Erstellt am: 31. 7. 2015 - 16:42 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 31-07-15.
#fußballjournal15
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Die halbe Liga war in den letzten zwei Tagen erstmals an breiter Front europäisch engagiert. Und das nicht gegen irgendwen, sondern durchwegs renommierte Gegner.
Im Folgenden: Was dabei öffentlich schief lief, was das Radar unterflog und unerkannt blieb, was nicht genug Würdigung erfahren hat, wo in der Berichterstattung getrickst und falsch gewichtet wird und wie die fünf Spiele letztlich einzuordnen sind.
Im Detail war es so:
Die Nummer 1 des 14.-besten Verbandes (die Nr. 38 der Vereinsrangliste) spielte gegen die Nummer 1 von Verband Nr. 24 (die Nummer 113 im Club-Ranking).
Die Nummer 2 des 14.-besten Verbands (Nr. 108 im Vereinsranking) spielte gegen die Nummer 2 von Verband Nr. 8 (der 28.-beste Verein Europas).
Die Nummer 3 des 14.-besten Verbands (als Neuling die Nr. 234 in Europa) hatte die Nummer 5 von Verband Nr. 5 (die Nummer 103 im Vereinsranking) zu Gast.
Die Nummer 4 des 14.-besten Verbands (Nr. 178 in Europa) spielte gegen die Nummer 5 des 7.-gereihten Verbands (die Nr. 34 in der Einzelliste). Anmerkung: Kasan ist eigentlich nur die Nummer 6, kam nur wegen des Financial Fairplay-Out für Dinamo Moskau nach Europa.
Die Nummer 3 des 14.-besten Verbands (als Neuling die Nr. 234 in Europa) hatte die nominelle Nummer 7 des drittbesten Verbandes, wegen der Erfolge der letzten Jahre ist sie die Nummer 8 in Europa.
Zuerst: wie man klassische Bilanz-Tricks erkennt
Die Gesamt-Bilanz der fünf Matches sieht mit 2:1:2 (TD 8:7, also leicht positiv) ganz gut aus, vor allem wenn man bedenkt, dass vier der fünf Gegner aus deutlich besser gerankten Verbänden kommen und sich drei im Einzelranking vor den hochgehandelten Salzburgern befinden.
Allerdings sind (Seltenheit!) alle fünf Spiele in Österreich (und nur damit man weiß, wozu die in der Gegend rumstehen: in allen vier UEFA-konzessionierten EM-Stadien; plus Graz) über die Bühne gegangen.
Dieser Aspekt wird in keiner einzigen Europacup-Bewertung mitgedacht; fahrlässigerweise. Denn selbst wenn neben den Fixweiterkommern Salzburg und Rapid noch ein weiterer Bewerber aufsteigt, droht in den fünf Auswärts-Rückspielen eine negative Bilanz (wohl ein 0-2-3).
Erwähnt wurde nur das brave Punktesammeln für die UEFA-Koeffizienten-Liste; die auch erst ins bis dorthin von blankem Egoismus geprägte Bewusstsein der Vereine eingesickert ist, seit die Bundesliga da (Stichwort: Esel und Karotte) ein exaktes Ziel ausgegeben hat.
Und auch diese Erfolgsmeldung ist keine: aktuell rangiert Österreich auf Platz 40 (von 54), was die erreichten Punkte betrifft. Merke: wer zu fünft antritt und sich die frühen Runden gegen leichtere Gegner spart, hat es schwerer auf einen guten Schnitt zu kommen.
Die Bilanz der beiden europäischen Tage ist also eine anständige, die allerdings - wegen der Heimauslosung und wegen der durchaus gerechten Europacup-Arithmetik - ordentlich in Relation gesetzt werden muss.
Wo die alten nationalistischen Narrative alles zuscheißen. Oder: Wieso das dicke Lob die Falschen streichelt.
Österreichs Fußball-Öffentlichkeit hat das aktuelle Jahrhundert noch nicht so recht erreicht/erkannt: sie lebt immer noch in zwei in jeder Hinsicht überkommenen Narrativen.
Das eine ist das des Underdogs, des hoffnungslosen Außenseiters, der sich nur auf Basis seiner Erdefresser-Tugenden bewähren kann. Weil gegen die Großkopferten, die G'stopften von Draußen sonst nichts zu machen ist.
