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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

6. 8. 2015 - 16:49

"Die Liebe sucht man sich nicht aus ..."

Aus Langeweile googelt Monique Schwitter den Namen ihrer ersten Liebe und erfährt, dass er tot ist. In Folge schreibt sie den beeindruckenden Roman "Eins im Andern".

Die Autorin Monique Schwitter schreibt an einem Text. An einem schwierigen Punkt kommt sie eines Abends nicht weiter. Früher hätte sie in einer derartigen Situation eine geraucht. Seit sie damit aufgehört hat, lenkt sie sich im Internet ab. Googelt den Namen ihrer ersten Liebe. Und erfährt: Er ist tot. Von einem Hochhaus gesprungen. Die Nachricht wirft sie aus der Bahn.
"Es war mir dann nicht nur an dem Abend nicht mehr möglich, da nahtlos an die Arbeit zurückzugehen, an den Text, an dem ich eigentlich schrieb. Immer größer wurden diese Fragen: Was ist da passiert? Warum habe ich das nicht mitbekommen? Wieso hab ich den nicht vermisst?"

Wie eine Lawine rollt die Vergangenheit auf sie zu. "Und plötzlich merkt man: Das ist ein Gegner und mit dem hat man zu ringen. Und in meinem Fall bedeutet das dann – es wird ein Text."

cover Monique schwitter eins im andern

Droschl Verlag

Monique Schwitter: Eins im Andern. Literaturverlag Droschl, 2015

In zwölf Kapiteln, jedem ist ein Männername vorgestellt, widmet sie sich der Liebe. Bibelaffine werden in den Namen die zwölf Apostel erkennen. Eine interessante Zusatzebene, die aber für das Verständnis nicht unbedingt notwendig ist. Das seien einfach zwölf Namen für zwölf Männer, die als Stellvertreter für verschiedene Möglichkeiten von Liebe stehen, erklärt Monique Schwitter. "Es gibt die erste Liebe, die Langzeitbeziehung, die Fernbeziehung, den Ehemann, den besten Freund, die Affäre, den Schüler, den Lehrer."
Über diesen verschiedenen Typen und Möglichkeiten schwebt die Suche nach der Liebe: "Was machen wir mit der Liebe? Was macht sie mit uns? Wieso ist sie da? Wohin geht die Liebe, wenn sie weg ist?"

"Einer nach dem anderen, murmle ich, als ich mir in der Küche einen Kaffee mache, eins geht ins andere über, eine Liebe in die andere. Oder bleibt die Liebe immer dieselbe, bleibt sie sich treu? Ändern sich nur ihre Gefäße? Bietet sie sich einfach in einem Mann nach dem anderen dar, offenbart sie, die eine, einzige, wahre, sich einfach nur in verschiedenen Gestalten? Hat also nicht die Liebe verschiedene Gesichter, sondern einzig der Geliebte? Einer nach dem anderen, Mann für Mann …"

"Die Liebe sucht man sich nicht aus ..."

"Die Liebe sucht man sich nicht aus", erinnert sie sich dabei immer wieder an eine Weisheit der fiktiven Großmutter. Die Großmutter hatte damals keine große Wahl. Bis dass der Tod uns scheidet blieb sie mit ihrem unguten Mann zusammen. "Das Konzept des Lebens und der Liebe war eines. Ein Leben - eine Liebe." Das habe sich in den letzten 50 Jahren massiv geändert, erklärt Monique Schwitter. In ihrem Alter kenne sie kaum jemanden, die oder der immer noch mit der ersten großen Liebe glücklich sei. Vielmehr würden die 30 bis 40 Jährigen Liebe doch zeitlich begrenzt erleben. Das widerspreche natürlich dem Konzept der Ewigkeit.

"Mit diesem Widerspruch umzugehen, und immer wieder, wenn die Liebe uns trifft, doch daran zu glauben, dass das irgendwas mit Ewigkeit zu tun hat - es hebelt einen ja tatsächlich auch aus der Zeit heraus. Das ist glaub ich, schon eine Art von Überforderung, mit der wir klarkommen wollen und auch müssen."

Monique schwitter

© Matthias Oertel

Monique Schwitter, 1972 in Zürich geboren, lebt seit 2005 in Hamburg. Sie hat in Salzburg Schauspiel und Regie studiert und war unter anderem an den Schauspielhäusern in Zürich, Frankfurt, Graz und Hamburg engagiert.

Trotz der täglichen Überforderung würde sie nicht mit ihrer Großmutter tauschen wollen. Während sie das erzählt, verfüttert sie die unbestellten Hundekekse ihrer schwarzen Hündin. Die kommt auch im Roman vor.
Einiges scheint autobiographisch:
Die Ich-Erzählerin ist Anfang Vierzig.
Wie Monique Schwitter.
Sie ist Schauspielerin und Autorin.
Wie Monique Schwitter.
Und sie hat zeitgleich in denselben Städten gelebt wie Monique Schwitter.
Sehr leicht möchte man sich täuschen lassen und das Ganze als autobiographisch annehmen. Zur Frage nach dem Schein und Sein und der Authentizität habe sie nach ihren Theatererfahrungen ein gebrochenes Verhältnis. "Oder ein spannungsvolles."

Jede Figur, die sie erfinde, sei immer von ihr geprägt. Ob sie wolle oder nicht, seien da Anteile von ihr drinnen. Nur von ihrem Leben auszugehen sei ihr aber sehr schnell zu langweilig geworden. Sie brauche die Fiktion, um zur Realität oder zu so was wie der Wahrheit vorzudringen. "Für die Realität habe ich sowieso keine Fantasie."

"These boots are made for walking. Ich habe gehen gelernt."

"Eins im Andern" kommt so leicht und unterhaltsam daher und geht doch so beeindruckend tief. Ein gegenwärtiger Liebesroman im besten Sinn. Monique Schwitter lässt sich von der Liebe nicht blenden. Vielmehr hält sie ihr geschickt ein Prisma entgegen und zeigt die verschiedenen Farben der Liebe.
Liebe wird hier nicht verklärt, sondern hinterfragt. Eine unbedingte Antwort sucht man freilich vergeblich: "Man kann das noch so untersuchen – wir werden die Liebe nie in den Griff kriegen."

Ein ausgezeichneter Roman

Monique Schwitter hat heuer beim Wettlesen um den Bachmannpreis in Klagenfurt ein Kapitel aus dem Roman gelesen. Die Protagonistin sucht mit einem schwulen Freund eine Esche, die als Grab für eine komplizierte Familienkonstruktion dienen soll. Monique Schwitter war auf der Shortlist, hat aber keinen Preis erhalten. Durchaus erstaunlich, weil etwa Juryvorsitzender Hubert Winkels meinte, "dass ihm alles daran gefällt". Rückblickend beurteilt Monique Schwitter ihre Teilnahme äußerst positiv. "Davon abgesehen, dass ich keinen Preis gewonnen habe. Den hätte ich gerne mit nach Hause genommen. Ich hätte vor allem auch das Geld – ehrlich – gerne mitgenommen." Die Jury habe sich "sehr genau und sehr lustvoll über diesen Text gebeugt und vieles, was ich da reingeschrieben habe, auch erkannt."