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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 8. 2015 - 15:16

The daily Blumenau. Monday Edition, 03-08-15.

Warum die "kritisch-intellektuelle Kontrollinstanz" offenbar höhere Überlebens-Chancen hat als der verhaberte "embedded journalism", der Österreichs Fußball schönfärbt.

#medienselbstverständnis #fußballjournal15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Morgen Dienstag kommt die letzte Ausgabe der seit 1999 erscheinenden Sportwoche in den Verkauf. Mit dieser Nummer stellt der Styria-Verlag, Österreichs Nummer 3 unter den Medienhäusern, seine wöchentliche kleine Sport-Illustrierte ein.

Das Ende für eine der beiden auf Fußball fokussierten Sport-Weeklys hat auch mit der Konjunkturkrise der Printmedien zu tun, ist aber vor allem der Krise der Styria geschuldet, die bereits den altbewährten Wiener und ein Motormagazin verkaufte. Die Sportwoche ist aber das einzige Periodikum des Styria-Verlags das in dieser Sommerräumungs-Aktion ersatzlos gestrichen wird. Die Einstellung, hieß es aus der Sytria, liege an den "geänderten Bedürfnissen unserer Leser und Werbekunden".

Das ist zum einen bitter, weil damit der Bezahl-Journalismus wieder ausgedünnt wird, und die - vor allem unter den Nachrückern - eh schon auf Selbstausbeutung aufgebaute Branche weiter in die Abwärtsspirale geht.

Das ist zum anderen schade, weil die Sportwoche neben großteils unkritischer Hofberichterstattung und Peinlichkeiten wie dem Sport-Girl von Seite 5 schon auch für brauchbare längere Wort/Interview-Strecken und penibles Info-Sammeln (Fakt-Boxen, Legionärscheck uam.) sowie für eine halbwegs ansprechende Optik geschätzt wurde.

Aber: just in der letzten Nummer vorigen Dienstag jedoch wurde auch - wieder einmal - klar, warum ein Medium wie die Sportwoche letztlich obsolet geworden ist. Im E-Mail der Woche (direkt unter dem sexy posierenden Sport-Girl der Woche) zog ein Redakteur zu einem sehr grundsätzlichen Thema ordentlich vom Leder.

Ich will zunächst nicht auf den Anlass-Fall eingehen (dazu später), nur auf einen - wahrlich verräterischen - Halbsatz darin: es ging um "Journalisten, die sich selbst allzu gern zur kritisch-intellektuellen Kontrollinstanz emporschwingen".

Alle Zitate aus den Facebook-Post-Threads von Gerald Gossmann und Michael Fiala. Danke auch an Chet Nick.

Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil es, um da einen Kollegen zu zitieren, "... das Wesen des Journalismus ist, Kontrollinstanz zu sein. Was denn sonst?" Noch dazu dann, wenn "eine kritische Kontrollinstanz, die den eigenen Intellekt als Basis nimmt, wohl die Idealkonstellation für guten Journalismus" darstellt.
Noch dazu wenn kritischer, intellektueller, auf einer Kontrollfunktion basierender Journalismus als Gegenstück zum "eigentlichen Journalismus" konstruiert wird; einem Journalismus, der "die Kumpanei zwischen Sport und Journaille öffentlich" machen will?

Österreichs Sport-Journalismus befindet sich in seinen beiden Hauptfeldern, dem Fußball und dem Skisport, so eng in der Verhaberungs-Zwickmühle, dass er selbst dann keinen Spielraum für kritische Kontrolle kriegen würde, wenn er wollte. Die allseitigen Kooperationen mit den Verbänden, dem olympischen Komitee und den anderen Träger-Organisationen wie auch mit der Fußball-Bundesliga erlauben nichts anderes als einen Beweihräucherungs-Journalismus, der nur ein "wir" kennt.
Ein "wir", das in der patriotischen Live-Kommentierung eines Länderspiels oder einer Olympia-Abfahrt noch irgendwie nachvollziehbar daherkommt, im Fall von privaten Interessensvertretern wie Vereinen und deren Sponsoren, von zu eng gemauscheltem Privat-Business von Funktionären aber eine ungustiöse Note der Verfilzung bekommt. Und sich öffentlich in Verhaberung suhlt.

