Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mehr als nur ein Festival"

Daniela Derntl

Diggin' Diversity

12. 8. 2015 - 16:46

Mehr als nur ein Festival

Das ungarische Sziget-Festival ist das "Best Major European Festival". Warum?

Das ungarische Sziget-Festival ist das schlimmste Festival für alle, die sich schwer entscheiden können. Wenn dich eine riesige Auswahl überfordert - bleib daheim!

Einen Live-Stream von den drei großen Sziget-Bühnen gibt es hier.

Heute, Mittwoch, um 23:40 sieht man dort zum Beispiel Cro.

Misanthropen, die Angst vor beinahe radioaktiv-strahlenden, überschwänglich glücklichen Menschenmassen haben, sei wegen hoher Ansteckungsgefahr ebenfalls abgeraten!

Wer gern viel zahlt, masochistische Tendenzen hat und die nervenaufreibenden Abenteuer schlechter Organisation liebt, fährt besser nicht auf die Obudai-Donauinsel in Budapest - denn dort findet seit Montag das Best Major European Festival statt. Diesen Award hat das Sziget-Festival für 2011 und 2014 gewonnen - und das vollkommen zu Recht!

Balázs Mohai / Szigetfestival.com

Ein unfassbar buntes Festival - 60 Bühnen mit Musik, Strassentheater, Varieté, Diskussionen, Filme, Zirkus, Kunst, Sport, Tralala...

Szigetfestival.com

Die Organisation des Festivals ist beeindruckend. Es funktioniert alles reibungslos und schnell, freundlich und friedlich - und das bei einer Dimension von 400.000 Besucherinnen und Besuchern in einer Woche - die laut Festival-Organisation aus 89 Nationen kommen. Es ist doppelt so schön, wenn man in Zeiten steigender Fremdenfeindlichkeit - vor allem in Ungarn, das 26 Jahre nach dem Fall des eisernen Vorhangs selber einen Zaun baut, um sich von den Flüchtlingen abzuschotten - mit ansehen kann, dass es gelebte Vielfalt, kritische Stimmen, Solidarität und humanitäres Engagement in dem Land gibt. Zahlreiche NGOs präsentieren ihre Arbeit im Sozial- und Umweltschutz-Bereich und am Freitag kommen Nadia und Masha von Pussy Riot zum Sziget-Festival. Auch ein wichtiges Zeichen, zwei Putin-Kritikerinnen in ein Pro-Putin regiertes Land einzuladen.

Sándor Csudai / Szigetfestival.com

Hilfe, alle so ausgelassen...

ml / Szigetfestival.com

...und auch so entspannt.

Das Sziget gibt es seit 1993 und es ist über die Jahre gewachsen. Mittlerweile vereinnamt es die gesamte, 108 Hektar große Donauinsel, die einer riesigen Parkanlage gleicht. Das Ambiente ist der eigentliche Star des Festivals - man campiert im Wald, der in der Nacht dank Zilliarden von Lichterketten, Lampions, Glühbirnen und LEDs märchenhaft zu leuchten beginnt. Es gibt also überall ausreichend Schatten sowie gratis Trinkwasser-Brunnen, die Donau erfrischt und eine Sprühregen-Anlage über der Hauptbühne bewahrt die Festival-Besucherinnen und Besucher vor dem kollektiven Hitzekollaps bei 38 Grad.

Sándor Csudai / Szigetfestival.com

Kühle Köpfe dank Sprühregen.

Sándor Csudai / Szigetfestival.com

Kühle Körper dank Donau.

Man kann eine Woche beim Sziget verbringen, ohne dass einem fad wird.

Man kann eine Woche beim Sziget verbringen, ohne dass man zweimal das Gleiche gegessen hat.

Man kann eine Woche beim Sziget verbringen - und hat trotzdem nicht alles gesehen - und ausprobiert!

Sándor Csudai / Szigetfestival.com

Aktivitäten abseits des Feierns und Trinkens, das sich verglichen mit österreichischen Verhältnissen trotz Cocktailbars und Palinka in Grenzen hält, werden beim Sziget groß geschrieben.

Sándor Csudai / Szigetfestival.com

Sziget-Schaumparty

Es gibt jede Menge begehbare Kunstinstallationen, Wuzeltische, einen Fußballplatz, Beachvolleyball, Yoga, Nähwerkstätten, Bastelstuben, TED-Talks, Design-Shops, psychologische Kriseninterventionen, Drogenberatung, Schaumpartys, Kurse mit Titeln wie "Tanz deinen Namen" oder "Tanze mit Drohnen", einen Rummelplatz, ein Gamelandhub, Bodypainting, Schminkkurse, und und und.

Sándor Csudai / Szigetfestival.com

Auch super: Es gibt kaum Wartezeiten vor den Bars, Essensständen und Toiletten. Möglich wird das durch die Fülle des Angebots und das bargeldlose Bezahlsystem. Datenschützer finden diese Entwicklung bedenklich, andererseits ist es - sofern alle Systeme funktionieren - sehr praktisch.

Gábor Mózsi / Szigetfestival.com

Before I die I want to: resurrect Jon Snow (steht links unten).

Ach ja, Musik gab es auch noch: Zum Beispiel die wunderbare Florence & the Machine. Sie war gestern die Headlinerin der Hauptbühne, vor der laut Organisatoren 70.000 Menschen Platz finden. Diese Kulisse hat Frontfrau Florence Welsh sichtlich genossen, ausgiebige Bäder in der Menge inklusive. Das Publikum, ihr Chor, den sie hingebungsvoll dirigiert. Das Publikum, ihr Spielzeug, das ihr auf Zuruf folgt. Im Hintergrund leuchtet der Wald wie Florences' feuerrote Mähne, das Publikum brennt.

Sándor Csudai / Szigetfestival.com

Florence Welsh...

Sándor Csudai / Szigetfestival.com

...und ihr begeistertes Publikum...

Sándor Csudai / Szigetfestival.com

...packt das Leben nicht mehr.

Verzaubert reiße ich mich los, ich will zum leidenschaftlich-theatralischen Elton John des Disco-Death-Metals im Varoufakis-Hemd - Samuel Herring und seinen Future Islands. Zu Beginn ist im riesigen A38-Zelt für Sziget-Verhältnisse noch nicht viel los. Das ist gut, denn die tausend Besucher und Besucherinnen adaptieren Herrings exaltierte Bewegungen und brauchen Platz. Ausdruckstanz - ein Hilfsausdruck! Es ist ein großes Fest. Danach bringen Jungle - bei mitternächtlichen 28 Grad - "The Heat".

Auch gut, aber ich bin schon müde vom Sziget-Overload und leg mich in einen dieser Holz-Kobel. Gute Nacht!

Sándor Csudai / Szigetfestival.com

Die Party geht noch bis Montag Früh - mit Alt-J, Foals, Kings of Leon, Paloma Faith, Major Lazer, The Maccabees, Ellie Goulding, Camo&Krooked, Kraftklub...

Gábor Mózsi / Szigetfestival.com