Erstellt am: 15. 8. 2015 - 11:15 Uhr
Wo die wilden Kerle wohnen
![© Bits & Beasts](../../v2static/storyimages/site/fm4/20150731/feist-6_body_small.gif)
Bits & Beasts
Es ist ziemlich ruhig unter den großen Nadelbäumen. Hier und da steht ein Fliegenpilz, leise summen die Fliegen und ein bisschen Schnee fällt auch vom Himmel. Kalt wird uns aber nicht, denn nicht nur, dass wir als kleines pelziges Wesen anscheinend warm eingepackt sind, wir kommen auch kaum zum Verschnaufen, wenn wir in “Feist” rastlos voran laufen und springen.
Denn die Ruhe trügt: Was wie eine friedliche Naturidylle im schicken Scherenschnitt-Look aussieht, ist ein tödlicher Spießrutenlauf, in dem uns Fallen, Monster und die Umwelt selbst ans Leben wollen. Kaum haben wir uns zu Beginn des Spiels aus einer Falle befreit, finden wir uns schon in einem heftigen Überlebenskampf wieder, bei dem hin und wieder auch nur die Flucht Hals über Kopf unser Leben retten kann.
Auf Leben und Tod im Märchenwald
All die kleinen Trolle, Insekten und Pflanzen mögen niedlich aussehen, doch das macht sie keineswegs zu harmlosen Hindernissen auf dem Weg unseres pelzigen Helden. Mit Stöcken, Steinen und Pinienzapfen in der Hand treten wir den hartnäckigen Feinden entgegen, die uns schon mal als Ganzes packen und durch die Luft schleudern können. Mit etwas Geschick lassen sich zumindest die gemeinen Wespen kurzzeitig betäuben und als Stachelkanonen benutzen.
Dennoch entsteht praktisch nie das Gefühl der Überlegenheit: Der nächste Tod ist nie recht weit entfernt, und die Nahkämpfe gegen manchmal viele Gegner auf einmal werden ebenso verbittert wie atemlos geführt. Dank glaubhafter Physik und immer wieder anders auf uns reagierender Gegner fühlt sich der Kampf aber immer wieder frisch an, auch wenn uns der hohe Schwierigkeitsgrad an manchen Stellen viele Tode sterben lässt.
Die herausragende Animation und der nur in wenigen Spielen derart effektvoll eingesetzte Scherenschnitt-Stil mit seinen überraschend subtilen Atmosphäreneffekten erinnern zwar an den Klassiker "Limbo" oder das schicke "Badland", doch "Feist" legt seinen Fokus trotz oberflächlicher Ähnlichkeit dann doch auf anderes. Der Ausflug in den Märchenwald ist bei aller Niedlichkeit, bei aller Liebe zum Detail und zu seiner Welt eine beinharte Übung in reaktionsschnellem Überlebenskampf, bei dem Improvisieren und Geistesgegenwart das Wichtigste sind.
![© Bits & Beasts](../../v2static/storyimages/site/fm4/20150731/feist-2-1_body.jpg)
Bits & Beasts
Düsterkeit mit Herz und Stil
“Feist” schafft es, ganz ohne Dialog eine simple, aber spannende Geschichte von Flucht und Gefahr zu erzählen. Die ist zwar nach etwa drei Stunden zu Ende, doch in dieser Zeit fordert und belohnt einen das kleine Schweizer Spiel mit seiner Liebe zum Detail und seiner tollen Atmosphäre.
“Feist” ist für Windows, Mac und Linux erschienen.
In den sieben Jahren Entwicklungszeit hat das Schweizer Zweimannteam Bits & Beasts viele Vorschusslorbeeren für sein Debüt erhalten, und das zu Recht: Der einfache, aber schicke Stil und der gelungene Soundtrack erschaffen eine Stimmung, wie man sie im Spiel selten sieht. Die Zürcher Entwickler nennen ausdrücklich Jim Hensons legendäres Fantasy-Spektakel "The Dark Crystal" und den Animationsfilm "Der Igel im Nebel" als Inspiration, doch es fällt leicht, auch Astrid Lindgrens mythisches Waldgewusel aus "Ronja Räubertochter" , die Mumins oder Maurice Sendaks "Where The Wild Things Are" als Vergleichspunkte heranzuziehen.
“Feist” sieht nicht nur aus wie eines jener eigentlich für Kinder etwas zu düsteren Kinderbücher, an denen auch Erwachsene ihre Freude haben - in seinem liebevollen Minimalismus, seiner Wortlosigkeit und seiner geradlinigen Konsequenz atmet es auch deren Geist.