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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

7. 8. 2015 - 02:39

Bunte Outfits, virtuelle Realitäten, ein Haufen Spiele

Die Gamescom in Köln geht mit der Zeit und wandelt sich vom reinen Computerspielspektakel zu einem großen Treffen von Geeks aller Couleur.

Cosplayer mit Maske, Axt und Körperbemalung.

Robert Glashüttner

Es ist jedes Jahr aufs Neue erfrischend und motivierend zu beobachten, wie mittendrin statt nur dabei die Menschen auf der Gamescom sind. Wo viele der sogenannten Fachbesucher schon nach dem Pressetag wegen des Andrangs und des bunten Treibens ächzen, kommen die Fans am ersten öffentlichen Tag gerade erst in die Gänge. Für viele ist der Besuch auf der Gamescom die große Belohnung nach einem anstrengenden Schuljahr, eine Möglichkeit, sich mit Freunden und Gleichgesinnten zu treffen, sich vielleicht ins neue Cosplay-Kostüm zu werfen und natürlich die Videospiele zu spielen, die erst in ein paar Monaten (oder später) erscheinen werden.

Gekommen, um zu feiern - und Geduld zu haben

Cosplayerinnen in kurzen Outfits und mit Lasergewehren.

Robert Glashüttner

Bis zu vier Stunden in der Schlange stehen, sich den ganzen Tag lang geduldig durch die Besucherströme bewegen und dabei auch noch teilweise aufwendige und schicke, aber mitunter auch unbequeme Kostüme tragen: das funktioniert nicht ohne Leidenschaft. Seit Cosplay vor ein paar Jahren in Europa und Nordamerika vom Nischenphänomen zu einem beinahe universellen Geekphänomen wurde, das in den Bereichen Film, Comics und Games ausgelebt wird, hat sich auch das Wesen der Gamescom erweitert. Natürlich geht es immer noch vorrangig um brandneue (und stellenweise ganz alte) Computerspiele, doch die Gamescom ist heute auch ein großes Fantreffen von Gleichgesinnten. Die Stimmung ist dabei durchgehend aufgeweckt und positiv. Die Zeiten, in denen Bro-Gamer Cosplayer/innen süffisant anlächeln, ist zumindest auf der Gamescom weitgehend vorbei.

FM4 bei den Besucher/innen auf der Gamescom

Geldbörse zücken

Neben der erfreulich expressiven und sozialen Facette des Cosplay ist der dazugehörige Konsumrausch allerdings ein fragwürdiger Aspekt. Stimmt schon, auf einer Publikumsmesse für kommerzielle Computerspiele gegen den Kapitalismus zu wettern, ist tendenziell eine Themenverfehlung. Aber dass die Verkaufsstände für Merch, Mangas, Games, Kostüme, Plüschfiguren, usw. nun schon eine ganze Halle komplett ausfüllen, verblüfft dann doch etwas.

Merch-Stand auf der Gamescom mit vielen Stofftieren.

Robert Glashüttner

Alle die Brillen aufsetzen!

Der Virtual-Reality-Frühling 2016 steht mehr oder weniger vor der Tür. Weil dann aber erst die Geräte erscheinen werden, besitzt dieser neue Markt - trotz des Frühstarter- und Innovationsbonus' von Oculus Rift - noch keine Verteilung. Kein Wunder also, dass alle teilnehmenden Firmen - Facebook, Samsung, Google, Sony usw. - ihre VR-Lösungen auf der Gamescom entsprechend anpreisen. Wirklich neue Infos gibt es dazu in Köln zwar nicht, aber natürlich ist die Möglichkeit, die diversen smarten Brillen zu probieren, die einen in andersartige virtuelle Welten abtauchen lassen, verlockend.

Ein ausgiebiger Streifzug durch die Hallen der Gamescom macht aber klar, dass die Prioritäten woanders liegen - nämlich dort, wo sie in den Jahren zuvor auch schon gelegen sind: bei Militärshootern, MOBAs, Fußball, Action-Adventures und jedem Spiel, das von Blizzard Entertainment entwickelt wird. 2015 wieder aus der Mottenkiste ausgegraben, in der es über fünf Jahre lang gelegen ist: das Band-Musikspiel. Heiß und bald verfügbar: Games mit Held/innen aus unterschiedlichen Fantasy-Universen ("Disney Infinity", "Lego Dimensions") und "Star Wars: Battlefront".

Gamescom-Besucher/innen beim Spielen von "Guitar Hero Live".

Robert Glashüttner

Playstation und Xbox buhlen weiter um den Konsolenolymp, und Nintendo kocht nebenher sein eigenes Süppchen. Von der geplanten neuen Konsole des japanischen Traditionsvideospielunternehmen war auf der Gamescom zwar nicht viel zu hören und sehen, doch weil sowieso alle die alten und ewigen Nintendo-Marken wie Mario, Zelda und Co. lieben, genügt es vorerst, einen Titel wie "Super Mario Maker" am Start und den ständig gut gelaunten Mario-Sprecher Charles Martinet auf der Messe zu haben.

Nintendo-Stand auf der Gamescom

Robert Glashüttner

Bunt geschmückter Stand für das Spiel "Tearaway Unfolded".

Robert Glashüttner

Retro und Indie

Abseits der Verkaufsstände, Warteschlangen, Messe-Babes und -Boys und überdimensionalen Promotion-Figuren, gibt es auf der Gamescom immer auch die Hallen für die alternativen Videospielformen. Der Retro-Bereich punktet mit liebevoll ausgestatteten Schaukästen, vielen Spielstationen und einem Arcade-Bereich mit alten Videospielautomaten und Flippern.

Eine Etage drunter präsentiert sich die Indie Arena. Im Vorjahr war das noch ein netter kleiner Stand mit etwa einem Dutzend Games. Bei dieser Gamescom breitet sich die Indie Arena hingegen über vier lange Spuren aus und beherbergt über 40 Spiele aus Europa, schwerpunktmäßig aus dem deutschsprachigen Raum. Schön zu sehen, dass Indiegames neben den protzigen Blockbuster-Ständen stolz Präsenz zeigen. Darüber hinaus stellen auch die Konsolen-Riesen immer regelmäßiger unabhängig entwickelte Spiele in ihre virtuellen Auslagen - aktuell etwa das nächstes Jahr erscheinende "Tacoma" (Xbox One) oder "Momonga Pinball Adventure" (Wii U).

Spieler spielen an alten Videospielautomaten.

Robert Glashüttner

Die Gamescom in Köln ist noch bis inklusive Sonntag (9. August) geöffnet. Wer es lieber ruhiger mag, kann bis Samstag noch das Notgames Fest (nicht allzu weit vom Messegelände entfernt) besuchen.