Erstellt am: 7. 8. 2015 - 14:48 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 07-08-15.
#fußballjournal15
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Jeder kriegt, was er verdient: Rapid mit Donetsk den unattraktivst-möglichen aller letztlich unbezwingbaren Gegner; Salzburg mit Dinamo Minsk noch eine letzte Chance auf Selbsterkenntnis; und das sensationelle Altach einen zweiten Teil der schönen Portugal-Reise, diesmal ins malerische Belem; sowie Sturm den Platz auf der Fernseh-Couch.
In einer europäischen Saison, die lange Donnerstage bereithalten und so den Liga-Spielplan komplett wegschütteln wird, weil es eben gleich zwei (drei?) Vertreter in der Europa-League, dafür keinen österreichischen Verein in der Champions League geben wird, könnte sich noch viel bewegen, keine Frage. Aber der Start determiniert so eine Saison, ideologisch.
Über all dem steht nämlich die Frage von Selbst- und Fremdsicht, von Übersteigerung und Wirklichkeit, von eingebildeter Stärke und tatsächlicher Wertigkeit - in einer Gesellschaft wie der österreichischen, in der virtuelle Befindlichkeit mehr zählt als die Faktenlage und in der Populisten und populistische Medien die Ansagen machen, ein massives Problem.
Immerhin gelang den 5 europäischen Vertretern auswärts ebenso wie daheim ein 2:1:2-Score (nur die Tordifferenz war mit 8:12 klar negativ), dass mit einem gesamten 4-2-4 aber nur zwei Erfolge einzufahren waren (Salzburg ist nur dank fixer Setzung trotz des Outs weiter), zeigt die Wertigkeit der Ergebnisse. Auch weil damit die künftige Setzung aufs Spiel gesetzt wird.
Zitat gefällig?
Man habe den Aufstieg mit einer eigentlich nur durchschnittlichen Leistung und höchstmöglicher Effizienz (drei Schüsse aufs Tor, alle drin) geschafft, während der deutlich bessere Gegner das ganze Match lang unglücklich angerannt sei. Subtext: unverdient also.
Ist natürlich ein (öffentlich-mediales) Zitat, dass sich nach dem 3:0 der Salzburger in Malmö auf die Schweden bezieht; selbstverständlich.
Dass die Faktenlage und die internationale Analyse das exakt selbe zu Rapids Auftritt bei Ajax sagt: geschenkt. Muss verschwiegen oder mit Nestbeschmutzer!-Empörungsgestus weggedrückt werden.
Wo kämen wir (in Österreich) denn hin, wenn wir die Leistungen "unserer" Mannschaften objektivieren sollten? Wohin mit dem ganzen aufgesetzten Patriotismus, wohin mit den Kooperationen und Partnerschaften, wohin mit den nationalen Klischees, den oft eben doch nur die niedereren Instinkte ansprechenden Narrative vom kämpferischen grasfressenden Zwerg, den immer alle unterbuttern wollen, und der es dann doch schafft (und wenn nicht, nur, weil die anderen dann noch gemeiner waren)?
Diese kollektive Erzählung vom kleinen Fighter, der nichts außer seinem Einsatz hat, ist eine des Nachkriegs-Österreich, eine in den 70ern geflüsterte, danach gebrüllte Geschichte ohne historische Basis, ohne inhaltliche Unterfütterung. Zur Ideengeschichte des österreichischen Fußball demnächst (Montag? Nächste Woche? Zeitfrage...) mehr in einer Extra Edition ebenhier.
Nun würde ich ja die Kirche im Dorf lassen: Malmö war vielleicht nicht die drei Tore besser, aber doch mindestens gleich aktiv wie Salzburg. Bis zu dem Zeitpunkt wo sie klar führten und kapierten, dass die redundant durch die geschlossene Mitte rollenden Angriffsversuche des Gegners (dazu gleich mehr) nicht fruchten würden. Und Rapid verdient auch mehr als Mehr-Glück-als-Verstand, nur dreimal zufällig vors Tor gekommen und was draus gemacht. Dazu trat das Team zu tight auf.
Trotzdem ist diese Sicht auf das vorgebliche 'Spiel des Jahres' möglich und realistischer als das selbstbetrügerische nachträgliche Aufpimpen, das von Rapid- und Rapid-Medien-Seite gerade betrieben wird.
Siehe auch: Altach verdient weiter, Sturm verdient raus
Wenn sich jemand einen Lorbeer-Kranz für außergewöhnliche Leistungen aufsetzen lassen darf, dann ist das einzig Damir Canadi vom SCR Altach.