Diese zutiefst anti-intellektuelle Erzählung ist eine auf den Fußball bezogene Variante der großen schollenfaschistoiden österreichischen Erzählung des ewig Untergebutterten, der nur angesichts eines äußeren (gern virtuellen) Feindes (aktuell sind es Asylsuchende aus Kriegsgebieten, denen mit fanchoralmäßigem Hass der Tod gewünscht wird) zusammenzurücken versteht. Diese Erzählung flutet gerade die politische Debatte und die Foren-Sprache, also den öffentlichen Diskurs, befeuert so die sportliche Variante und lässt sich seinerseits von ihr anstacheln.
Das andere Narrativ ist das des Turnarounds durch eine emotionale Pausenansprache, die sich nicht mit Inhaltlichem aufhält, sondern an Ehre/Treue/Religion orientiert und sich auf ein Geht's-ausse-und-schpüts-eucha-Gschpü für Gott/Kaiser/Vaterland zurückzieht.
Mit modernem Fußball, der seine Spiele letztlich im Vorfeld (durch gute Vorbereitung, einen effektiven Matchplan, taktische Variationsbreite, Antizipation etc.) gewinnt, also mit der Realität, hat das wenig zu tun. Diese Erzählung lebt ebenso wie die erste in den Seelen und Gemütern von Zuschauern, Medienleuten und Verantwortlichen, weshalb sie - trotz der Sonntagsreden von Akribie und Modernität - immer wieder zum Ausbruch kommt.
Die Hauptursache für das bessere Spiel Rapids in Halbzeit 2: der Ausschluss von Schwab, der aus einem grotesk auseinandergezogenen 4-2-0-4 ein kompaktes 4-4-1 macht - präzise Analyse dazu hier bei 90minuten.at.
Siehe dazu auch die Analyse von ballverliebt.eu.
Wenn nun wie gestern der WAC nach einer nicht nur der Überlegenheit des Gegners, sondern der eigenen schlechten Taktik geschuldeten schlimmen Halbzeit 1 zurückkommt...; Wenn nun wie vorgestern Rapid nach einem ganz verpatzten Matchplan und der schlimmsten Halbzeit seit Jahren...; Und wenn nun beides eher mit der noch zu lockeren Verfasstheit der (noch nicht im Spielbetrieb stehenden) Gegner zu tun hat als mit eigener Stärke (und im Fall Rapid auch andere, stupende - nebenstehende - Gründe hat) dann werden diese Comebacks als Ausfluss der klassischen Narrative und bestmögliche Äußerung des Österreichischen per se hochgehoben und medial wie der Gesslerhut ausgestellt, auf dass ihm alle zu huldigen haben.
So anständig die Leistungen der beiden Teams in der 2. Halbzeit auch war: die plakative Erzählung, ihre Wilderer-Romantik und ihre Huldigungs-Automatik decken zum Einen die Gründe fürs in-the-first-place-Versagen zu (eine alte österreichische Krankheit, die jegliche Entwicklung hindert; denn nur offene Analyse brächte Besserung) und verhindern zum Anderen, dass jene ihre Würdigung erfahren. die von Anfang an ihre Hausaufgaben gut erledigt hatten und trotz aller möglichen Widrigkeiten ihren Plan durchzogen und siegreich vom Platz schritten.
Wirklich gute Arbeit lieferte nämlich viel mehr das aktuell kriselnde Salzburg und der völlig unbeleckte Neuling Altach ab. Erstere gegen einen Angst-Gegner, letztere gegen einen an sich übermächtigen Kontrahenten.
Im Gegensatz zur taktischen Fehlleistung von Rapid blieb Salzburgs Zeidler auf seiner in Halbzeit 1 noch nicht so recht zündenden Idee eines vertikalen Spiels durch die Mitte drauf, zermürbte den Gegner und besiegte ihn mit so verdientem Glück. Im Gegensatz zum reaktiven Kärntner Matchplan (mit einem strangen 4-3-3-0) war Damir Canadis Mannschaft - wieder einmal in einem neuen System (letztlich ein 4-1-3-2) - mit einem klugen Konzept gegen einen noch nicht vollständig zusammengespielten Gegner ausgestattet.
Es hat natürlich auch mit der Ferne von Vorarlberg und der Unattraktivität von Salzburg zu tun, dass die (nicht nur Wiener) Medien lieber die anderen feiern. Angesichts des schwachen Besuchs in Innsbruck und der seltsam maulfaulen, antiatmosphärischen Kulisse in Salzburg ist es klar, dass die gut (mit echt vielen echten Fans) gefüllten Stadien in Wien und Klagenfurt mehr Wirkung erzielten.
