Erstellt am: 12. 8. 2015 - 16:00 Uhr
Kalte Cocktail-Krieger
Die Popkultur bewegt sich bekanntlich weniger linear vorwärts als in Pendelbewegungen. Momentan schlägt letzteres schon ziemlich lange in Richtung gequälter Antihelden aus.
Hey, eigentlich bin ich im Reich dieser Kaputtnicks zuhause. Ich habe im Kino die Ankunft von Typen wie dem neurotischen Batman in der Inkarnation von Christian Bale ebenso beklatscht wie alle weiteren Typen, die in Spandexhosen herumturnend ihre emotionalen Krisen bewältigten. Schließlich hat es gut getan, nach so vielen hohlen Cartoonfiguren endlich einmal zerrissene, gebeutelte, angeknackste Heroen zu sehen.
Jetzt, wo etwa die Marvel-Maschinerie den defekten Nerd als Weltretter institutionalisiert hat und ein Backlash einsetzt, den etwas unverdient ambitionierte Außenseiter-Sagas wie “Fantastic Four” und im Fernsehen die zweite “True Detective” Staffel abkriegen, stöhnt aber auch meine Wenigkeit, als Freund aller Weirdos und Wahnwitzigen, etwas auf. So viel Leid und Zornesfalten. Und dann kommen ausgerechnet Superman und der Lone Ranger her, schenken sich einfach einen Drink ein, tauschen kühle Oneliner aus – und es macht großen Spaß.
Ja genau, Henry Cavill, der “Man of Steel” und Armie Hammer, dessen Cowboy-Superhelden-Verkörperung viel zu wenige bejubelten, schmeißen eine Party, bei der es bloß um bunte eskapistische Seifenblasen geht. Und mittendrin tänzelt beschwippst die fantastische Alicia Vikander, die Robotqueen aus “Ex Machina”, meinem bisherigen Film des Jahres, und alles ist gut. “The Man from U.N.C.L.E.” heißt die Actionkomödie, in dem dieses spezielle Trio aufeinandertrifft. Und auch wenn er ganz sicher nicht zu den bedeutenden Streifen heuer gehört, ich habe mich ein klein wenig verknallt in ihn.
Warner
Elegantes Trio wider Willen
Willkommen zu einer hedonistischen Pop-Version der frühen sechziger Jahre. Der kalte Krieg hält den Planeten in einer eisernen Umklammerung, aber auch wenn der Vorspann in “The Man from U.N.C.L.E.” die gefährliche Stimmung dieser Ära auf den Punkt bringt, sieht man sie den Protagonisten kaum an. CIA-Agent Napoleon Solo (Cavill) and KGB Kampfmaschine Illya Kuryakin (Hammer) wirken trotz heftigster Schusswechsel halbwegs relaxt.
Erst als eine geheimnisvolle Verbrecherorganisation beide Großmächte nuklear bedroht und die beiden Topagenten aus Amerika und Russland kooperieren müssen, zerbröselt deren Contenance. Das Duo wider Willen hat auf der Suche nach den Supergangstern nur eine Spur. Und die führt zu Gaby Teller (Vikander), der Tochter eines Ex-Naziwissenschaftlers, die als Automechanikerin in Ostberlin untergetaucht ist. Einige Autoverfolgungsjagden später landet das Trio in Rom, wo sämtliche Fährten bei einer geheimnisvollen Gräfin (Elisabeth Debicki) zusammenlaufen.
Eigentlich kann man diese knappe Inhaltsangabe aber locker überlesen, denn die Geschichte von “The Man from U.N.C.L.E.”, inspiriert von einer Sixties-Kultserie, die heute nur mehr eingefleischte Pophistoriker kennen, passt auf eine Serviette.
Guy Ritchie, dieser grundsätzlich zwiespältige Meister des Posen-Kinos, schafft dafür in seinem bislang besten Film, was schon lange keinem gelungen ist: Einen komödiantisch angehauchten Spionage-Thriller, der sich vor dem unschuldigen Agentenkino-Spirit der Sixties berauscht verbeugt. Charmant, knallig und elegant gibt sich dieser Streifen, ohne den blutgetränkten Zynismus, der den verwandten “The Kingsman” durchzieht.
Warner
Fädenziehende Frauen im Fellini-Rom
Dabei, betonen auch die Darsteller bei einem kleinen Interview-Zirkus in London, sind altmodische Nostalgiker sicher nur ein kleiner Teil der Zielgruppe. Guy Ritchie schafft es wunderbar, mit Kameraführung, Schnitt und nicht zuletzt Dank des dominanten und alles wegfegenden funky Soundtracks von Daniel Pemberton, an das Actionkino der Gegenwart anzuknüpfen. Analoge und digitale Ästhetik verschmelzen unpuristisch.
Dieser Zugang ist natürlich nicht neu, aber die Umsetzung betört. Retro meets Futurismus wieder einmal, wobei weniger direkte Zitate grell ausgestellt werden, als eine flirrende Atmosphäre entsteht, inklusive klirrender Whiskygläser, schnittiger Autos, perfekt sitzender Klamotten.
Die Frauen - und das ist zentral - sind in dieser Kulisse aus Formel-1-Rennen, mondänen Hotelzimmern und einem bella Roma wie aus einem Fellini-Klassiker fädenziehende Schlüsselfiguren. Der frühe James Bond würde sich also nur in den Interieurs wohl fühlen und das weibliche Selbstbewusstsein wohl irritierend finden.
Warner
OK, ihr merkt, ich schwärme. Vielleicht schüre ich auch zu hohe Erwartungshaltungen für einen Film, der einfach nur für selbstzweckhaften Pop steht. In dem die Helden, sogar der etwas angespannte Russe Illya, nicht jesushaft leiden. In dem am Ende niemand ein besserer, klügerer, sozialerer Mensch geworden ist, wie es das moderne Genrekino mittlerweile zwingend einfordert. Aber ein Film, in dem jeder, trotz Bomben und Granaten, die Reise genießt. Möglicherweise finde ich gerade das einen Moment lang ziemlich super.
Bonusvideo 1: Superman und The Lone Ranger aka Napoleon Solo und Illya Kuryakin alias Henry Cavill und Armie Hammer im Gespräch mit einem extrem gut gelaunten FM4-Agenten.
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Bonusvideo 2: Gräfin Victoria Vinciguerra und die mysteriöse Gaby Teller alias Elisabeth Debicki und Alicia Vikander im Talk mit einem nervösen FM4-Spion.
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