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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

8. 8. 2015 - 12:11

Sommerlochthema "Flecki"

Ein verschwundener Hund beschäftigt Deutschland.

In Berlin soll dieses Wochenende der Hitzerekord gebrochen werden, man erwartet 39 Grad. Auch im Rest des Landes stellt man sich auf Temperaturen bis zu 40 Grad ein - der Sommer läuft also auf Hochtouren. Und auch das gefürchtete alljährliche Nachrichtenvakuum, Sommerloch genannt, wurde bereits erfolgreich mit dem sehr anrührenden Sommerlochthema "Flecki" gefüllt.

Zuerst die gute Nachricht: Flecki ist wieder da!

Nun zu den Fakten: Flecki, Mischlingshund und Misshandlungsopfer, fristete bislang in einer privaten kroatischen Tierauffangstation sein Hundeleben, bis er dort von einem tierlieben Pärchen aus Rheinland-Pfalz entdeckt, erworben und mit nach Deutschland genommen wurde.

Während einer Gassi-Pause auf dem Heimweg nahm das Verhängnis seinen Lauf. Das traumatisierte Tier büxte auf einem Rastplatz bei Ulm aus - Frauchen und Herrchen warteten fortan auf dem Parkplatz in ihr enges BMW- Cabrio gepfercht auf den Ausreißer, suchten den Hund Tag und Nacht auch mit Plakaten und über Facebook.

Flecki vermisst

Facebook/Hunde-Suchmeldungen/https:/www.facebook.com/hund.vermisst.entlaufen/posts/1073739915983

Im Lauf der nächsten Tage trafen auf dem Parkplatz über 200 freiwillige Helfer ein, liefen "Fleeckiii!!!"-krakeelend über die Felder und verscheuchten das scheue Tier erfolgreich. Das campierende Paar wiederum wurde mit Kaffee und Decken versorgt, die Medien begannen sich für den Fall zu interessieren. Es folgten tägliche Interviews und Fotoshootings, Sat1, RTL, FAZ, ntv und spiegelonline berichteten, in der Bild gab es tägliche Flecki-Schagzeilen: "Erste Spuren von Flecki", "Flecki immer noch verschwunden", "Geben seine Besitzer auf?"

Derweil durchkämmten Geländemotorradgangs unwegsames Gelände nach dem Entlaufenen, Tierpsychologen gaben Tipps, Thermoscanner und Nachtsichtgeräte kamen zu Einsatz. Es wurden Lebendfallen aufgestellt, ein Schäfer wollte den vierjährigen Flecki mit Hilfe einer läufigen Hündin anlocken - aber nichts von allem brachte Flecki zurück. Zwar wurde er in der Zwischenzeit mehrfach gesichtet, traute sich jedoch wegen der aufgescheuchten 200 Helfer nicht zum Auto zurück.

Schließlich, an Tag 12 des Flecki-Verschwindens, griff das tierliebe Besitzer-Paar zu einer List und tat so, als ob es die Suche eingestellt hätte, wartete aber an einem geheimen Ort in der Nähe weiter auf die Rückkehr des verlorenen Hundes.

Die Tierrettung richtete eine "Flecki-Hotline" ein. Und das Wunder vom Ulmer Rastplatz geschah: Flecki wurde zusammengerollt hinter hohen Brennnesseln - abweichende Quellen sprechen auch von einer Regentonne - gesichtet und dort von den Besitzern abgeholt. Bild brachte die letzte Flecki-Schlagzeile:

"Es ist die schönste Nachricht des Sommers: Flecki (4) ist wieder da!"

Die Berichterstattung vom Rastplatz Ulm wurde eingestellt.

Themenwechsel. Jetzt wieder Isis, Flüchtlingselend und Griechenland. Manch einem galt die Geschichte von Flecki als eine Parabel vom Umgang der Deutschen mit Flüchtlingen. Denn bei Fleckis ungeklärter Herkunft könne es sich durchaus um einen Wirtschaftsflüchtling handeln, der überdies aus Kroatien, einem sicheren Drittstaat käme, schrieb die taz. Und überdies sei unklar, ob er seine Familie nach holen wolle.

Der Fall Flecki zeige, dass uns Deutschen ein anständiges Flüchtlingsschicksal durchaus zu Herzen gehe - solange es sich um einen Hund und keinen Mensch handelt.