Natürlich tut man auch im anderen, aus der Selbstsicht hochwertigerem Journalismus (in der Politik, der Wirtschaft oder der Kultur) den mächtigen Playern nicht weh, sondern konzentriert seine Aufgabe, kritisch Kontrolle zu üben, gern auf unwichtigere Bereiche. Im österreichischen Sportjournalismus fehlt dieses Element aber fast komplett. Eine aufrüttelnde Doping-Reportage wie sie Samstag ARD-Mann Hajo Seppelt wieder einmal gelang, wäre in Österreich - in jeglichem Medium - undenkbar. Auch weil manch Übel von übergeordneten politisch oder ökonomisch mächtigen Stellen gedeckt wird.

Zudem trägt ein kritischer Sportjournalismus auch dazu bei, dass das Niveau/Level des Sports (zumindest das seiner Außendarstellung) steigt. Im Wissen um eine kritische Kontrolle sinken die versuchten Linken und offensichtlichen Unverfrorenheiten. Sonstwo, in Österreich eben nicht.

Sportjournalismus in Österreich begreift sich per se als embedded, als PR-Sprachrohr der Branche, und Sportjournalisten pflegten das gute Leben als mit Privilegien ausgestattete unkritische Begleiter, solange die klassischen Medien die einzigen waren, die so etwas wie Sportberichterstattung an Leser/Hörer/Seher brachten.

Seit der User dazugekommen ist, seit die Freiheiten des Netzes es auch Journalisten bzw. Sportfans ohne entsprechende Medienmacht ermöglicht, ihre Texte anzubieten, erstarrt die eh schon in zu vielen Abwehrkämpfen überforderte Branche in einem zusätzlichen, dem gegen die kritisch-intellektuellen Webmedien-Menschen. Deren Einfluss hat mittlerweile eh schon Sickerwirkung in manch klassisches Medium hinein entwickelt. Weshalb Sprüche wie die in der letzten Sportwoche in den letzten Monaten auch eher selten waren. Blogger tauchen zunehmend als Experten in TV-Sendungen auf, Printmedien nehmen vermehrt Anleihen, selbst als Experten sind kritische Intellektuelle wie Peter Hackmair oder Martin Scherb gefragt.

Deshalb ist der aktuelle Ausbruch ungewöhnlich. Was vielleicht mit seinem (hier nachzulesenden) Kontext zu tun hat:

Sportwoche 31/15. E-Mail der Woche

M. Fiala

Es geht also um den vielfach kritisierten Austria-Sportchef Franz Wohlfahrt, den Nicht-FIFA-Instruktor. Der der Sportwoche exklusiv eine PowerPoint über seine "Philosophie" zuspielte, deren Inhaltsleere dann für weiteren Spott sorgte.

Dahinter steht ein klassisches journalistisches System: ich füttere dich mit Infos, dafür berichtest du wohlwollend. Das ist ein Weg, den man nur dann beschreiten sollte, wenn die Informationen wirklich groundbreaking sind. Was hier eindeutig nicht der Fall ist.

Was danach passierte, ist ein weiterer tragischer Sündenfall: der wegen seiner offensichtlichen Nähe zum Berichterstattungsobjekt dem Spott preisgegebene Redakteur identifiziert sich noch stärker als schon zuvor mit seinen Medienpartnern (in dem Fall Wohlfahrt) und nimmt gemeinsam mit ihm eine "Wir gegen Sie"-Position ein.

Wir, das sind die Player, die Mächtigen gemeinsam mit dem Haberer, dem klassischen, eingebetteten, willfährigen Journalisten, der mit der Macht per du ist.
Sie, das sind die anderen, die kritischen (vielleicht sogar intellektuellen, das ist Definitionssache...) selbsternannten Controller, die auf Nähe, Glamour und Privilegien verzichten, weil nur so (Stichwort Compliance) Journalismus möglich ist, der in Zeiten der Digitalisierung eine Überlebenschance hat.

Und hier trifft sich dann wieder die Begründung der Styria für die Einstellung der Sportwoche, das mit den "geänderten Bedürfnissen unserer Leser". Der Verlag glaubt das mit dem vergleichsweise flapsigen, nie in die Tiefe gehenden, auf Diashows setzenden Portal sportnet.at besser zu erreichen. Und hat vielleicht sogar recht. Denn zwischen der schnellen oberflächlichen Info, die der großen Mehrheit der Sportfans genügt, und der kritischen Analyse, die für von den einigen ausgewählten Websites für ein Minderheiten-Publikum mit Interesse an kritischer Analyse angeboten wird, ist ja wirklich kein Platz. Nur mit offensichtlichen Handlanger-Diensten für die Verbände und Vereine ist jenseits der Sportteil-Mächtigen in den Boulevard-Blättern wohl kein Staat zu machen.