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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 8. 2015 - 15:23

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 11-08-15.

Sportjournalismus und Corporate Publishing in Österreich: deckungsgleich und unreflektiert?

#embeddedmedia #journalistischesselbstverständnis

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Vor einer Woche wurde eine von zwei Sport-Weeklys des Landes eingestellt: die Sportwoche. Das war Anlass um hier öffentlich über den dort gepflegten embedded journalism, einer in der österreichischen Sportbranche basisüblichen Vorgangsweise, und die Furcht vor einer "kritisch-intellektuellen Kontrollinstanz" nachzudenken.

Am Wochenende erschien im Branchenblatt Horizont im Rahmen einer Bestandsaufnahme der jüngsten Styria-Aktivitäten eine Art Nachruf auf das Periodikum, in dessen Mittelpunkt die sogenannten Corporate-Publishing-Verträge der Sportwoche standen.

Apropos: der Horizont hat mit dem Abgang seines langjährigen Chefredakteurs Sebastian Loudon jüngst seinen kreativen Kopf und einen kritischen Denker verloren; das ist echt schade.

Es geht um die durchaus lukrativen Nebenerwerbsfelder des per Verkauf/Werbung nicht ausfinanzierten Medien-Projekts, um Printarbeiten der Sportwoche-Redaktion für die Bundesliga, den ÖFB, das ÖOC, diverse andere Sportverbände oder auch Rapid Wien. Dazu ein bissl erstaunte Reaktionen der Partner, die nicht so recht wissen wie es weitergeht. Und das alles im Tonfall absoluter Selbstverständlichkeit.

Einer trügerischen Selbstverständlichkeit.
Denn: wenn eines der an einer Hand abzuzählenden meinungsprägenden Fachmedien des Landes für die PR-Beilagen und andere offizielle Broschüren der meisten großen Sport-Player fabriziert, ist das in etwa so als würde...
... der Kurier die PR der Raiffeisen, Heute die der Stadt Wien, das Tagblatt Österreich die des Kanzleramts, die frühere Presse die der Industriellenvereinigung oder der ORF unter Lindner/Mück die der Wenderegierung orchestrieren.

Also undenkbar. Oder (Ironie-Modus aus) zumindest übertrieben. Denn selbst im einflusssüchtigen Österreich führen Druck und Drohung nicht automatisch zur flächendeckenden und offiziellen PR-Beauftragung.
Die informelle Beeinflussung innerhalb eines kleinen Genres in einem kleinen Markt eines kleinen Landes ist etwas anderes als die ganz offizielle Zuständigkeit für die nur notdürftig als journalistischer Content getarnten Werbebroschüren.

Natürlich führt die direkte ökonomische Abhängigkeit der Medienprodukte von ihren Corporate-Publishing-Aufträgen zu einer entsprechenden Schere im Kopf was die eigentliche Aufgabe betrifft: nämlich die der kritischen (eigentlich sogar distanzierten, unbeteiligten) Berichterstattung, Einordnung und Analyse. Eine Redaktion die gleichzeitig an der PR und an der kritischen Geschichte arbeiten kann, ist - zumindest in Österreich - noch nicht erfunden worden.

Diese Unvereinbarkeit juckt aber niemanden. Nicht das Branchenblatt, nicht die Medien und selbstverständlich auch nicht die dadurch in ein besseres Licht gesetzten Partner.

Im Gegenteil: die Verbände und Vereine dürfen dank dieser seit Ewigkeiten eingeschliffenen Methode davon ausgehen, dass sie mit Kooperationen auch das permanente Wohlwollen der Medien erkaufen. Das geht so weit, dass praktisch alle davon ausgehen schon der Erwerb von Übertragungsrechten würde ein Medium zu Beschönigung und Kritiklosigkeit verpflichten. Der Kollege Gerald Gossmann hat auf seinem Facebook-Account ein aktuelles Beispiel angesprochen: die Beleidigtheit des WAC-Präsidenten angesichts ein paar kritischer Sätze bei der Übertragung des Dortmund-Spiels: der ORF wäre kein Freund, schmollte er da.

Nun ist es aber eben nicht die Aufgabe der Medien ein Freund, ein satt eingebetteter Parasit zu sein, der den Präsidenten und anderen Mächtigen nach dem Munde schreibt/spricht. Im Fall des Sportjournalismus jedoch wird fix davon ausgegangen, schließlich würde man doch in einem Boot sitzen.

Ja, aber: genauso wie es immer politische und wirtschaftliche und kulturelle Ereignisse geben wird, die sich zu covern lohnen, ist es auch im Sport. Fußball wird es geben, solange es Menschen gibt. Insofern ist das Im-Boot-Gesitze nur ein Platzhalter-Begriff für die dahinterstehende Bequemlichkeit, das abgekartete Spiel zwischen Mainstream-Medien und Sport-Playern, das Hochjubelei und kurzzeitigen Erregungsjournalismus gutheißt, Kritik aber ausschließlich als persönliche Untergriffigkeit, als Bruch eines informellen Vertrages mit "dem Sport" ansieht.

Anderswo (und gar nicht so weit weg) geht es auch anders. Auch in Deutschland sitzen alle in einem Boot, auch dort wir gehostbroadcastet, auch dort wird gemauschelt und beschönigt. Aber eben auch (von einer kritischen Masse an Medien) kritisch berichtet.
Und dort ist der Corporationismus weitgehend verpönt: es gilt der Grundsatz: Wenn Medien mit Sportvereinen eine Partnerschaft eingehen, ist das fragwürdig.

Ja, auch in Deutschland wird unzulässig gepartnert, aber es existiert ein grundsätzliches Bewusstsein zur Problematik.
Und in Österreich eben nicht.
Im Gegenteil: das Prinzip des Corporate Publishing zieht sich durch das Selbstverständnis des heimischen Sportjournalismus. Ohne jegliche Reflexion.