Im Gegensatz zu den Coaches von Rapid Wien ist ihm nämlich nichts in den Schoß gefallen, hat er auch nicht Fehler perpetuiert, die bereits seit Jahren nicht abgestellt werden: Canadi hat sich aktiv mit einer komplett neuen Situation (internationales Pflichtspiel, Auswärtsmatch in einem großen Fußball-Land des Südens) zweimal einen Matchplan einfallen lassen, und mit seinen Spielern so konkret an dessen Umsetzung gearbeitet, dass - mit ein wenig Fügung - die Hoffnung auf ein gutes Resultat noch übertroffen und ein herausragendes erzielt werden konnte. Ohne Kampfsprüche, ohne pseudoreligiöse Untertöne, ohne behäbiges Trial-and-Error, sondern mit einer Idee, zwei Ideen, vielen Ideen.
Die Unverhältnismäßigkeit der der Altacher Erfolg im Vergleich zu dem von Rapid ausgesetzt ist, erinnert an die Relation zwischen, sagen wir Hubert Strolz und Armin Assinger.
Canadi, in der Vorsaison bekannt und berüchtigt dafür in drei Matches vier hochunterschiedliche Systeme spielen zu lassen, lässt heuer in einem grundsätzlichen 4-4-2 rotieren, das er aber sowohl personell als auch feintuningmäßig exakt auf die Gegner einstellt - in der Liga noch ohne Wirkung, gegen Vitória Guimarães aber mit zweifachem Erfolg. Gestern mit einem nur scheinbar defensiven 4-4-1-1 nach der Koller-Formel, mit ganz starken Flügeln, die die im Hinspiel ausgemachte Schwäche der Portugiesen an den Außenpositionen (eh nur die Verteidiger, die Angreifer waren mit Rochaden zu beschäftigt um viel nach hinten zu arbeiten) als Trigger benutzte um derart ins Spiel zu kommen, dass der Gegner nicht mehr herausfand.
Natürlich hatte auch Rapid aus dem schlimmen Hinspiel gelernt und die übelsten Fehler abgestellt. Vor allem einen, der so alt und so dumm ist, dass ich gar nicht glauben mag, dass er unter Barisic immer noch aktiv und bewusst begangen wird: das Comeback des alten Hofmann-Lochs mit anderem Gesicht. Wenn nämlich ein rechter Flügelspieler wie Schobesberger (aktuell eh unter Form) defensiv inexistent ist und der Rechtsverteidiger hinter ihm auf sich allein gestellt, gebiert das höchste Schwierigkeiten. Dass es für diese Erkenntnis aus der Zeit Mose eine verbeutelte Ajax-Halbzeit braucht und erst im Rückspiel drauf Rücksicht genommen wird, erzählt alles über die Einstellung, mit der Rapid in ein Spiel geschickt wird. Nämlich fahrlässig. Den Rest besorgten dann eine zu junge und noch schlechter gecoachte Ajax-Mannschaft (Frank de Boer, auweia...) und ein im erwarteten Aufwind befindlicher Louis Schaub.
Da die aus den beiden Ajax-Spielen gezogenen Lehren sich aber in heldenepisch erzählten Jägerlatein-Geschichten erschöpft, besteht für die nächste Runde, wo man unter weit weniger günstigen Bedingungen antreten wird müssen (Shakhtar Donetsk ist im Meisterschaftsbetrieb, Supercupsieger, die europäische Nummer 23, letztjähriger Vizemeister, Tabellenführer, Coach Lucescu ist zwar 88, aber auch schon Trainer seit '88, dazu ein Dutzend teilweise sehr guter Brasilianer wie Taison, Bernard und Jungstar Alex Teixeira und Captain Srna) eine nur äußerst geringe Chance auf die Champions League-Teilnahme.
Altachs Gegner CF Belenenses (aus Belém, dem touristisch attraktiven Lissabonner Vorort) ist nominell (nur Nr. 148 im Ranking) zwar schwächer eingestuft als Vitoria, verfügt aber über einen besseren Tormann und zumindest einen echten Ex-Teamspieler (Martins). Sonst kommt es zu einem deja vu: viele Jungnational- und Leihspieler, wohl auch dasselbe System.
Jetzt aber zu den Salzburger Ärgernissen.
Das aktuelle Problem des Fehlstarts sind weder die vielen Abgänge noch die Änderung der Philosophie.
Es kommt viel zusammen, für einiges kann der Club was, anderes ist dumm gelaufen.