Dass sich Öffentlichkeit und Journalismus davon so ablenken lassen, dass sie sofort in die alten Narrative abkippen, ist trotzdem nur solange opportun, solange es um Mythen-Tradierung und patriotisch-nationale Überzeichnung geht; also um Märchen. Nicht aber um eine realistische Abbildung und eine faktengetriebene Einordnung.
Analysefähig ist dieser Zugang nicht.
Wenn es allein "Wucht in einer Situation der Ausweglosigkeit" ist, die einen aus dem Durchschnitt erhebt, ist man bei der Rescue Squad besser aufgehoben als in einem divers funktionierenden und deshalb auch komplex zu denkenden Sport wie Fußball.
Apropos Selbstkritikfähigkeit; & wieder einmal Außendecker
Franco Foda, der sich nach eigenen Aussagen ja massiv gewandelt hat, vom resistenten Pflock zum umgänglichen Weisen geworden ist, sieht kein Problem in der Wahl seines Rechtsverteidigers. Nun ist es tatsächlich nicht so, dass Ehrenreich das Match gegen Kasan im Alleingang verloren hat. Hilfreich war er dazu aber allemal.
Denn Sturm Graz ist auch in der neuen Saison nur dann im oberen Drittel konkurrenzfähig, wenn sich Einzelne zu Besonderem aufschwingen. Vom Coaching-Team wird keine substanzielle Hilfestellung kommen. Deshalb ist Avdijajs Einschätzung lieb, aber bedenkt ihn (den Besonderen) selber eben nicht mit.
Das Thema Außenverteidiger ist ja ein leidiges, hier im #fußballjournal sein Jahren angesprochenes. Nach dem erfolgten, gleich doppelten Beleg, dass die meisten international nicht konkurrenzfähig, sondern die Schwachstellen sind, die sich der Gegner (vor allem Ajax) speziell herauspickt, wird das Thema jetzt aber zunehmend wahrgenommen.
Denn wo Ehrenreichs Geschenke an Gökdeniz, Kanunnikov und Rubin Kasan vielleicht noch unerwartet ankamen, war Frank de Boers Ajax schon in freudiger Erwartung auf Rechtsverteidiger Auer aus dem Flugzeug gestiegen. Was sich auch auszahlte: das stete Anbohren des extra dafür auf die linke Seite beorderten U21-Teamspielers Daley Sinkgraven brachte einen Strauß an Gelegenheiten zutage. Fürs Rückspiel wird Ajax wohl auch das Fehlen von Thomas Schrammel und die defensiven Schwächen von Stefan Stangl auf dem Zettel haben und auch dem linken Außen einen bewusst gefütterten Spieler auf den Fuß stellen.
Im Schach wäre es unabdingbar die eigenen Schwächen so zu analysieren als wäre man ein Gegner, der sie auszunützen gedenkt. Und eine entsprechende Gegenstrategie zu entwickeln, die als Option in der Hinterhand im Ernstfall zu Tragen kommt. Von dieser Denkbandbreite ist der österreichische Fußball noch deutlich entfernt. Fähigkeiten wie diese sind weder im Team Foda noch im Team Barisic sichtbar.
Weil auch das Gute beim Thema Außenverteidiger seinen Platz haben soll: man of the match bei Wolfsberg war Stephan Palla, wie oft hinten anfällig, aber der einzige mit der Fähigkeit den selbstauferlegten Hemmschuh schon in Halbzeit 1 abzustreifen.
... und dann war da noch der unterschlagene Österreicher...
Neben den fünf heimischen Matches und dem Tor von Marc Janko für den FC Basel war da gestern Abend noch ein herausragender Auftritt eines österreichischen Kickers.
Von dem in den hiesigen Medien aber nichts zu erfahren war.
Dabei trug der Mann mit einem Tor zum sensationellen 0:4 Auswärtssieg seiner Mannschaft bei der großen Sampdoria in Genua bei: Aleksandar Stanisavljević, Rechtsaußen bei Vojvodina Novi Sad, bereitete das erste Tor vor und erzielte das zweite selber. Beim Gegner stand mit Linksverteidiger Ervin Zukanović ein ehemaliger Lustenauer am Platz, just saying...
Stanisavljević, 26, Austro-Serbe, der wie sein älterer Bruder Devid aus dem Rieder Nachwuchs kommt, hat es nach Jahren in unteren österreichischen Ligen in die serbische Liga und jetzt in den europäischen Fokus verschlagen. Für eine gebührende Erwähnung in der Heimat reicht das aber nicht.