen Bromance-Humors ab. Das ist erfrischend. Und wer sich an der leichten Muffigkeit des ansonsten superlustigen und berührenden Films "Trainwreck" stößt, sollte kurz einen Blick auf die Konkurrenz werfen. Im Vergleich zur zuckersüßen RomCom-Hölle Hollywoods wirken die kleinen Kitschanflüge des großen Judd Apatow harmlos.