Dass etwa Soriano, Schwegler, der als Stabilisator geholte Yabo (und irgendwie auch Leitgeb halbert, dazu auch Damari oder Lazaro) verletzt ausfallen, und somit praktisch alle erfahrenen Ruhe-Ankerpunkte fehlen, wäre vielleicht zu verschmerzen. Wenn nicht auch Sorianos Co Djuricin und der neue Innenverteidiger Miranda die Seuche am Fuß hätten und Spiele im Alleingang verlieren bzw nicht gewinnen würden. Wenn nicht andere wie Ulmer, Berisha nur Mittelmaß kreieren und bis auf Keita kein Feldspieler außergewöhnliches zeigt. In diesem Umfeld sind Jungs wie Atanga oder Oberlin dann wohl überfordert.
Zumindest ein Team ist ja jetzt schon champions-league-fix: die U18-Meisterelf von Red Bull Salzburg wird als FC Salzburg U19 in der heuer erstmals von 64 Mannschaften gespielten Youth League an den Start gehen. Zwar nur im K.O.-System anstatt von 6 garantierten Runden (die es bei einer CL-Quali der erwachseneren Salzburger gegeben hätte), aber immerhin.
Wenn die dann nicht mehr als Schema F (alles flach durch die Mitte kombinieren) spielen können, einfach weil es durch den Personalabfall an Variationsbreite fehlt, dann geht sich das für ein wild entschlossenes Hinspiel gut aus; in einem exakt wieder so angelegten Rückspiel ist eine clevere Mannschaft wie Malmö aber gewarnt. Im Wissen um die taktische und systemische Vielfalt, die Zeidler bei Liefering an den Tag legte, liegt es also nicht an seinem Können, sondern - wahrscheinlich - daran, dass dieses junge und auf dem Platz leitungslose Team (Leitgeb, und das ist die traurigste Erkenntnis dieser Tage, kann das halt nicht leisten) noch keinen Plan B drauf hat. Zu kurz die Einlern/Vorbereitungszeit.
Gegen Dinamo Minsk, die Nummer 2 aus Weißrussland, die Nummer 185 in Europa, eine Mannschaft, die ein bissl besser als die aus Soligorsk ist (auch wenn man mit dem FC Zürich nicht niemanden aus dem Bewerb kegelte), kriegen Zeidler und sein Team jetzt eine Wild-Card-Chance um sich in die Gruppenphase zu retten und bis dorthin systematisch zu steigern. Andernfalls droht ein Absturz ins Bodenlose, die vollständige Lieferingerisierung Salzburgs.
Also: Was Wolfsberg geschafft hat, darf Salzburg nicht nicht gelingen. Apropos: schöne Atmo im Borussenpark; und halbwegs gut Widerstand geleistet.
Was man von Sturm Graz nicht behaupten kann. Auch wenn die Hausmedien (vor allem die Kleine Zeitung, die den Verein auch bejubeln würde, wenn er gegen Rabotnicki Skopje ausgeschieden wäre) einen tollen Kampf gesehen haben: das war auch im Rückspiel keine gute Leistung gegen einen russischen Tabellenletzten, der die Partie jederzeit problemlos im Griff hatte (und ja auch mit 2 Toren hätte verlieren müssen). Ja, die Grazer hatten viele Ausfälle, aber wieder einmal (Foda eben) keine einzige eigene Idee. Und ohne individuelle Klasse (Stichwort: Donis Avdijaj) folglich auch keine Chance.
Nervend: auch im Fall von Sturm, der populären, von Umfeld-Populisten durchtränkten Mannschaft der Steiermark, wird dieses Kampf-Narrativ umgehängt, als ob das ein Alleinstellungsmerkmal sein könnte wie es spielerische oder individuelle Klasse, taktische Fähigkeiten oder gut ausgetüftelte Matchpläne sind.
All das kann nur in einem nationalistisch-machoid angeschwollenen Medienumfeld derart weitgehend unwidersprochen erzählt werden. Zum einen, weil diese Medien strikte Analyse-Vermeider sind (und das nicht nur im Bereich des Fußballs oder Sports - sondern, mit weitaus schlimmeren Auswirkungen, auch im politischen und gesellschaftlichen Diskurs), zum anderen, weil es in einer einem schiefen Patriotismus-Bild nachweinenden Jungmänner-Biotop auf fruchtbaren Boden fällt. Lieber bemüht leicht von der Klischee-Zunge gehender Pathos als fordernde Analyse mit möglicherweise nicht der Erwartungen entsprechenden Ergebnissen.
Das ist ärgerlich.
Zwar auch nicht ärgerlicher als das, was die exakt selben Mechanismen bei Themen wie Asyl, der EU oder der Demokratie-Vertrauenskrise bewirken, aber ärgerlich genug.
Der einzige Unterschied ist, dass die Realität im Fußball G'schichtldrucker auch gern früh einholt. Indem sie etwa schon in der nächsten Runde alles auf den Kopf stellt.