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11. 8. 2015 - 16:00

Der Hype um Computerbrillen

„Advanced Gaming Brillen“ sollen helfen, beim Videospielen die Sicht zu optimieren und beim Arbeiten am Computer Kopfschmerzen und brennende Augen zu reduzieren.

„Digital Performance Eyewear“ - mit Beschreibungen wie dieser bewirbt der kalifornische Hersteller Gunnar Optiks seine Computergläser. Angeboten werden die Brillen von Gunnar mittlerweile auch in Österreich in vielen Varianten - zumeist als sportliche, elegante Brillengestelle mit gelblichen Gläsern. Geeignet seien sie laut Website des Herstellers für Gamer, Grafiker, Blogger, Programmierer, Videokünstler usw.

Foto: Gunnar

Nicht nur mit den oben zitierten Schlagworten werden die Gunnar-Brillen beworben, sondern auch mit vollmundigen Behauptungen - etwa jener, dass sie „die visuelle Leistungsfähigkeit, Ausdauer und Regeneration des Gamers verbessern“ würden. Erreicht werden soll das vor allem durch zwei Effekte: die Reduktion von unangenehm glänzenden Lichtspiegelungen am Bildschirm und die subjektive Erhöhung des Kontrasts.

Reduktion von Lichtspiegelungen

Sie wird durch eine spezielle Antireflexions-Beschichtung erreicht. Solche Beschichtungen existieren schon seit vielen Jahren und man konnte sie bisher auf herkömmlichen Brillengläser anbringen lassen. Allerdings schälen sich diese alten Beschichtungen schon nach wenigen Monaten ab, oder sie ziehen Schmutz und Fett an und sorgen dann sogar für mehr Kopfschmerzen und Müdigkeit statt weniger.

Foto: Gunnar

In jüngster Vergangenheit hat sich die Technologie für die Beschichtung von Brillengläsern stark weiterentwickelt. Bei mordernen Brillen wie den Gunnar Glasses ist die Antireflexions-Beschichtung durch ein Iionisationsverfahren in das Glas „hineingebrannt“, kann sich nicht abschälen und zieht keinen Schmutz an. Im Praxistest empfand ich die damit einhergehende Eigenschaft der Brille zum Beispiel dann als angenehm, wenn ich auf einem Tablet gespielt habe, dessen Bildschirm stark glänzt und die Zimmerbeleuchtung spiegelt. Mit der Gunnar-Brille haben mich Lichtreflexionen weniger gestört. Generell ziehe ich es aber vor, entspiegelte Monitore und Fernsehgeräte zu verwenden.

Mehr Kontrast

Gunnar behauptet, dass die „Advanced Gaming Brillen“ den Kontrast verstärken. Das soll die „digitale Augenbelastung reduzieren“. Erreicht werden soll es offenbar durch die leicht gelbliche Färbung der Gläser. Nachvollziehen kann ich das kaum. Zwar wirkt das Gelb nicht unangenehm, eine bessere Sichtbarkeit der Bildschirminhalte ergibt sich daraus für mich nicht. Abgesehen davon konfiguriere ich bei mir zuhause und in den Redaktionsräumen von FM4 alle Bildschirme immer wieder neu – den Kontrast etwa regle ich der Helligkeit im Raum entsprechend nach. Dazu sind schließlich die kleinen Knöpfe am Monitor da.

Augen feucht?

Die verschiedenen Hersteller von „Digital Performance Eyewear“ behaupten oft auch, dass Computerbrillen helfen, die Augen feucht zu halten - so auch Gunnar. Diese Behauptung wurde in einer Studie der Pacific University Oregon widerlegt. Wissenschafter und Augenärzte empfehlen, einen Luftbefeuchter ins Zimmer zu stellen und oft zu blinzeln. Denn beim Arbeiten am Computer blinzelt man zwei- bis dreimal weniger als im bildschirmlosen Alltag. Eine Brille, sagen die Forscher, könne nicht helfen, die Augen feucht zu halten, daran müsse man schon selbst denken.

Foto: Gunnar

Fazit

Für jene Mitmenschen, denen nach einem Tag am Computer oder einer ausgedehnten Videospiel-Session der Kopf schmerzt oder die Augen brennen, sind Computerbrillen vielleicht einen Versuch wert. Der Preis für Gunnar Glasses ohne spezielle Brechkraft ist mit 100 Euro relativ moderat. Bevor man sein Geld dafür ausgibt sollte man aber versuchen, die Situation im Raum zu verbessern: Helfen können Vorhänge oder Jalousien vor Fenstern, die sich unangenehm im Bildschirm spiegeln. Auch die Position der Monitore zu verändern, kann das Arbeiten oder Spielen angenehmer gestalten.

Eine weitere Maßnahme, die sich für mich seit Jahren bezahlt macht: Ich passe täglich die Farbwerte meiner Bildschirme an - am Vormittag ist es z.B. sinnvoll, wenn der Monitor einen höheren Blauanteil anzeigt, weil unser Gehirn das als Tageslicht wahrnimmt. Spätabends hebe ich den Rotanteil meiner Bildschirme an, denn das erlaubt dem Gehirn, das Schlafhormon Melatonin zu produzieren. Benützt man in der Nacht Bildschirme mit zuviel blauem Licht, dann geht man später ins Bett und schläft schlechter. Wenn ich nicht die ganze Nacht aufbleiben will verwende ich daher am Abend das bei fast allen Geräten vorhandene Rot-Preset im Farbmenü.

Wer bei Arbeit und Spiel am Bildschirm regelmäßig von Kopfschmerzen und brennenden Augen geplagt wird, könnte mit einer Computer-Spezialbrille Hilfe finden. Vor einem Kauf würde ich aber auf jeden Fall mit einem Augenarzt und Optiker über mögliche Ursachen für die Schmerzen und geeignete Gegenmaßahmen sprechen. Gunnar Gaming Glasses sind kein Allheilmittel, aber auch nicht so übel, wie die übertriebene Marketingsprache glauben lässt - und kann man gekaufte Brillen bei Nichtgefallen immerhin zurückgeben. Bei Bedarf können sie auch mit den gewünschten Dioptriewerten angefertigt werden.