Erstellt am: 10. 8. 2015 - 18:47 Uhr
Die Maccabees sind zurück!

Caroline/Universal
Die Maccabees steigen mit ihrem bereits vierten Album "Marks To Prove It" nun in die obere Liga britischer Bands auf, inklusive Platz 1 in den britischen Albumcharts. Das letzte Maccabees-Album "Given To The Wild" hat es vor drei Jahren bis auf den vierten Platz ebendieser Charts geschafft. Die Maccabees haben die Nuss nun geknackt, ähnlich wie eine andere Londoner Band, nämlich Bombay Bicycle Club, die ebenfalls ein paar Alben brauchten, bis es soweit war. Soviel zu "sofort oder gar nimmer".
Bombay Bicycle Club sind Nordlondoner, aus dem beschaulichen Stadtteil Crouch End, während die Maccabees ihre Zentrale im Südlondoner Stadtteil Elephant & Castle haben, einer in der Vergangenheit wenig begehrten, für Londoner Verhältnisse noch eher leistbaren, sehr urbanen Gegend mit allem, was da so dazugehört.

London-SE1.co.uk
Der große Kreisverkehr von Elephant & Castle, der der Qualität der Luft in dieser Gegend nicht gerade förderlich ist, ist auf dem Cover des neuen Maccabees-Album zu sehen. "Marks To Prove It" ist gewissermaßen eine Hommage an Elephant & Castle - an die Schönheit eines Ortes, den niemand "schön" nennen oder mit einer gewissen Romantik verbinden würde.
In Elephant & Castle haben die Maccabees ihr bandeigenes Tonstudio, obwohl die einzelnen Bandmitglieder ja in Brighton, südlich von London am Meer gelegen, lebten. In diesem Studio in Elephant & Castle ist auch "Marks To Prove It" entstanden. Das Album ist eine packende, leidenschaftliche Platte. Eine, bei der der Funke überspringt und ein großes Feuer zu lodern beginnt. Bisher hat die Band rund um Sänger Orlando Weeks und Bandleader Felix White ja immer vergleichsweise verhalten agiert - live und auch beim Aufnehmen.
Break it up and make it better
Einmal hab ich die Band am frühen Nachmittag beim FM4 Frequency gesehen. Es war nett. Und einmal im Gasometer im Vorprogramm einer Band, die ich nicht mehr weiß, und auch dieser Maccabees-Gig war nett, aber eben nicht wirklich mehr. Schließlich: die Maccabees das dritte Mal, im Flex in Wien - hab ich verpasst. Schön, dass diesen fünf hervorragenden Musikern nun endlich so richtig der Knopf aufgegangen ist: "Break it up and make it better" singt Orlando Weeks im Song ""Dawn Chorus", während ihn eine hibbelige Trompete anzufeuern scheint und seine sensible Stimme mitträgt. "Dawn Chorus" ist Teil eines Albums, das wir ruhig ein popmusikalisches Wunderwerk nennen dürfen.
Komponieren, arrangieren, texten - dazu haben sich die Maccabees viel Zeit genommen. "Wir können schon mal einen Monat lang streiten, ob wir auf die Gitarre einen Hall drauflegen sollen, den dann ohnehin niemand hört", grinst Orlando Weeks im Interview. "Einen Monat lang? Ein komplettes Jahr lang!", lacht Gitarrist Felix White. Felix White ist der Bruder von Hugo White, der bei den Maccabees ebenfalls Gitarre spielt, und Felix ist so etwas wie der Außenminister der Band, ein extrovertierter, beredter, hoch talentierter Musiker, der auch viel Humor besitzt.
The Maccabees veröffentlichten ihr erstes Album vor acht Jahren.
Der Entstehungsprozess zu "Marks To Prove It" hat jeden in der Band gewissermaßen mitgenommen, ja, hat kleine Falten in die Gesichter der Maccabees gezeichnet und den einen oder anderen tiefen Schatten unter ihre Augen gepinselt: Fünf Meinungen unter einen Hut zu bringen, die Ideen jedes Einzelnen in der Band unter die Lupe zu nehmen, und letztlich daraus etwas Gemeinsames zu erschaffen, ich glaube, das ist unsere größte Leistung bisher, sind sich Felix White und Orlando Weeks einig.
Da war etwa dieser Shaker, der die Band beinahe zur Verzweiflung trieb - das Entdecken von Percussions-Instrumenten, über das sich Felix White wie ein kleiner Bub im Zuckerlgeschäft freut, während bei Orlando Weeks der Shaker hingegen ein fast säuerliches Grinsen hervorruft: Für andere Bands sind Percussionsinstrumente etwas völlig Normales, meint Orlando, "aber die Maccabees aber hatten sich bisher noch nie so richtig damit beschäftigt".
The Maccabees sind Sam Doyle, Rupert Jarvis, Hugo White, Felix White, Orlando Weeks.
Noch ein Musikinstrument hat das Quintett in ihr kollektives Herz gelassen: das Piano. Es ist bei Songs wie "Something Like Happiness" oder "Slow Sun" zum Beispiel sehr schön zu hören. Es gesellt sich auch wieder die Trompete dazu, wie ein dezenter Weggefährte, und Orlando Weeks reimt das Wort "trendsetter" auf "go-getter". Von einem "sole singer" singt er, und einem "bone digger", einer "lone figure" und einem "breadwinner", und auch von einem "new lace in an old shoe", und wie er auf seine Liebe wartet, am Sofa sitzend, mit einem "cup of tea".
Britpop ist drinnen in diesem neuen Maccabees-Album, aber auch ein Quäntchen Arcade Fire, ein wenig Radiohead, ein bisschen Smiths, aber auch Leonard Cohen ("River Song").
The Maccabees sind benannt nach jüdischen Aufständischen im Vorderen Orient zur Zeit vor Christus, den Makkabäern.
Einer meiner Lieblingssongs auf dem "Marks To Prove It"-Album der Maccabees: "Kamakura". Der Songtitel bezieht sich auf eine Stadt in Japan, in der die Band einmal spielte, aber letztlich ist dieses Stück wohl ein Song, der im nahenden Herbst den Sommer nicht gehen lassen möchte, ein Song voller Erinnerungen - guter und schmerzlicher: "the summer´s been and gone, no-one says a word, because it breaks a heart". Eine Sommerliebe und ihr melancholisches Ende? Während die Möwen ihrem Tagwerk nachgehen: "Seagulls at the waste bins, wish them all a winter, must be rough at sea".
Ja, wo die Möwen im Winter wohl hingehen? Hinaus aufs Meer? Aber wo schlafen sie da? Orlando Weeks auf den Spuren von Holden Caulfield im Roman "Der Fänger im Roggen", der sich im Central Park von New York fragt, wo die Enten im Winter hingehen, wenn der Teich zufriert. Und da ist Zorn in den zusammengebissenen Sänger-Zähnen von Orlando Weeks: "He´s given a bloody nose to the best friend he knows", und auch von einer schwarzen Madonna ist die Rede im Song "Kamakura": "The Black Maria is where he finds his honour, the darker the corner." Komplex, sehr komplex. "Marks To Prove It" - ein Lieblingsalbum. Ein Album des Jahres.