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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

12. 8. 2015 - 13:00

Das Leben ist eine Technoparty

Wenn ihr mich fragt ist DJ-Sein der faulste und zugleich süßeste Job der Welt.

Mein Freund Viktor will bulgarische Elektropartys in Wien organisieren. "Warum machst du das?", habe ich ihn mal gefragt, "das ist irgendwie so, als ob du einem Gurkenzüchter Gurken verkaufen willst!" Aber Viktor bleibt hart und besteht darauf, dass die bulgarische Elektroszene besser sei als die deutsche und die österreichische. Ich traue mich nicht, mit Viktor zu streiten. Ich verstehe sehr wenig von Technomusik. Ich weiß nur, dass die bulgarische Technoszene mit der Gründung der "Metropolis" Bewegung in den 1990er Jahren begann. Sie organisierten die ersten Technopartys in meinem Geburtsland.

Ich kenne verschiedene Theorien über den Job des DJs. Es gibt Leute, die meinen, dass das Mischen von unterschiedlichen Songs ein unentbehrlicher Teil des Postmodernismus sei. Die DJs kreieren mit ihrer "Kunst" eine neue Realität. Wenn ihr mich fragt ist DJ-Sein der faulste und süßeste Job der Welt.

Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als der DJ derjenige war, der eine Anlage, einen Verstärker und einen Haufen Platten besaß. Die DJs damals hatten kein Problem auf Hochzeiten, Taufpartys und Bürofeiern aufzulegen. Sie folgten immer dem musikalischen Geschmack der versammelten Menschen. Falls sie vor einem intellektuellen Publikum auftraten, dann legten sie Jazz auf, Fürs gemeine Volk gab es Turbofolk. Hauptsache, es herrscht keine Stille.

Tausende Menschen bei der Love Parade 1998 in Berlin

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Tausende Menschen bei der Love Parade 1998 in Berlin

Ich sah Techno DJs zum ersten Mal auf der Loveparade in Berlin. Damals lebten wir in der Nähe vom Brandenburger Tor. Vom frühen Morgen an begannen rund um unser Haus herum Autos aus ganz Deutschland zu parken. Aus ihnen stiegen ganz normale Jugendliche. Dann zogen sie ihre Technouniformen an. Alle hatten gefärbte Haare, bunte Kleidung und einen leeren Blick. Sie zogen zum hunderttausende Watt starken Verstärker der DJs. Riesige Menschenmengen kamen von allen Seiten zur Technopilgerstätte. Die Technotrucks zogen um die Stadt und die Menschen folgten ihnen wie Zombies. Der Technobeat schien unendlich zu sein. Die DJs wechselten und die Menschenmenge begrüßte sie jedesmal wie den Messias. Spät in der Nacht kamen die Jugendlichen zu ihren Autos zurück. Sie legten ihre Technouniformen ab. Sie stiegen in die Autos ein und fuhren in ihre Geburtstorte zurück. Für einen Tag haben sie ihren grauen Alltag vergessen. Sie waren kurz ein Teil einer interessanteren Gesellschaft geworden. Dass diese Gesellschaft genauso anonym und grau wie die Realität war, war denen egal. Denn sie waren kurz anders.

Ein Mitschüler von mir hat eine Aufgabe im Leben. Und zwar alle Auftritte vom niederländischen House DJ Armin van Buuren zu besuchen. Ich glaube, dass dieser Armin bei einem Auftritt nur auf Play drückt. Und er kassiert dafür 50.000 Euro. Mein Mitschüler und mein Freund Viktor sind ganz anderer Meinung. Ich habe keine Lust, mit ihnen zu streiten. Deshalb drückt bitte auf Play und seid selber DJs. Es ist eh das Gleiche. Nur ohne die 50.000 Euro.